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Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus <Berlin> [Hrsg.]
Katalog / Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus, Berlin: Katalog von Gemälden alter Meister: nachgelassene Sammlung Sir Charles Turner London ; Versteigerung: 17. November 1908 — Berlin, Nr. 1528.[1908]

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https://doi.org/10.11588/diglit.19437#0007
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AS Beieinander von Gemälden, das dieser Katalog um-
schliesst, enthüllt sich dem Erfahrenen ohne weiteres als eine
Sammlung im eigentlichen Sinne, als die Schöpfung eines auf-
geklärtenKunstfreundes, der, wartend und wählend, nachund
nach diese Bilder, gerade diese Bilder zusammengebracht hat.
Sir Charles Turner, der in London verstorbene Sammler, konnte die
reichen Gelegenheiten, die der Markt drüben bot, ausnutzen und ward bei
seinen Erwerbungen von einem ungewöhnlich feinen Verständnis geleitet.
Seine Hinterlassenschaft zeichnet sich zunächst erfreulich aus durch das
Fehlen geschmackloser, schlecht erhaltener oder verfälschter Bilder. Der
auf das Gesunde und Klare gerichtete Sinn hatte mehr Freude an der glück-
lichen Schöpfung eines mittelgrossen Malers denn an fragwürdigen Arbeiten
von Berühmtheiten. Anspruchslose Gediegenheit herrscht in derSammlung
und vorurteilslose Vielseitigkeit des Geschmacks. Sir Charles Turner ver-
steifte sich nicht auf diese oder jene Periode, diese oder jene Stilstufe. Fast
jedes Kunstland, fast jede Zeit ist mit einigen ausgezeichneten Hervor-
bringungen vertreten. Freilich nimmt die fruchtbare holländische Malkunst
des 17. Jahrhunderts hier, wie in fast allen Privatgalerien, den breitesten
Raum in Anspruch,dochlassen nichtwenige italienische undniederländische
Bilder aus dem 15. und 16. Jahrhundert sowie eine Reihe italienischer,
französischer und englischer Werke des 18. Jahrhunderts erkennen, dass
dem beweglichen Kunstsinne dieses Sammlers sich der besondere Reiz
jeder Schaffensart erschloss.

Die grossen Meister des Quattrocento sind so seltene Erscheinungen auf
den Auctionen unserer Tage, dass die liebenswürdige Komposition Lorenzo
Costas und die charaktervolle Heiligenfigur von Carlo Crivelli ohne Zweifel
lebhaftes Interesse erregen werden. Beide Tafeln sind vortrefflich erhalten.
Die italienische Hochrenaissance ist durch ein stolzes Männerporträt re-
präsentiert, das unter Bronzinos Namen katalogisiert ist. Die letzten Aus-
läufer der italienischen Kunst, G. B. Tiepolo und B. Beiotto, die als Deko-
rateure vornehmer Wohnräume in Wettstreit treten mit den gleichzeitigen
Engländern und Franzosen, werden ebenso leicht freundliche Aufnahme
finden wie Leprince,Fragonard,MorlandundHogarth. Hinter Reynoldsund
Gainsborough steht Hogarth noch ungebührlich zurück. Als Illustrator be-
kannt und überschätzt,hat er als Maler noch nichtrecht seinen Platzgefunden.

Unter den Altniederländern verdient jener Madonnenmaler Beachtung,
der in der Nottaufe „Meister der Ursula-Legende" genannt worden ist,
 
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