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Das Schloß Kirchheim.
abschließenden Chor, der teilweise in den westlichen Schloßflügel
eingebaut ist, teilweise in den Hof vorspringt, sowie mit ihrem
seitlich stehenden Turm auf die alte Burganlage zurück. Unter
dem Chor ist die von Hans Fugger angelegte Familiengruft, über
dem Chor die Hauskapelle. Die Gestaltung des Äußeren mit Eck-
rustika ist auch dieser neuen Bauperiode zuzuschreiben, vermutlich
auch die obere Kapelle. Das ursprünglich einschiffige, flachgedeckte
Langhaus — die zwei Seitenschiffe wurden erst Mitte des 19. Jahr-
hunderts angefügt — wurde dagegen in seiner ganzen Ausdehnung
neu angebaut. Es ragt nach Westen über den Schloßbau hinaus.
Eine ziemliche Ähnlichkeit mit Kirchheim, die jedoch keines-
wegs auf Nachahmung zurückzuführen ist, zeigt das Schloß zu
Aschaffenburg in der Grundrißanlage das in den Jahren 1605 bis
1614 von Georg Riedinger erbaut wurde. Beide haben die große,
fast quadratische Anlage mit den vier vorspringenden Ecktürmen
gemeinsam. Doch glaube ich nicht, daß wir diese Grundrißform
auf französische Vorbilder zurückführen müssen, wie dies Bezold
für Aschaffenburg mit dem aus Straßburg stammenden Baumeister
Riedinger tun möchte1 2, sondern ich glaube, Schloß Kirchheim
mit seinem Augsburger Stadtbaumeister, der sicher keinen fran-
zösischen Einfluß erfahren hat, beweist uns, daß eine gleiche Ent-
wicklung in Deutschland zu demselben Resultate führte. Die un-
regelmäßige deutsche mittelalterliche Burg mit ihrem Innenhof ist
durch Einfluß der italienischen Palastarchitektur der Renaissance
in ein regelmäßiges, symmetrisches, andern Bedürfnissen angepaßtes
Schloß verwandelt worden, das allerdings häufig, wie auch in
unserem Falle, auf jeden äußeren Schmuck und äußere reichere
Gestaltung verzichtet, das mittelalterliche Burgartige jedoch immer
noch durch die Ecktürme und das festungsartige, wenn auch in
neuen Formen gehaltene Tor betont. Der italienischen Architektur
ist auch die Idee eines den ganzen Hof umlaufenden Ganges ent-
nommen, der die offene Loggia vertritt.
Ähnlich in der Gesamtanlage war auch Schloß Dachau, das
um die Mitte des 16. Jahrhunderts erbaut wurde3. Möglicherweise
1 S. Ortwein, Deutsche Renaissance, Abt. 26.
2 G. v. Bezold, Die Baukunst der Renaissance in Deutschland. Stutt-
gart 1900, S. 105. — Vgl. auch Schulze-Kolbitz, Das Schloß zu Aschaffen-
burg S. 85, wo die Möglichkeit einer parallelen Entwickelung mit Frankreich
zugegeben wird.
3 Es steht nur noch ein Flügel des Baues. Alte Abbildungen der ur-
sprünglichen Anlage im Dachauer Museum.
Das Schloß Kirchheim.
abschließenden Chor, der teilweise in den westlichen Schloßflügel
eingebaut ist, teilweise in den Hof vorspringt, sowie mit ihrem
seitlich stehenden Turm auf die alte Burganlage zurück. Unter
dem Chor ist die von Hans Fugger angelegte Familiengruft, über
dem Chor die Hauskapelle. Die Gestaltung des Äußeren mit Eck-
rustika ist auch dieser neuen Bauperiode zuzuschreiben, vermutlich
auch die obere Kapelle. Das ursprünglich einschiffige, flachgedeckte
Langhaus — die zwei Seitenschiffe wurden erst Mitte des 19. Jahr-
hunderts angefügt — wurde dagegen in seiner ganzen Ausdehnung
neu angebaut. Es ragt nach Westen über den Schloßbau hinaus.
Eine ziemliche Ähnlichkeit mit Kirchheim, die jedoch keines-
wegs auf Nachahmung zurückzuführen ist, zeigt das Schloß zu
Aschaffenburg in der Grundrißanlage das in den Jahren 1605 bis
1614 von Georg Riedinger erbaut wurde. Beide haben die große,
fast quadratische Anlage mit den vier vorspringenden Ecktürmen
gemeinsam. Doch glaube ich nicht, daß wir diese Grundrißform
auf französische Vorbilder zurückführen müssen, wie dies Bezold
für Aschaffenburg mit dem aus Straßburg stammenden Baumeister
Riedinger tun möchte1 2, sondern ich glaube, Schloß Kirchheim
mit seinem Augsburger Stadtbaumeister, der sicher keinen fran-
zösischen Einfluß erfahren hat, beweist uns, daß eine gleiche Ent-
wicklung in Deutschland zu demselben Resultate führte. Die un-
regelmäßige deutsche mittelalterliche Burg mit ihrem Innenhof ist
durch Einfluß der italienischen Palastarchitektur der Renaissance
in ein regelmäßiges, symmetrisches, andern Bedürfnissen angepaßtes
Schloß verwandelt worden, das allerdings häufig, wie auch in
unserem Falle, auf jeden äußeren Schmuck und äußere reichere
Gestaltung verzichtet, das mittelalterliche Burgartige jedoch immer
noch durch die Ecktürme und das festungsartige, wenn auch in
neuen Formen gehaltene Tor betont. Der italienischen Architektur
ist auch die Idee eines den ganzen Hof umlaufenden Ganges ent-
nommen, der die offene Loggia vertritt.
Ähnlich in der Gesamtanlage war auch Schloß Dachau, das
um die Mitte des 16. Jahrhunderts erbaut wurde3. Möglicherweise
1 S. Ortwein, Deutsche Renaissance, Abt. 26.
2 G. v. Bezold, Die Baukunst der Renaissance in Deutschland. Stutt-
gart 1900, S. 105. — Vgl. auch Schulze-Kolbitz, Das Schloß zu Aschaffen-
burg S. 85, wo die Möglichkeit einer parallelen Entwickelung mit Frankreich
zugegeben wird.
3 Es steht nur noch ein Flügel des Baues. Alte Abbildungen der ur-
sprünglichen Anlage im Dachauer Museum.