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BLATT 64. 65. 6G.
PALAIS DES OBERSTLIEUTENANT VON TIELE-WINCKLER
in der Regenlenslrasse 15,
erbaut von Eue und Benda in den Jahren 1873—76.
Ebe und Benda haben in ihren beiden hervorragendsten Bauschöpfungen — dem Palais Tiele-
Winekler und dem Pringsheim'schen Hause — der modernen, durch die wirthschaftlichen Umwälzungen
von 1871 und 72 begünstigten Prachtliebe in so ausgiebigem Maasse gehuldigt, dass ihre Bauten in
diesem Sinne als epochemachend für die neuere Architekturgeschichte Berlins zu bezeichnen sind. In
bewusster Opposition gegen die mit der Farbe sparsam umgehende Schinkel -Sttiler'sche Richtung geht
ihr Bestreben dahin, die ungebrochene Farbe wieder in dasjenige Recht einzuführen, das ihr die
Renaissance erworben hat. Am Pringsheim'schen Hause hat dieses Bestreben schon an der Fagade
seinen entschiedenen Ausdruck gefunden. Die Fagade des Tiele-Winckler'sehen Hauses ist zwar ein-
farbig— ein hellgrauer Wesersandstein —; indessen ist sie mit einem so reichen bildnerischen Schmuck
bedeckt, dass hier die Mannigfaltigkeit der Ornamente gewissermassen die Farbe ersetzt. Der Fries
Uber dem Erdgeschoss, von Professor Engelhard in Hannover entworfen, behandelt einen Stoff aus dem
Sagenkreise der Edda: Schlacht, Tod und Empfang der gefallenen Helden in der Walhalla. Die beiden
Statuen in den Nischen des Erdgeschosses, Thor und Odin, sind ebenfalls von Engelhard entworfen.
Die beiden Portalfiguren, Sonne und Mond nach der nordischen Mythologie (s. Blatt 66), rühren vom
Bildhauer Pohle her. Von besonderer Schönheit sind die schmiedeeisernen Gitter des Vorgartens und
des Portals (Blatt 66), die vom Schlossermeister Koppen ausgeführt sind. Aus ihrer originellen Ver-
werthung verschiedener Renaissancemotive wollen die Architekten eine besondere, „nordische"
Renaissance herleiten. Im Innern, das mit grosser Pracht unter Verwendung echter Materialien und
feinsten Stuccos ausgestattet ist, waltet der Geist des Rococo. An den malerischen Decorationen haben
sich Graef, Schmitz, Th. Grönland und L. Burger betheiligt, an der plastischen der mit dem Rococostil
aussergewöhnlich vertraute N. Geiger.
BLATT 67. 68.
VILLA IN LICHTERFELDE,
erbaut von Jon. Otzkn.
Aus einigen, ursprünglich für andere Zwecke bestimmten Räumen entstanden giebt die Villa
ein interessantes Beispiel einer bei Anwendung der einfachsten Mittel — Backsteinbau ohne Terracotta —
erzielten malerisch gruppirten Anlage.
3*
BLATT 64. 65. 6G.
PALAIS DES OBERSTLIEUTENANT VON TIELE-WINCKLER
in der Regenlenslrasse 15,
erbaut von Eue und Benda in den Jahren 1873—76.
Ebe und Benda haben in ihren beiden hervorragendsten Bauschöpfungen — dem Palais Tiele-
Winekler und dem Pringsheim'schen Hause — der modernen, durch die wirthschaftlichen Umwälzungen
von 1871 und 72 begünstigten Prachtliebe in so ausgiebigem Maasse gehuldigt, dass ihre Bauten in
diesem Sinne als epochemachend für die neuere Architekturgeschichte Berlins zu bezeichnen sind. In
bewusster Opposition gegen die mit der Farbe sparsam umgehende Schinkel -Sttiler'sche Richtung geht
ihr Bestreben dahin, die ungebrochene Farbe wieder in dasjenige Recht einzuführen, das ihr die
Renaissance erworben hat. Am Pringsheim'schen Hause hat dieses Bestreben schon an der Fagade
seinen entschiedenen Ausdruck gefunden. Die Fagade des Tiele-Winckler'sehen Hauses ist zwar ein-
farbig— ein hellgrauer Wesersandstein —; indessen ist sie mit einem so reichen bildnerischen Schmuck
bedeckt, dass hier die Mannigfaltigkeit der Ornamente gewissermassen die Farbe ersetzt. Der Fries
Uber dem Erdgeschoss, von Professor Engelhard in Hannover entworfen, behandelt einen Stoff aus dem
Sagenkreise der Edda: Schlacht, Tod und Empfang der gefallenen Helden in der Walhalla. Die beiden
Statuen in den Nischen des Erdgeschosses, Thor und Odin, sind ebenfalls von Engelhard entworfen.
Die beiden Portalfiguren, Sonne und Mond nach der nordischen Mythologie (s. Blatt 66), rühren vom
Bildhauer Pohle her. Von besonderer Schönheit sind die schmiedeeisernen Gitter des Vorgartens und
des Portals (Blatt 66), die vom Schlossermeister Koppen ausgeführt sind. Aus ihrer originellen Ver-
werthung verschiedener Renaissancemotive wollen die Architekten eine besondere, „nordische"
Renaissance herleiten. Im Innern, das mit grosser Pracht unter Verwendung echter Materialien und
feinsten Stuccos ausgestattet ist, waltet der Geist des Rococo. An den malerischen Decorationen haben
sich Graef, Schmitz, Th. Grönland und L. Burger betheiligt, an der plastischen der mit dem Rococostil
aussergewöhnlich vertraute N. Geiger.
BLATT 67. 68.
VILLA IN LICHTERFELDE,
erbaut von Jon. Otzkn.
Aus einigen, ursprünglich für andere Zwecke bestimmten Räumen entstanden giebt die Villa
ein interessantes Beispiel einer bei Anwendung der einfachsten Mittel — Backsteinbau ohne Terracotta —
erzielten malerisch gruppirten Anlage.
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