Bei der Diskussion der Herkunftsfrage des Holzeimers von Osterholz wird man jedoch auch die
Tatsache berücksichtigen müssen, daß in der jüngeren römischen Kaiserzeit und der frühen Völker-
wanderungszeit neben dem römischen Importgeschirr auch andere römische Produkte ins Freie
Germanien gelangten, darunter z. B. auch — wie schon erwähnt — mit Greifenköpfen verzierte
Rasiermesser, die als Vorbilder für die Protomen des Osterholzer Eimers in Frage kämen. Nicht
weit von Osterholz ist z. B. von Westerwanna, Kr. Land Hadeln, ein solches Rasiermesser be-
kannt (ZIMMER-LINNFELD 1960, Taf. 71, Grab 530), zwei weitere stammen aus Schles-
wig-Holstein, von Borgstedt, Kr. Eckernförde (MESTORF 1886, Taf. 11, 16; MARIEN 1971, 217
Abb. 2, 9) und aus dem Thorsberger Moor (MARIEN 1971, 217 Abb. 2, 10 mit der Angabe
„Schleswig-Holstein“). Dabei wird man jedoch keine mechanische Übertragung eines römischen
Motivs durch einen germanischen Toreuten annehmen wollen, sondern die Wiedergabe der antithe-
tischen Greifenköpfe im Zusammenhang mit dem Einströmen anderer zoomorpher und floraler
Elemente sehen müssen, die an der Wende zur Völkerwanderungszeit in breiter Front im Norden
erscheinen und den Beginn der eigenständigen yölkerwanderungszeitlichen germanischen Kunstent-
wicklung einleiten (HASELOFF 1973). Die Komposition der antithetischen Greifenköpfe kann
zudem als Parallele zum Auftreten der antithetischen Pferdeprotomen an Eimerattaschen der frühen
Völkerwanderungszeit im Freien Germanien angesehen werden, bei denen es sich sicher um einhei-
mische Produkte verschiedener Werkstätten handelt (HEILIGENDORF 1957, 138 Anm. 75; RAD-
DATZ 1962, 118 Anm. 97). Man muß daher doch wohl den Eimer von Osterholz einem einheimi-
schen Meister zuschreiben, der unter starkem römischen Einfluß stand.
Falls man die Greifenprotome der Attasche des Eimers von Osterholz als Parallelbildung zur
antithetischen Pferdeprotome ansehen darf, ergäbe sich ein Datierungshinweis in die frühe Völker-
wanderungszeit, was durch die senkrechten, mit einer Reihe dicht gestellter Punktkreise verzierten
Bronzebänder bestätigt wird. Das Aufkommen solcher Bronzebänder ist bereits von HEILIGEN-
DORF (1957, 138) als völkerwanderungszeitliches Kriterium angesprochen worden. Als weiteres
Beispiel kann aus der Nachbarschaft von Osterholz der Eimer von Wiepenkathen, Kr. Stade, ange-
führt werden (MÜLLER-BRAUEL 1926, 138 Abb. 4; BÖHME 1974 Taf. 57, 21), der durch eine
Stützarmfibel und eine mit Kerbschnitt verzierte Platte in die zweite Hälfte des 4. Jhs. bzw. in die
Zeit um 400 datiert ist (zur Fibel vgl. WERNER 1958, 376 f.). Der prägefrische Solidus der Fausta
aus dem Holzeimer von Osterholz (vgl. den Beitrag von V. Zedelius) gibt einen terminus post quem
324/325, womit eine Datierung des Behälters wohl noch vor oder um die Mitte des 4. Jhs. und
damit ein Fixpunkt für den Beginn der Stufe D in Niedersachsen gegeben ist.
Nach dem aufwendigem Bronzebeschlag, vor allem den kunstvollen Attaschen, wird man den
Eimer trotz seiner Größe als Bestandteil des Tafelgeschirrs und wohl als Getränkebehälter an-
sprechen dürfen. Ob die Ringe zum Aufhängen des Eimers an Ketten oder Stricken bestimmt
waren oder nur dazu dienen sollten, einen Stab hindurchzuschieben, mit dessen Hilfe das Gefäß
transportiert werden konnte, läßt sich nicht entscheiden. Auf jeden Fall gehörte der Eimer nach
dem in ihm enthaltenen Solidus in den Haushalt einer wohlhabenden Familie.
4.3.11 Keramikgefäße
Während die üblicherweise in der jüngeren römischen Kaiser- und Völkerwanderungszeit als
Leichenbrandbehälter verwendeten einheimischen Tongefäße auf beiden Gräberfeldern völlig feh-
len, sind in Kirchweyhe mehrere importierte römische Keramikgefäße als Urnen angetroffen
worden. Es handelt sich um zwei Terra-Sigillata-Schalen (Kat. Nr. 6.7, Taf. 3, 1.2; 27, 1.2) und
ein weitmündiges, tiefschwarzes, terrinenartiges Gefäß mit deutlichen Drehrillen und Glättespuren
(Kat. Nr. 12; Taf. 4; 29). Schließlich wird im Fundbericht ein Randbruchstück eines grauen Ge-
fäßes mit schwarzer Überfangschicht erwähnt (Kat. Nr. 8), bei dem es sich möglicherweise um
Terra Nigra gehandelt hat.
