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Krüger, Thomas [Editor]; Stephan, Hans-Georg [Editor]; Raddatz, Klaus [Honoree]; Korbel, Günther [Oth.]; Korbel, Günther [Oth.]; Raddatz, Klaus [Oth.]
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Heft 16): Beiträge zur Archäologie Nordwestdeutschlands und Mitteleuropas — Hildesheim: Verlag August Lax, 1980

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.65795#0210
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ge) Beschläge einerseits miteinander, andererseits mit den Rand- und Endbeschlägen der Hör-
ner verbunden waren (Abb. 5 und 7). Zahl und Form der Bronzebeschläge auf den Lederrie-
men von Simris entsprechen dabei genau denen von Mehrhoog. Allerdings unterscheidet sich
der bandförmig um die Hornöffnung umlaufende Randbeschlag von Simris deutlich von den
aus Einzelblechen bestehenden Randbeschlägen von Mehrhoog. An der prinzipiellen Über-
einstimmung der Hornbefestigung mit Lederriemen an beiden Fundplätzen ändert dies indes-
sen nichts. Im Norden dominiert die Aufhängung der Hörner mit Ketten, die aus tordierten
Bronzestäbchen zusammengesetzt sind. Die Befestigung mit Lederriemen ist dort selten. Sie
wird von Berta STJERNQUIST für Simris mit zahlreichen ähnlichen Befunden aus Born-
holm, dem übrigen Dänemark und Norddeutschland in Verbindung gebracht.
Die chronologische Diskussion der Trinkhörner setzt in Schweden wie in Mitteleuropa an den
verschiedenen Formen der Endbeschläge an. Es fällt auf, daß in Schweden überhaupt keine
Endbeschläge mit Schlitztülle vorkommen, während dieser in Mehrhoog vertretene Typ C in
Dänemark mit 22 % und auf dem übrigen Kontinent mit 26 <Vo am Gesamtmaterial teilhat.
Die Endbeschläge mit Schlitztülle fügen sich somit in ein ausgedehntes kontinentaleuro-
päisches Verbreitungsgebiet ein.
Das Grab von Simris wird ins 2. Jahrh. n. Chr. datiert. Es ist mit reichem provinzialrömi-
schem Import, darunter Bronzegefäßen, ausgestattet und repräsentiert eine reiche, sozial her-
ausgehobene Kriegerschicht dieser Zeit. Ähnlich werten auch andere Autoren (H.-J. EG-
GERS 1949/50; M. GEBÜHR 1974) die Mitgabe von Trinkhörnern in Verbindung mit an-
deren Kriterien als Charakteristikum „fürstlicher” oder zumindest doch sozial gehobener
Grabausstattungen. Da wir in den Gräbern 4 und 14 Mehrhoog wegen der Brandbestattung
nur einen geringen Teil der Beigaben kennen, läßt sich über den sozialen Rang oder die besitz-
mäßige Stellung dieser Trinkhörner führenden Bestattungen nichts aussagen.
Die Trinkhörner von Mehrhoog erweitern das bisherige Verbreitungsbild beträchtlich. Bis-
lang waren vom gesamten Niederrhein keine Trinkhornfunde bekannt. Sie fehlen auch im
Gebiet zwischen Niederrhein und Weser. Selbst auf dem Ostufer der Weser bleibt ein breiter
Gebietsstreifen fundleer; Trinkhornfunde erscheinen erst östlich einer gedachten Linie von
Stade nach Weimar in Thüringen. Die Trinkhörner von Mehrhoog deuten darauf hin, daß
wahrscheinlich auch der gesamte westgermanische Bereich in das Verbreitungsgebiet der
Trinkhorn-Mitgabe in Gräber einzubeziehen ist. Das von Clara REDLICH ermittelte Ver-
breitungsbild spiegelt allerdings weniger die tatsächliche Verbreitung von Trinkhörnern als
Alltagsgerät wider, als vielmehr deren Niederschlag in den Gräbern. Zu berücksichtigen
bleibt im westgermanischen Gebiet weiterhin, daß bei der dort vorherrschenden Brandbestat-
tung viele Trinkhörner, wenn sie auf den Scheiterhaufen gegeben wurden, restlos verbrann-
ten und somit nicht mehr nachzuweisen sind. Die Trinkhörner von Mehrhoog bezeugen, daß
der rechte untere Niederrhein einem großen kontinentaleuropäischen Grabsittenkreis ange-
schlossen war, der im 1. und 2. Jahrh. n. Chr. die Mitgabe von Trinkhörnern, vornehmlich in
Gräbern gehobenen Ausstattungsniveaus, kannte.
Die Trinkhornfunde verteilen sich sowohl auf Gebiete im Freien Germanien als auch auf pro-
vinzialrömisches Gebiet. Ob man die Vorkommen auf Reichsboden germanischen Söldnern
in römischen Diensten zuschreiben darf, wie dies Clara REDLICH tut, muß dahingestellt blei-
ben. Auf jeden Fall kommen die Trinkhörner im Freien Germanien in Gebieten vor, die von
provinzialrömischem Import in starkem Maße erreicht wurden. In Mehrhooog belegen der
Terra-sigillata-Teller aus Grab 15, der dünnwandige Becher aus Grab 6 und die provinzialrö-
mischen Fibeln aus verschiedenen Gräbern diesen starken Strom römischen Imports, und
zwar bereits für die Zeit der Okkupation des Niederrheingebietes. Man könnte sich demnach
auch vorstellen, daß die Trinkhornbeschläge aus provinzialrömischen Werkstätten stammen

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