Wagner. Korrespondenzen.
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durch Ihre Mittheilung erst genau kennen lerne, zeugt von einer Roheit
des Mannes, die mir fast lächerlich vorkam; wen soll man bedauern, diese
Junker, die als Böcke zu Gärtnern bestellt sind . . . oder die Künstler." Er be-
dauert, dass ihm die „Ohnmacht unserer Stellung" keine Gelegenheit zu
tatkräftiger Unterstützung bietet. „Jedenfalls haben Sie Herrn v. Lüttichau
eine tüchtige Lehre gegeben." Er verlässt dann diesen Stoff. „Für jetzt
gestatten Sie mir wohl, diese widerliche Angelegenheit des Weiteren un-
berührt zu lassen? Der Kampf mit der machtvollen Dummheit u. dem ge-
bietenden Unverstand ist es ja eben, was mir das Leben so schwer macht —"
VI. „Soeben vom Krankenlager erstanden, das mich einige Zeit dar-
niederhielt," verwendet er sich für den Sohn seines „um mich sehr ver-
dienten Freundes", des Chordirektors Fischer, um eine Stelle am Casseler
Theater.
VII. Der letzte Brief ist nach 7 Jahren aus Zürich geschrieben: Er bedankt
sich wieder für die freundliche Teilnahme Spohrs an seinem Schicksal.
„Ich componire jetzt wieder fleissig, und habe soeben den Entwurf des ersten
Stückes meiner Nibelungen („Das Rheingold") vollendet. Dabei sind meine
Relationen mit dem Ausland der misslichsten Art: dass ich nirgends
bei den Aufführungen meiner letzten Opern zugegen sein kann, macht
mir grosse Pein: ich muss erfahren, dass nicht selten die unbegreiflichsten
Verstümmelungen und Missverständnisse zu Tage kommen. Einzige
Aussicht, meinen Lohengrin selbst einmal aufführen zu können, hätte ich
wohl nur, wenn mir ein Londoner Entrepreneur für dort eine gute deutsche
Truppe zu Gebote stellte."
Ueber sein Verhältnis zu Spohr lässt sich Wagner folgendermassen
vernehmen:
„Der letzte dieser Ausflüge nach Leipzig wurde . . . durch eine freundliche
Einladung des alten Meisters Louis Spohr veranlasst, welche mich namentlich
mit aus dem Grunde erfreute, weil durch sie zugleich ein Akt der Versöhnung
sich kund gab. Spohr hatte nämlich, wie er mir seiner Zeit gesclirieben, durch
den Erfolg meines „fliegenden Holländers" in Cassel, und sein eigenes Gefallen
daran angeregt, sich noch einmal entschlossen, die zuletzt wiederholt gänzlich er-
folglos von ihm beschrittene Laufbahn als dramatischer Componist zu betreten.
Sein neuestes Werk war eine Oper „die Kreuzfahrer", welche er im Laufe des
vergangenen Jahres dem Dresdener Theater zugesandt hatte, und zwar, wie er
mir selbst bedeutete, in der Meinung, dass ich mit grossem Eifer deren Auf-
führung betreiben würde. Er machte mich bei dieser Anempfehlung darauf auf-
merksam, dass er mit dieser Arbeit einen von seinen früheren Opern gänzlich
abgehenden Weg eingeschlagen, und sich nur an die genaueste dramatische De-
klamation gehalten, wobei ihm allerdings ,das vortreffliche Sujet' ganz besonders
zu Statten gekommen sei. Dagegen war nun mein nicht eigentlich verwunderungsvoller
Schreck gross, a/s ich sowohl dieses Sujet als die Partitur mir bekannt machte;
denn offenbar war der alte Meister bei seinen mir in ihrem Bezug gegebenen
Versicherungen vollständig im Irrtum gewesen. Meiner grossen Verzagtheit, mit
Energie für die Aufführung dieses Werkes mich zu erklären, half allerdings das
bestehende Herkommen, dass die Entscheidung über aufzuführende Werke ordnungs-
mässig nicht einem der Kapellmeister allein zukam, und dass ausserdem an Reissiger,
einem, wie er sich selbst früher gerühmt hatte, älteren Freunde Spohr's, die Reihe
Autographen-Versteigerung Nr. 39.