30
Tatsache berücksichtigen müssen, daß in der jüngeren römischen Kaiserzeit und der frühen Völker-
wanderungszeit neben dem römischen Importgeschirr auch andere römische Produkte ins Freie
Germanien gelangten, darunter z. B. auch — wie schon erwähnt — mit Greifenköpfen verzierte
Rasiermesser, die als Vorbilder für die Protomen des Osterholzer Eimers in Frage kämen. Nicht
weit von Osterholz ist z. B. von Westerwanna, Kr. Land Hadeln, ein solches Rasiermesser be-
kannt (ZIMMER-LINNFELD 1960, Taf. 71, Grab 530), zwei weitere stammen aus Schles-
wig-Holstein, von Borgstedt, Kr. Eckernförde (MESTORF 1886, Taf. 11, 16; MARIEN 1971, 217
Abb. 2, 9) und aus dem Thorsberger Moor (MARIEN 1971, 217 Abb. 2, 10 mit der Angabe
„Schleswig-Holstein“). Dabei wird man jedoch keine mechanische Übertragung eines römischen
Motivs durch einen germanischen Toreuten annehmen wollen, sondern die Wiedergabe der antithe-
tischen Greifenköpfe im Zusammenhang mit dem Einströmen anderer zoomorpher und floraler
Elemente sehen müssen, die an der Wende zur Völkerwanderungszeit in breiter Front im Norden
erscheinen und den Beginn der eigenständigen yölkerwanderungszeitlichen germanischen Kunstent-
wicklung einleiten (HASELOFF 1973). Die Komposition der antithetischen Greifenköpfe kann
zudem als Parallele zum Auftreten der antithetischen Pferdeprotomen an Eimerattaschen der frühen
Völkerwanderungszeit im Freien Germanien angesehen werden, bei denen es sich sicher um einhei-
mische Produkte verschiedener Werkstätten handelt (HEILIGENDORF 1957, 138 Anm. 75; RAD-
DATZ 1962, 118 Anm. 97). Man muß daher doch wohl den Eimer von Osterholz einem einheimi-
schen Meister zuschreiben, der unter starkem römischen Einfluß stand.
Falls man die Greifenprotome der Attasche des Eimers von Osterholz als Parallelbildung zur
antithetischen Pferdeprotome ansehen darf, ergäbe sich ein Datierungshinweis in die frühe Völker-
wanderungszeit, was durch die senkrechten, mit einer Reihe dicht gestellter Punktkreise verzierten
Bronzebänder bestätigt wird. Das Aufkommen solcher Bronzebänder ist bereits von HEILIGEN-
DORF (1957, 138) als völkerwanderungszeitliches Kriterium angesprochen worden. Als weiteres
Beispiel kann aus der Nachbarschaft von Osterholz der Eimer von Wiepenkathen, Kr. Stade, ange-
führt werden (MÜLLER-BRAUEL 1926, 138 Abb. 4; BÖHME 1974 Taf. 57, 21), der durch eine
Stützarmfibel und eine mit Kerbschnitt verzierte Platte in die zweite Hälfte des 4. Jhs. bzw. in die
Zeit um 400 datiert ist (zur Fibel vgl. WERNER 1958, 376 f.). Der prägefrische Solidus der Fausta
aus dem Holzeimer von Osterholz (vgl. den Beitrag von V. Zedelius) gibt einen terminus post quem
324/325, womit eine Datierung des Behälters wohl noch vor oder um die Mitte des 4. Jhs. und
damit ein Fixpunkt für den Beginn der Stufe D in Niedersachsen gegeben ist.
Nach dem aufwendigem Bronzebeschlag, vor allem den kunstvollen Attaschen, wird man den
Eimer trotz seiner Größe als Bestandteil des Tafelgeschirrs und wohl als Getränkebehälter an-
sprechen dürfen. Ob die Ringe zum Aufhängen des Eimers an Ketten oder Stricken bestimmt
waren oder nur dazu dienen sollten, einen Stab hindurchzuschieben, mit dessen Hilfe das Gefäß
transportiert werden konnte, läßt sich nicht entscheiden. Auf jeden Fall gehörte der Eimer nach
dem in ihm enthaltenen Solidus in den Haushalt einer wohlhabenden Familie.
4.3.11 Keramikgefäße
Während die üblicherweise in der jüngeren römischen Kaiser- und Völkerwanderungszeit als
Leichenbrandbehälter verwendeten einheimischen Tongefäße auf beiden Gräberfeldern völlig feh-
len, sind in Kirchweyhe mehrere importierte römische Keramikgefäße als Urnen angetroffen
worden. Es handelt sich um zwei Terra-Sigillata-Schalen (Kat. Nr. 6.7, Taf. 3, 1.2; 27, 1.2) und
ein weitmündiges, tiefschwarzes, terrinenartiges Gefäß mit deutlichen Drehrillen und Glättespuren
(Kat. Nr. 12; Taf. 4; 29). Schließlich wird im Fundbericht ein Randbruchstück eines grauen Ge-
fäßes mit schwarzer Überfangschicht erwähnt (Kat. Nr. 8), bei dem es sich möglicherweise um
Terra Nigra gehandelt hat.
30