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Raddatz, Klaus; Hundt, Hans-Jürgen; Zedelius, Volker
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Heft 10): Grabfunde der römischen Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit von Kirchweyhe und Osterholz: Kreis Grafschaft Hoya — Hildesheim: Verlag August Lax, 1976

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https://doi.org/10.11588/diglit.63214#0038
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Stück von Osterholz als auch für das von Strafe nicht wahrscheinlich. Für den genannten Zweck
wären tiefere Behälter — wie Eimer oder Kessel — besser geeignet. Eher bietet sich die Deutung
als Handwaschbecken an, das man nach der Mahlzeit benötigt. Auch NUBER und RADNOTY
(1969, 42) sprechen die steilwandigen Becken von Wehringen, Landkr. Schwabmünchen, als Be-
standteil von Handwaschservicen an. Die Weinblattattaschen würden der Funktion als Teil eines
zum Tafelgeschirr gehörigen Handwaschservices nicht widersprechen. Die Kombination eines
Beckens mit dem zugehörigen Dreifuß in Grab II von Strafe, in dem weitere römische Metallge-
fäße wie Kannen, Becher und Näpfe enthalten waren, läßt erkennen, daß dem Toten zwar ein Teil
des in wohlhabenden römischen Haushalten üblichen Tafelgeschirrs mitgegeben worden ist, aber es
fehlen große Metallkessel oder -eimer. Offenbar wurden diese durch Holzeimer germanischer Pro-
duktion ersetzt. Die Zusammenstellung der Grabbeigaben von Strafe zeigt, daß der Ausstattung
mit Dreifuß und Becken keine adäquate Ausrüstung mit Getränkbehältern oder Mischgefäßen ent-
spricht. Das Trinkgeschirr reicher germanischer Haushalte bestand offenbar aus dem jeweils
verfügbaren Material, wobei fraglich bleibt, in welchem Maße die römischen Importstücke auch
nach römischer Tafelsitte verwendet worden sind und welchen Ausschnitt die Grabbeigaben aus
dem Tafelgeschirr der Lebenden darstellen. Dieses Problem ergibt sich auch im Falle des Beckens
von Osterholz. Sollte sich die Verwendung als Handwaschbecken für diese Gefäßform bestätigen
lassen, wäre zu fragen, ob man dem letzten Besitzer eine entsprechende Verwendung unterstellen
darf.
4.3.06 Gerippte Becken
Durch die beiden gerippten Becken von Kirchweyhe (Kat. Nr. 11; Taf. 3,3; 28) und Osterholz
(Kat. Nr. 9; Taf. 17; 43) wird die Reihe der im Freien Germanien seltenen oder ausgefallenen
Stücke fortgesetzt. Von dem Stück von Osterholz ist nur der Fußteil mit ansetzender Wandung er-
halten, jedoch läßt sich eine Zuordnung zum Typ Eggers 108 aufgrund der Verzierung der Wan-
dung mit Sicherheit vornehmen. Von dem einzigen, bisher aus dem Freien Germanien vorliegenden
Becken dieses Typs, das aus dem Körpergrab I von Sträze in der Slowakei stammt (ONDROUCH 1957,
Taf. 22), unterscheiden sich die beiden Fußbecken jedoch sowohl durch die Form der Rippung als
auch durch das in den Boden des Stückes von Kirchweyhe eingesetzte, mit floralem Muster verzier-
te Emblem. Während die Rippung des Beckens von Sträze durch radiale einfache Leisten und hohe
Bögen gebildet wird, sind auf dem Becken von Kirchweyhe zwar ebenfalls radial angeordnete Rip-
pen vorhanden, jedoch spaltet sich jede zweite an dem zum Rand weisenden Ende in zwei halb-
kreisförmige Bögen auf. Auf der Wandung des Fußbeckens von Osterholz sind zwischen den radi-
alen Rippen in Treibtechnik leicht plastisch modellierte Gebilde angebracht, die offenbar Blätter
darstellen sollen.
Das Emblem, das in den Spiegel des Beckens von Kirchweyhe eingesetzt ist, trägt ein stümper-
haft gezeichnetes, von floralen Formen gebildetes, um eine stilisierte Blüte als Mittelpunkt grup-
piertes Ornament. Es kann — was die verwendeten Techniken anbelangt — mit dem Emblem eines
Fußbeckens von Veltheim, Kr. Minden (ALBRECHT 1936, Taf. 12, a), verglichen werden, das
jedoch eine perfektere Zeichnung erkennen läßt.
Von dem Becken von Kirchweyhe ist die Verwendung als Leichenbrandbehälter überliefert, was
auch die im Inneren erhaltenen Reste von Textilabdrücken anzeigen. Für das Stück von Osterholz
läßt sich die Verwendung als Urne nicht bestätigen, sie dürfte aber wahrscheinlich sein.
Auf die Frage, wofür diese Becken im Haushalt gebraucht wurden, läßt sich keine sichere
Antwort geben. Der Dekor, besonders das Emblem im Becken von Kirchweyhe legt nahe, daß
dieses nicht zum gewöhnlichen römischen Küchengeschirr gehörte, sondern für den Gebrauch an
der Tafel bestimmt war. Als Bestandteil des Tafelgeschirrs könnte es auch im Haushalt des letzten
Besitzers benutzt worden sein.

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