Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mailly, Anton
Ortswahrzeichen von Niederdonau — Wien [u.a.]: Kühne, 1943

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.48847#0011
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
verschiedentlich verwertet. So nannte man Wahrzeichen Zeichen aller Art, die aus
einem bestimmten Grunde Beachtung verdienen, unter anderen Zeichen der Be-
währung des Wertes, feststehende Erkennungszeichen, Bilder für Losungsworte, wie
die Steinmetzzeichen, Haus- und Hofmarken, Siegel, Signets, Gildenzeichen,
Zeichen der Gewahrsame, also Rechtssteine, Hoheitsmaie, Sühnmale und dergleichen
mehr. Diese verschiedenartigen Zeichen bildeten also Male, Symbole für Waren,
Kennzeichen für Personenrechte, Zünfte, Häuser, Grundstücke usw.
Zu diesen Wahrzeichen stehen die Städte- und Ortswahrzeichen in einem ge-
wissen verwandtschaftlichen Verhältnis. Während die ersteren mehr oder weniger
ein persönliches oder korporatives Sonderrecht bezweckten, also eine gewisse Inter-
essensphäre erkennen lassen, sind die Städte- und Ortswahrzeichen zum großen Teil
öffentliche Wahrzeichen, also Gemeingut des Volkes, das früher einmal sogar ein
gewisses Ansehen genoß und von allen Zugewanderten gesehen werden mußte, um
damit gewissermaßen einen glücklichen Aufenthalt zu erstreben, anderseits wieder,
wie es später hieß, den Besuch einer Stadt, einer Gemeinde zu bestätigen.
Der eigentliche Sinn von derlei Wahrzeichen, die ursprünglich, wie wir sehen
werden, wohl nur Zauberzeichen waren, ist schon nach dem Ende des Mittelalters,
in der Reformationszeit, der Volksseele verlorengegangen. Damit läßt sich auch
erklären, daß die ältesten Reisebücher die Wahrzeichen als Zauberzeichen verkennen
und sie lediglich als örtliche Kuriosa behandeln, die von den Zugereisten eben ge-
sehen werden mußten. In der Folge entwickelte sich eine geradezu planlose Wahr-
zeichensucht und so gesellten sich zu den uralten echten magischen Wahrzeichen als-
bald die gewollten und die unechten Wahrzeichen.
Über den Ursprung der alten echten Städtewahrzeichen ist schon viel herum-
geraten worden! Diese Kulturkuriosa verdanken ihre Entstehung den uralten Orts-
zeichen, denen schon der primitive Mensch mitunter sogar eine tiefere magisch-
religiöse Bedeutung zusprach. Diese ältesten Ortssymbole, die übrigens bei den
Naturvölkern noch immer eine hervorragende Rolle spielen, bestanden aus Erd-
und Steinhaufen, darunter auch Grabstätten, aus eratischen Blöcken, aus Bäumen,
Pfählen, aus bestimmten magisch-religiösen und magisch-rechtlichen Denkmälern
von verschiedentlicher Gestaltung und Ausbildung und schließlich auch aus anderen
für den allgemeinen Verkehr notwendigen Zeichen. Alle diese auffallenden Zeichen
trugen viel dazu bei, ihrer Örtlichkeit eine gewisse Sonderstellung in der Gemeinde,
in der Landschaft zu geben, eine ganz eigenartige völkerpsychologische Erscheinung,
die man noch heutigentags nicht nur bei den Naturvölkern, sondern selbst bei den
Kulturvölkern, wenn auch in anderer Form und Gestaltung wahrnehmen kann.
Manche Arten der Ortszeichen oder Markierungen dienten der Zauberei. Ent-
weder bezweckte man damit eine segenspendende, glückbringende Wirkung oder
den Abwehrzauber zu erzielen. Neueste Forschungen über die magischen Ortszeichen
lassen sogar vermuten, daß der primitive Mensch selbst an die Zauberwirkung be-
stimmter magischer Zentren in der Natur geglaubt hat. Diese Zentren dürfte er
wahrscheinlich gefühlsmäßig entdeckt und sie seiner Anschauung über ihre Wirkung
auch entsprechend angepaßt haben. Noch heute glauben die Naturvölker an
magische Auswirkungen bestimmter Örtlichkeiten, die sie durch Zeichen erkenntlich

5
 
Annotationen