sich um Kastensärge mit gleich breiten Kopf- und Fußseiten handeln würde. Auffallend ist auch, daß die
Särge 31 und 117 (ihre Länge beträgt nur 1,5 m) Jugendlichen (oder ganz jungen Frauen) gehören.
Solche Bestattungen mit regelwidriger Lage des Toten wurden gelegentlich auch schon auf den spätheidni-
schen Gräberfeldern beobachtet, ohne daß eine verbindliche Erklärung möglich ist (z. B. Maschen — WE-
GEWITZ 1968, 37; Ketzendorf — AHRENS 1983, 19 ff.; Oldendorf — LAUX 1983, 122 Abb. 18, Grab
68/69). Es ist sogar denkbar, daß abergläubische Motive, wie sie schon für die Neugeborenengräber in und
an der Kirche erwähnt wurden, eine Rolle spielten. Mitte des 9- Jhs., als die zweite Kirche in Tostedt ge-
baut wurde, wurde auf dem aus heidnischer Zeit stammenden Bestattungsplatz in Ketzendorf bei Buxte-
hude über einem nach christlichem Brauch ausgerichteten Grab ein Grab nach heidnischer Tradition mit
nach Norden blickendem Toten angelegt. Ob dieser Befund allerdings als Beweis einer zu dieser Zeit sicher
noch vorhandenen heidnischen Reaktion zu werten ist, muß fraglich bleiben, denn die hier Bestattete hat-
te einen silbernen Denar Kaiser Ludwigs des Frommen (geprägt in Meaux nach 814, vgl. Abb. 29) in der
Art späterer Pilgerabzeichen an der Mütze. Die meisten Gräber in Tostedt sind offensichtlich nach der Kir-
che, also Nordosten — um 56° — ausgerichtet. Kein Grab ist genau West-Ost angelegt, am nächsten
kommt dieser Ausrichtung Grab 142, das nach 78,8° zeigt, doch ist die Möglichkeit nicht auszuschließen,
daß dieses Grab mit dem großen Sarg eine besonders tiefe Anlage des darüber liegenden Belegungshori-
zontes ist und das Grab sich an die Chorrundung anlehnt. Möglich ist aber, daß man das Grab wirklich ge-
nau nach Osten ausrichtete. Ähnlich wie Grab 1 in der Kirche ist auch der kleine Sarg 72 nordöstlich des
Chors nach Norden gerichtet und zeigt auf 310. Wie es zu all den Abweichungen gekommen ist, läßt sich
nicht sagen, vielleicht spielte aber auch die Jahreszeit mit verändertem Sonnenaufgang eine Rolle. Viel-
leicht war es nicht so wichtig, ob das Grab genau parallel zur Kirche lag. Bei keinem Grab wurden Spuren
einer oberirdischen Kennzeichnung der Gräber gefunden.
Dem Tostedter Befund nach setzen hier, von einigen Neugeborenengräbern abgesehen, die Bestattungen
erst an der um die Mitte des 9. Jhs. errichteten Kirche II ein. Doch war die Belegung nicht dicht. Das än-
derte sich erst, nachdem wohl Anfang oder Mitte des 11. Jhs. die erste Steinkirche III gebaut wurde. Dieser
Befund läßt ergänzend zu den Beobachtungen auf den aus heidnischer Zeit stammenden Bestattungsplät-
zen, wie z. B. Ketzendorf bei Buxtehude und Maschen, Ldkr. Harburg, interessante Schlüsse zu (vgl. Kap.
15).
