Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
IX. Die Haltung in der Grenzsituation
und die Theologie.
Für Jaspers gilt es, angesichts des Todes eigentliche
Existenz zu bewahren. Existenz würde versinken, wenn die
Grenzsituation mit einem billigen Trost verschwände, wenn
der Tod irgendwie verstanden und so bagatellisiert und
seines Gewichtes beraubt wäre. Es gilt, sich offen zu halten
in der Grenzsituation, über die wir nicht hinauskommen.
Auch die Theologie muß ja bestrebt sein, einer Bagatel-
lisierung des Todes, einem vorschnellen Vergessen zu
wehren. Auch sie sieht den Tod in seiner ganzen radikalen
Härte, als die Grenze, die von uns aus nicht mehr erklärt
und überwunden werden kann. Auch die Theologie sieht im
Tod die unerbittliche Grenze unseres Lebens. Wenn dann
theologisch dennoch geredet werden muß von dem, der dem
Tode seine Macht genommen hat, so kann das eben nur
gesagt werden als „Dennoch“ eines unbegreiflichen Gottes-
wunders, daß da, wo für uns der Tod ist, das Leben sicht-
bar wird.
Dieses entschiedene Ablehnen jedes Versuches, den Tod
als Grenze irgendwie aus dem Leben heraus zu verstehen
und ihm in irgendeinem Verständnis seine Unheimlichkeit
zu nehmen, ist zunächst ein Zug, der das, was Jaspers zum
Tod zu sagen hat, mit der theologischen Haltung dem Tod
gegenüber gemeinsam hat. Die Feindlichkeit des Todes ist
hier nicht mehr halb oder ganz in einer strukturalen Linie
verborgen, sondern tritt in ihrer ganzen Bedrohlichkeit
hervor.
Aber ist bei Jaspers wirklich die ganze Furchtbarkeit
des Todes wahrgenommen? Die Furchtbarkeit, die eben
erst dadurch ganz furchtbar wird, daß der Tod nicht er-
fahren wird als ein irgendwie und irgendwann drohendes
Verhängnis, sondern als vor allem bedingt und gezeichnet

6*

83
 
Annotationen