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Kruse, Karl Bernhard; Brandorff, Helmut
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Band 27): Der Hildesheimer Dom: von der Kaiserkapelle und den Karolingischen Kathedralkirchen bis zur Zerstörung 1945 : Grabungen und Bauuntersuchungen auf dem Domhügel 1988 bis 1999 — Hannover: Verlag Hahnsche Buchhandlung, 2000

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.69498#0060
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Die bauarchäologische Untersuchung wurde ausschließlich mit Architekturstudenten der Universität
Hannover durchgeführt, die sich wegen der beengten Platzverhältnisse im Keller in vier Gruppen aufge-
teilt hatten, so daß jede Gruppe eine Woche gegraben und die Mauerflächen freigelegt hat.
Da alle Mauerflächen der Wände mit mehreren Kalkanstrichen übertüncht waren, konnten der Fugen-
verlauf und das Steinmaterial nur erahnt werden. So mußten sie genauso wie der verschmutzte Platten-
fußboden zuerst gründlich gereinigt werden (Abb. 34), bevor die archäologischen Eingriffe durchgeführt
werden konnten. Danach wurden der Fußboden und die Wände steingerecht mit dem Feldpantographen
gezeichnet.
Phase 0
Fast unmittelbar unter den Steinplatten des Fußbodens (Bef.-Nr. 2) konnte die noch vorhandene Ober-
fläche des gewachsenen, gelben Lehms (Bef.-Nr. 14) bei +81,30 m ÜNN angetroffen werden (Abb. 30).
Der natürliche Übergang in den humosen Oberboden war mit der Tieferlegung des Kellerfußbodens in
der Bauphase III entfernt worden. In einer jüngeren, tiefen Grube (Bef.-Nr. 27) vor der Westmauer
konnte der natürliche Bodenaufbau bis +80,56 m ÜNN verfolgt werden. Im unteren Bereich der Grube
wurde der gewachsene, gelbe Lehm scharf von einem sehr plastischen, blaugrauen Lehm (Bef.-Nr. 28)
getrennt (Abb. 32). Die Oberkante des blaugrauen Lehms begann bei ca. +80,75 m ÜNN.
Im Südprofil der Grabung konnte eine in den gewachsenen Boden unregelmäßig abgetiefte Grube (Bef.-
Nr. 35) angeschnitten werden, die nach Westen unter die Mauer (Bef.-Nr. 4) zieht. Diese Grube unbe-
kannter Zweckbestimmung war mit brauner Humuserde verfällt und enthielt keine Funde.
Phase 1
Als älteste Bauphase läßt sich mit einiger Unsicherheit wegen der begrenzten Untersuchungsmöglich-
keiten die Ausbruchgrube (Bef.-Nr. 37) eines in Ost-West-Richtung verlaufenden Fundaments erken-
nen, die 0,50 m vor der Westmauer in den Raum vorspringt und sich bis zur Grabungsschnittgrenze auf
0,70 m erweitert (Abb. 30). Unter der Westmauer (Bef.-Nr. 15) sind die Steine des ehemaligen Funda-
ments noch erhalten, oder hier wurde die Westmauer bis auf die Sohle der Ausbruchgrube im gleichen
Bauzusammenhang mit ihr ausgemauert (Abb. 31, 35.2). Nicht mit Sicherheit kann entschieden werden,
ob die unterhalb des Fußbodens liegenden Steine (Bef.-Nr. 4) der Nordmauer (Bef.-Nr. 1) noch zu dem
älteren ausgebrochenen Fundament gehören. Da jedoch die Auffüllung der Ausbruchsgrube (Bef.-
Nr. 37) unter die Steine der Nordmauer (Bef.-Nr. 4) zieht (Abb. 31), spricht vieles dafür, daß sie nicht
mehr zum ursprünglichen Bestand gehören und daß auch die unter der Westmauer (Bef.-Nr. 15) noch
vorhandenen Steine in der Ausbruchgrube nicht mehr zum originalen Bestand gehören, sondern daß die
Ausbruchgrube ausgemauert werden mußte. Da die Unterkante der Ausbruchsgrube mit +81,10 m ÜNN
ca. 0,70 cm höher als die Unterkante des südlichen Fundaments (vgl. Kap. 2.4, Bef.-Nr. 136) liegt, kann
aus den Fundamentierungstiefen kein eindeutiger Hinweis auf eine Zusammengehörigkeit als Südmau-
er eines der beiden hohen Türme des Gunthardomes44 hergeleitet werden. Die Ost-Westrichtung der
Ausbruchgrube läßt jedoch an einen Zusammenhang denken.
Verstärkt wird der Gedanke an einen Bauzusammenhang durch das in unmittelbarer Nähe angetroffene
Grab (Bef.-Nr. 36), das nur noch sehr flach in den vorhandenen gewachsenen Boden eingetieft, im
Bereich der Beine ungestört, angetroffen worden ist (Abb. 30, 35.2). Die in genauer Ost-Westrichtung
verlaufende Grabgrube war im Fußbereich durch die jüngere Grube (Bef.-Nr. 12) gestört und nicht
mehr vorhanden; im Osten zog sie unter den Fußboden und wurde nicht ergraben. Ein Oberschenkel-
knochen konnte mit Hilfe der 14C Methode datiert werden.45 Mit einem kalibrierten Datum für die Zeit
von 885-1000 ist diese Bestattung in der gleichen Zeit in die Erde gekommen wie die Bestattung, die
1992 am Südfundament des Gunthardomes ergraben wurde (vgl. Kap. 2.4). Diese beiden karolingischen

44 Fundatio, 943 Z. 7-9.
45 Für die Datierung der Knochen und des Gipsestrichs mit viel Holzkohle aus der Grabung im Totenkeller danke ich Herrn
Prof. Dr. Mebus A. Geyh vom Niedersächsischen Landesamt für Bodenforschung in Hannover. Die Ergebnisse lauten: Probe
HI 18/95/9 (Knochen) cal. AD 885-1000 und Probe HI 18/95/2 (Holzkohle in Gipsestrich) cal. AD 1305-1440.

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