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4. KAPITEL

Die heutige Zeit
Die Ausführungen, die sich mit den abstrakten und halbabstrakten Kul-
turen befaßten, verfolgten einen dreifachen Zweck.
Vorerst: sollte die Gültigkeit und Anwendbarkeit der ursprünglich aus der
Kunstgeschichte stammenden Erkenntnisse auch auf solchen Kulturgebieten
nachgewiesen werden, wo die zuerst angewendete Methode — die Feststellung
des Hintereinanders von Architektur, Plastik und Malerei — versagt.
Sodann: sollte durch Hereinbeziehen dieser abstrakten und halbabstrakten
Kulturen das in diesem Buch gezeichnete Bild der menschlichen Kultur-
bestrebungen vervollständigt werden. Vielleicht ist es nicht vermessen, zu
behaupten, daß dies auch geschehen ist. Nur ganz wenige, minderwichtige,
da abseitsliegende Kulturgebiete sind es, die nicht behandelt wurden (z. B.
die Kultur der Azteken). Alles übrige hingegen schließt sich nun zu einem
Gesamtbild zusammen, das man füglich einen Stammbaum der Kulturen nen-
nen kann.
Drittens aber war die Behandlung der abstrakten und halbabstrakten
Kulturen auch notwendig, um die ungefähren Konturen jener abstrakten
Kultur zu zeichnen, der die Menschheit des gesamten Erdenballs heute ent-
gegentreibt. Dabei sind Folgerungen gezogen, Prophezeiungen ausgespro-
chen worden, die sich auf eine so ferne Zukunft beziehen, daß sie so man-
chen vielleicht ein wenig lächerlich, vielen aber sicher sehr unaktuell
erschienen sein dürften. Darum muß hier nochmals und nachdrücklichst
betont werden, daß es sich hierbei nicht um den Versuch einer genauen Vor-
aussage gehandelt hat, sondern lediglich darum, nachzuweisen, daß Per-
spektiven vorhanden, daß Ausblicke möglich sind und daß die Logik des
Vergangenen es keineswegs nötig macht, für die nächste Zukunft — denn
ein bis zwei Jahrhunderte sind eine nächste Zukunft — einen kulturellen
Tod vorauszusagen.
Die folgenden Ausführungen wenden sich nun endlich der heutigen Zeit
zu. Ihr erster Zweck ist: auf Grund der geschichtlichen Erfahrungen klar
erkennen zu lassen, was eigentlich heute geschieht. Damit wird es aber so
manchem erleichtert werden, darüber zu entscheiden, was er inmitten dieses
Geschehens selbst tun müsse.
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