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Raddatz, Klaus; Hundt, Hans-Jürgen; Zedelius, Volker
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Heft 10): Grabfunde der römischen Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit von Kirchweyhe und Osterholz: Kreis Grafschaft Hoya — Hildesheim: Verlag August Lax, 1976

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.63214#0041
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Die Dauben des Eimers sind — wie üblich — von horizontalen Bronzebändern zusammenge-
halten. Ungewöhnlich ist die Trage Vorrichtung, die von einer Attasche gebildet wird, in die ein
Ring eingehängt worden ist. Normalerweise sind Attaschen ähnlicher Form zur Halterung von
Henkeln verwendet worden.
Die Kontur der Attasche mit ihren beiden Fortsätzen gehört nach ihrer Grundform zu dem
von ZEMAN (1956, 86—101) als „Ankerform“ bezeichneten Typ (vgl. RADDATZ 1962, 117), der
in der jüngeren römischen Kaiserzeit geläufig war (dazu zuletzt SCHACH-DÖRGES 1970, 122—
123) und zu dem auch die — allerdings weniger geschwungenen — „Anker“ der Beschläge der Ei-
mer von Hemmoor und Wiepenkathen, Kr. Stade, — den beiden Osterholz nächst gelegenen Fun-
den — zu zählen sind (WILLERS 1901, Taf. 1, 8; WALLER 1959, Taf. 12; MÜLLER-BRAUEL
1926, 138, Abb. 4; BÖHME 1974, Taf. 57, 20).
Die zum Einhängen eines Trageringes bestimmte Öse gleicht im Prinzip der an steilwandigen
römischen Bronzebecken üblichen, indem sie rechtwinklig zur Attasche aufgebogen ist. Eine ähnli-
che Konstruktion zeigten auch die eisernen Trageösen des frühen Vestlandkessels von Osterholz
(Kat. Nr. 3, a). Offenkundig ist die Ösenform des Holzeimers von Osterholz nach dem Vorbild
von Attaschen gebildet worden, die an römischen Metallgefäßen üblich waren.
Aus dem übrigen Freien Germanien sind bisher keine Attaschen mit entsprechenden Ösen be-
kannt, ebensowenig läßt sich eine Verzierung durch Greifenköpfe an den Attaschenenden nachwei-
sen. Die Greifenprotomen können ursprünglich auf keinen Fall mit der germanischen Vorstellungs-
welt verbunden werden, ihre Vorbilder sind vielmehr in der römischen Kunst zu suchen, wo sie
vielfach auch an kleineren Geräten, wie Rasiermessern und Gürtelbeschlägen, erscheinen (siehe un-
ten), an denen sie wohl nicht nur ornamentale, sondern auch apotropäische Bedeutung hatten.
Die eigentümliche Form der Öse und die Greifenprotomen der Attasche des Osterholzer Eimers
zeigen Verbindungen zur römischen Toreutik an und werfen damit die Frage auf, ob der Eimer das
Produkt einer im Freien Germanien oder auf provinzialrömischem Gebiet arbeitenden Werkstatt
ist. Holzeimer mit Bronzebeschlägen sind zwar vor allem aus dem Freien Germanien als Bestand-
teil des Tafelgeschirrs reicher Grabausstattungen der jüngeren römischen Kaiserzeit belegt und
können z. T. lokalen Werkstätten zugeschrieben werden (dazu zuletzt RADDATZ 1962, 115—128),
so daß man von vornherein das Stück von Osterholz als einheimische Arbeit ansprechen möchte.
Vor einem solchen Schluß warnt jedoch die Tatsache, daß einerseits in der Spätlatenezeit in
verschiedenen Gebieten der keltischen Welt Holzeimer mit aufwendigen Bronzebeschlägen als
Bestandteile des Tafelgeschirrs nachzuweisen sind (z. B.Aylesford,Kent, WILLERS 1901,187Abb.
72; Goeblingen-Nospelt, Luxemburg, THILL 1967, Taf. 1, 11.12; HAFFNER 1974, 63 Abb. 3,
28.32; Vielle Toulouse, Gallia 32, 1974, 475 Abb. 21) und daß andererseits in der Merowingerzeit,
besonders auf ehemals römischem Gebiet in fränkischen Gräbern, wieder reich mit Bronzebeschlä-
gen versehene Holzeimer unter den Beigaben vorkommen (z. B. LINDENSCHMIT 1880—1889,
Taf. 31; SCHMIDT 1961, 116 bes. Anm. 53). Es fällt auf, daß in der Völkerwanderungszeit die
Standfüßchen wieder erscheinen, die diese mit den Eimern der Spätlatenezeit verbinden (z. B. Si-
gersted, Ringsted hd., Seeland; BROHOLM 1944, 75 Abb.; Tibble, Litslena sn., Uppland; SALIN
1896, 35 Abb. 31; dazu 35, 32 als Beschläge), während sie in der römischen Kaiserzeit fehlen.
Man könnte einen kontinuierlichen Gebrauch der im Laufe der Zeit nur geringfügigen Änderungen
unterworfenen Zweckform von der Spätlatenezeit bis in die Merowingerzeit annehmen. Das Fehlen
entsprechend aufwendiger Holzeimer der römischen Kaiserzeit auf römischem Gebiet könnte durch
die Beigabensitte erklärt werden. Man wird zwar derartige Holzeimer kaum unter dem Tafelge-
schirr der Stadtbevölkerung und der wohlhabenden Villenbesitzer spchen dürfen, bei der einfachen
Landbevölkerung könnte man aber wohl an ein Weiterleben der alten Geschirr form denken.
Andernfalls müßte man annehmen, daß speziell die Franken die Produktion dieser mit reichen
Bronzebeschlägen versehenen Behälter unter Anknüpfung an bisher noch unbekannte germanische
Werkstattraditionen in ihren neuen Siedlungsgebieten auf ehemals römischem Boden besonders in-
tensiv betrieben hätten.

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