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durch Ihre Mittheilung erst genau kennen lerne, zeugt von einer Roheit
des Mannes, die mir fast lächerlich vorkam; wen soll man bedauern, diese
Junker, die als Böcke zu Gärtnern bestellt sind . . . oder die Künstler." Er be-
dauert, dass ihm die „Ohnmacht unserer Stellung" keine Gelegenheit zu
tatkräftiger Unterstützung bietet. „Jedenfalls haben Sie Herrn v. Lüttichau
eine tüchtige Lehre gegeben." Er verlässt dann diesen Stoff. „Für jetzt
gestatten Sie mir wohl, diese widerliche Angelegenheit des Weiteren un-
berührt zu lassen? Der Kampf mit der machtvollen Dummheit u. dem ge-
bietenden Unverstand ist es ja eben, was mir das Leben so schwer macht —"
VI. „Soeben vom Krankenlager erstanden, das mich einige Zeit dar-
niederhielt," verwendet er sich für den Sohn seines „um mich sehr ver-
dienten Freundes", des Chordirektors Fischer, um eine Stelle am Casseler
Theater.
VII. Der letzte Brief ist nach 7 Jahren aus Zürich geschrieben: Er bedankt
sich wieder für die freundliche Teilnahme Spohrs an seinem Schicksal.
„Ich componire jetzt wieder fleissig, und habe soeben den Entwurf des ersten
Stückes meiner Nibelungen („Das Rheingold") vollendet. Dabei sind meine
Relationen mit dem Ausland der misslichsten Art: dass ich nirgends
bei den Aufführungen meiner letzten Opern zugegen sein kann, macht
mir grosse Pein: ich muss erfahren, dass nicht selten die unbegreiflichsten
Verstümmelungen und Missverständnisse zu Tage kommen. Einzige
Aussicht, meinen Lohengrin selbst einmal aufführen zu können, hätte ich
wohl nur, wenn mir ein Londoner Entrepreneur für dort eine gute deutsche
Truppe zu Gebote stellte."
Ueber sein Verhältnis zu Spohr lässt sich Wagner folgendermassen
vernehmen:
„Der letzte dieser Ausflüge nach Leipzig wurde . . . durch eine freundliche
Einladung des alten Meisters Louis Spohr veranlasst, welche mich namentlich
mit aus dem Grunde erfreute, weil durch sie zugleich ein Akt der Versöhnung
sich kund gab. Spohr hatte nämlich, wie er mir seiner Zeit gesclirieben, durch
den Erfolg meines „fliegenden Holländers" in Cassel, und sein eigenes Gefallen
daran angeregt, sich noch einmal entschlossen, die zuletzt wiederholt gänzlich er-
folglos von ihm beschrittene Laufbahn als dramatischer Componist zu betreten.
Sein neuestes Werk war eine Oper „die Kreuzfahrer", welche er im Laufe des
vergangenen Jahres dem Dresdener Theater zugesandt hatte, und zwar, wie er
mir selbst bedeutete, in der Meinung, dass ich mit grossem Eifer deren Auf-
führung betreiben würde. Er machte mich bei dieser Anempfehlung darauf auf-
merksam, dass er mit dieser Arbeit einen von seinen früheren Opern gänzlich
abgehenden Weg eingeschlagen, und sich nur an die genaueste dramatische De-
klamation gehalten, wobei ihm allerdings ,das vortreffliche Sujet' ganz besonders
zu Statten gekommen sei. Dagegen war nun mein nicht eigentlich verwunderungsvoller
Schreck gross, a/s ich sowohl dieses Sujet als die Partitur mir bekannt machte;
denn offenbar war der alte Meister bei seinen mir in ihrem Bezug gegebenen
Versicherungen vollständig im Irrtum gewesen. Meiner grossen Verzagtheit, mit
Energie für die Aufführung dieses Werkes mich zu erklären, half allerdings das
bestehende Herkommen, dass die Entscheidung über aufzuführende Werke ordnungs-
mässig nicht einem der Kapellmeister allein zukam, und dass ausserdem an Reissiger,
einem, wie er sich selbst früher gerühmt hatte, älteren Freunde Spohr's, die Reihe
Autographen-Versteigerung Nr. 39.