Es fällt am Tostedter Befund auf, daß alle Bestattungen streng nach christlichem Brauch ohne jegliche
Trachtbestandteile oder Beigaben erfolgten, selbst christliche Symbole fehlen. Ob diese Befunde ausrei-
chen, um die Anlage der Gräber an der Kirche erst nach Aufhören der Sitte, z. B. Scheibenfibeln mit
christlichen Motiven mitzugeben, zu datieren, ist fraglich. Auf diesem Platz herrschte anders als auf den
alten Gräberfeldern von Anfang an eine christliche „beigabenlose” Tradition, nach der vermutungsweise
die Toten im Leinenhemd und nicht mehr in ihrer Tagestracht in den nun auch uniformierten Kastensarg
gelegt wurden. Auch die Sitte, alle Körpergräber einheitlich außerordentlich flach anzulegen, wie es hier
beobachtet wurde, mag christlich beeinflußt sein. So waren z. B. auf dem „spätsächsischen” Friedhof in
Maschen die reicheren Gräber mit Perlenketten deutlich tiefer angelegt als „gewöhnliche” Gräber und
hatten meistens senkrechte Wände, während die „christlichen” mit den Scheibenfibeln noch flacher als
diese waren und zum Teil keine Särge hatten. In Tostedt lagen die Sargunterkanten nur 0,65—0,7 m ( = 2
Fuß) tief unter der Oberfläche. Bis ins hohe Mittelalter und dem Aufkommen höherer Särge und neuer
Vorschriften behielt man diese Tiefe bei.
Leider konnte der erste Tostedter Kirchhof nur in unmittelbarer Nähe der Kirche ausgegraben werden und
sein Rand wurde nirgends erfaßt. So fehlen auch alle Hinweise auf eine Umzäunung. Im 18. Jh. waren um
den Platz hohe Planken (vgl. Kap. 14.6). Auf der Karte der Kurhannoverschen Landesaufnahme des 18.
Jhs. (vgl. Kap. 12.10.3, Abb. 1 u. 2) ist der Kirchplatz fast rund dargestellt. Auch eine jüngere Karte von
1876 (Taf 2,1) zeigt, welche inzwischen zu Straßen und Pfarrgarten gehörende Teile einmal Friedhof wa-
ren. Danach war der Platz ursprünglich rund und hatte einen Durchmesser von etwa 70 m. Der Mittel-
punkt dürfte ursprünglich das Altarhaus der Kirche I bzw. der in seiner Mitte befindliche Pfosten gewesen
sein.
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Särge 31 und 117 (ihre Länge beträgt nur 1,5 m) Jugendlichen (oder ganz jungen Frauen) gehören.
Solche Bestattungen mit regelwidriger Lage des Toten wurden gelegentlich auch schon auf den spätheidni-
schen Gräberfeldern beobachtet, ohne daß eine verbindliche Erklärung möglich ist (z. B. Maschen — WE-
GEWITZ 1968, 37; Ketzendorf — AHRENS 1983, 19 ff.; Oldendorf — LAUX 1983, 122 Abb. 18, Grab
68/69). Es ist sogar denkbar, daß abergläubische Motive, wie sie schon für die Neugeborenengräber in und
an der Kirche erwähnt wurden, eine Rolle spielten. Mitte des 9- Jhs., als die zweite Kirche in Tostedt ge-
baut wurde, wurde auf dem aus heidnischer Zeit stammenden Bestattungsplatz in Ketzendorf bei Buxte-
hude über einem nach christlichem Brauch ausgerichteten Grab ein Grab nach heidnischer Tradition mit
nach Norden blickendem Toten angelegt. Ob dieser Befund allerdings als Beweis einer zu dieser Zeit sicher
noch vorhandenen heidnischen Reaktion zu werten ist, muß fraglich bleiben, denn die hier Bestattete hat-
te einen silbernen Denar Kaiser Ludwigs des Frommen (geprägt in Meaux nach 814, vgl. Abb. 29) in der
Art späterer Pilgerabzeichen an der Mütze. Die meisten Gräber in Tostedt sind offensichtlich nach der Kir-
che, also Nordosten — um 56° — ausgerichtet. Kein Grab ist genau West-Ost angelegt, am nächsten
kommt dieser Ausrichtung Grab 142, das nach 78,8° zeigt, doch ist die Möglichkeit nicht auszuschließen,
daß dieses Grab mit dem großen Sarg eine besonders tiefe Anlage des darüber liegenden Belegungshori-
zontes ist und das Grab sich an die Chorrundung anlehnt. Möglich ist aber, daß man das Grab wirklich ge-
nau nach Osten ausrichtete. Ähnlich wie Grab 1 in der Kirche ist auch der kleine Sarg 72 nordöstlich des
Chors nach Norden gerichtet und zeigt auf 310. Wie es zu all den Abweichungen gekommen ist, läßt sich
nicht sagen, vielleicht spielte aber auch die Jahreszeit mit verändertem Sonnenaufgang eine Rolle. Viel-
leicht war es nicht so wichtig, ob das Grab genau parallel zur Kirche lag. Bei keinem Grab wurden Spuren
einer oberirdischen Kennzeichnung der Gräber gefunden.
