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Häßler, Hans-Jürgen; Rösing, Friedrich Wilhelm
Zur inneren Gliederung und Verbreitung der Vorrömischen Eisenzeit im südlichen Niederelbegebiet (Teil 1): Mit e. Beitr. von F. W. Rösing über Die Leichenbrände der eisenzeitlichen Gräberfelder von Bargstedt I, Harsefeld und Issendorf III (Kreis Stade) — Hildesheim: Verlag August Lax, 1977

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.65516#0127
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Es mag nicht verwundern, daß die elbnahen Gebiete der Nordostniedersachsen-Gruppe in ihrem
Materialbestand mehr nach Norden ausgerichtet waren. Die von G. SCHWANTES (1958, 348)
angeführte „Gruppe von Thurau“ mit nördlich der Elbe vorkommenden Gefäßtypen weist diesen
Raum als ein mehr peripheres Gebiet der Nordostniedersachsen-Gruppe aus. Ein starkes, verbin-
dendes Merkmal bleibt aber im Gegensatz zur Stader-Geest-Gruppe, daß im gesamten Bereich nach
den heute greifbaren Indizien, die getrennte Bestattungssitte für Männer und Frauen auf verschie-
denen Friedhöfen der mittleren vorrömischen Eisenzeit noch nicht üblich war.
Auf die Diskussion, von welchem Gefäßtyp die Ripdorf-Schalen abzuleiten sind, soll hier nur
kurz eingegangen werden. G. Schwantes sah in den Gefäßen vom Typ Lauingen die Ursprungs-
form der Ripdorf-Schale. Eine andere Meinung über die Herkunft und die typologische Ableitung
dieser Gefäße vertritt W.D. ASMUS (1939b, 234 ff.). Er sieht das Ursprungsgebiet in der
Sparower Gruppe, welche sich östlich der Warnow bis nach Vorpommern hinein erstreckt. Bei der
sehr weiträumigen Verbreitung der Ripdorf-Schalen ist die Frage nach ihrem Ursprungsgebiet aus
so regionaler Sicht nicht zu lösen. Verfasser neigt aber wie W.D. Asmus zu der Auffassung, die
Ripdorf-Schale als ein stilistisches Produkt östlicher Fundräume zu betrachten, da aus diesen
Gebieten — mehr als aus dem bereits peripher gelegenen Braunschweiger Raum — vermehrt und
zu allen Zeiten der vorrömischen Eisenzeit Einflüsse und Anregungen formaler und kultureller Art
in den Niederelberaum gelangten.
Lassen sich die Gruppierungen der älteren vorrömischen Eisenzeit im mittleren Abschnitt dieser
Zeitperiode noch weitgehend verfolgen, so sind für die jüngere vorrömische Eisenzeit grundlegende
Verschiebungen zu beobachten. Kennzeichnend ist eine stärkere Profilierung ethnischer Einheiten,
die sich — wahrscheinlich aus einem lockeren Verband zur Zeit der älteren Jastorf-Kultur gewachsen
— jetzt schärfer voneinander abheben. Sie bilden im Übergangsfeld von der Spätlatenezeit zur
älteren römischen Kaiserzeit die Grundlage der germanischen Stämme, welche in der Folgezeit
durch die antiken Geschichtsschreiber Erwähnung finden. In der Stader-Geest-Gruppe sind die
Verhältnisse zur Spätlatenezeit relativ stabil. Die Friedhöfe werden weiter, in den meisten Fällen
bis in die römische Kaiserzeit hinein, kontinuierlich belegt. Auch die Sitte, Frauen und Männer
weitgehend separat zu bestatten, besteht fort und wird jetzt archäologisch noch besser faßbar. Als
ein Novum muß in diesem Raum die Sitte der Sonderbestattungen für die Kleinkinder angesehen
werden. Ob diese auch in Nordostniedersachsen gepflegt wurde, kann erst nach Untersuchungen
am dortigen anthropologischen Material dieser Zeit gesagt werden. Für die ältere vorrömische Ei-
senzeit weist das eklatante Defizit an Kleinkindergräbern auf dem Friedhof von Soderstorf, Kr.
Lüneburg, auf ein ähnliches demographisches Verhalten hin (H.-J. HÄSSLER, 1976).
Für den älteren Horizont der jüngeren vorrömischen Eisenzeit (Stufe Hornbek Ib) konnten die
bereits in den beiden vorherigen Zeitabschnitten nachgewiesenen Bindungen dieses Raumes an
Schleswig-Holstein glaubhaft gemacht werden. Besonders die Metallgeräte wie Holsteiner Gürtel,
Plattengürtelhaken, Fibeln vom Typ Hornbek 3 a2, die Holsteiner Nadel, große Bronzeringe,
Zwingen u.a. führten hier den Beweis. In der Keramik allerdings finden sich im Elbemündungsge-
biet wiederum Abweichungen zum östlichen Teil der Stader-Geest-Gruppe, die eine Andersartigkeit
zu diesem andeuten. Eine Trennung zwischen den beiden Bereichen ist aber noch keinesfalls voll-
zogen. Diese wird erst erkennbar durch das Fehlen der Gräber mit spätlatenezeitlichen Fibeln mit
rechteckigem Fuß und den noch jüngeren Fibeln mit geschweiftem Bügel. Das Fehlen dieser Fibel-
formen und das Fehlen der Waffen in den spätlatene- und älterkaiserzeitlichen Gräbern
dokumentiert unseres Erachtens den Trennungsstrich zwischen einer langen, gemeinsamen Entwick-
lung. In diesen Zeitraum dürfte die Stammesbildung der Chauken im Elbe-Weser-Dreieck fallen. Da
die letzten Jahrzehnte vor Chr. in diesem Raum durch das Fehlen dieser Fibeln nicht nachzuweisen
sind, kann die Meinung R. HACHMANNS (1961, 161), daß dieses Gebiet in der Schlußphase der
jüngeren vorrömischen Eisenzeit unbesiedelt war, aufgrund der Grabfunde nicht widerlegt werden.
Verfasser kann dieser Ansicht aber nicht folgen, zumal durch die großen Siedlungsgrabungen in

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