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5. KAPITEL

Zukünftiges
Der in diesem Buch dargelegten Geschichtstheorie gegenüber können
zwei Fragen sehr verschiedener Natur laut werden.
Zuerst: ist sie wahr ?
Sodann: ist sie von Nutzen?
Der Diskussion, die über die erste Frage einsetzen wird, soll eine Be-
merkung vorausgeschickt werden.
Die Theorie beansprucht, zutreffend zu sein, mit den geschichtlichen Tat-
sachen in Übereinstimmung zu sein. Jedoch gewissermaßen: in großen Zü-
gen. Nicht in jedem Detail. Ausnahmefälle wird es überall geben: sie sind
keine Widerlegung der Theorie.
Diese Bemerkung darf nicht als Ausflucht aufgefaßt werden, sondern nur
als Hinweis darauf, daß überall bei Prüfung der Theorie die große Linie,
das Wesentliche des Geschehens hervorgeholt werden muß.
Denn Berge und Täler dürfen es nicht hindern, daß man die Form der
Erde als die einer Ellipsoide feststellt. Und kalte Sommertage, warme
Wintertage nicht, daß man den Wechsel der Jahreszeiten als gesetz-
mäßig erkennt.
Die zweite Frage, ob die Theorie von Nutzen sei, wird viele befremden.
Handelt es sich doch darum, etwas erkannt zu haben, was bisher unerkannt
war. Einer neuen Erkenntnis gegenüber scheint, falls sie sich als wahr er-
weist, diese Frage müßig zu sein.
Nun handelt es sich aber um eine Erkenntnis von besonderer Art. Vom
Weg der Menschheit ist die Rede. Diesen Weg ist die Menschheit bisher
triebhaft-unbewußt gegangen, und doch, wie gezeigt wurde, mit erstaun-
lich weiser Folgerichtigkeit. Wenn das hier dargelegte Entwicklungsgesetz
allgemein anerkannt, allgemein bekannt werden sollte, dann würde die
Menschheit ihren bisher unbewußten Weg: bewußt fortsetzen. Ist es
sicher, daß sie ihn dann weiser, folgerichtiger gehen wird? Ist nicht zu
befürchten, daß allzu bewußte Selbstbetrachtung ihre Sicherheit stören,
ihre Entschlußkraft hemmen wird ? Wäre es für die Menschheit nicht
besser, auch weiter nur ihren weisen Trieben zu gehorchen ?

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