Dem Tostedter Befund nach setzen hier, von einigen Neugeborenengräbern abgesehen, die Bestattungen
erst an der um die Mitte des 9. Jhs. errichteten Kirche II ein. Doch war die Belegung nicht dicht. Das än-
derte sich erst, nachdem wohl Anfang oder Mitte des 11. Jhs. die erste Steinkirche III gebaut wurde. Dieser
Befund läßt ergänzend zu den Beobachtungen auf den aus heidnischer Zeit stammenden Bestattungsplät-
zen, wie z. B. Ketzendorf bei Buxtehude und Maschen, Ldkr. Harburg, interessante Schlüsse zu (vgl. Kap.
15).
Es fällt am Tostedter Befund auf, daß alle Bestattungen streng nach christlichem Brauch ohne jegliche
Trachtbestandteile oder Beigaben erfolgten, selbst christliche Symbole fehlen. Ob diese Befunde ausrei-
chen, um die Anlage der Gräber an der Kirche erst nach Aufhören der Sitte, z. B. Scheibenfibeln mit
christlichen Motiven mitzugeben, zu datieren, ist fraglich. Auf diesem Platz herrschte anders als auf den
alten Gräberfeldern von Anfang an eine christliche „beigabenlose” Tradition, nach der vermutungsweise
die Toten im Leinenhemd und nicht mehr in ihrer Tagestracht in den nun auch uniformierten Kastensarg
gelegt wurden. Auch die Sitte, alle Körpergräber einheitlich außerordentlich flach anzulegen, wie es hier
beobachtet wurde, mag christlich beeinflußt sein. So waren z. B. auf dem „spätsächsischen” Friedhof in
Maschen die reicheren Gräber mit Perlenketten deutlich tiefer angelegt als „gewöhnliche” Gräber und
hatten meistens senkrechte Wände, während die „christlichen” mit den Scheibenfibeln noch flacher als
diese waren und zum Teil keine Särge hatten. In Tostedt lagen die Sargunterkanten nur 0,65—0,7 m ( = 2
Fuß) tief unter der Oberfläche. Bis ins hohe Mittelalter und dem Aufkommen höherer Särge und neuer
Vorschriften behielt man diese Tiefe bei.
Leider konnte der erste Tostedter Kirchhof nur in unmittelbarer Nähe der Kirche ausgegraben werden und
sein Rand wurde nirgends erfaßt. So fehlen auch alle Hinweise auf eine Umzäunung. Im 18. Jh. waren um
den Platz hohe Planken (vgl. Kap. 14.6). Auf der Karte der Kurhannoverschen Landesaufnahme des 18.
Jhs. (vgl. Kap. 12.10.3, Abb. 1 u. 2) ist der Kirchplatz fast rund dargestellt. Auch eine jüngere Karte von
1876 (Taf 2,1) zeigt, welche inzwischen zu Straßen und Pfarrgarten gehörende Teile einmal Friedhof wa-
ren. Danach war der Platz ursprünglich rund und hatte einen Durchmesser von etwa 70 m. Der Mittel-
punkt dürfte ursprünglich das Altarhaus der Kirche I bzw. der in seiner Mitte befindliche Pfosten gewesen
sein.
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