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Kruse, Karl Bernhard; Brandorff, Helmut
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Band 27): Der Hildesheimer Dom: von der Kaiserkapelle und den Karolingischen Kathedralkirchen bis zur Zerstörung 1945 : Grabungen und Bauuntersuchungen auf dem Domhügel 1988 bis 1999 — Hannover: Verlag Hahnsche Buchhandlung, 2000

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.69498#0111
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Ob das Dach mit den geborgenen karolingischen Dachziegeln (vgl. Kap. 5.6) mit Metall oder Schiefer
gedeckt war, läßt sich mit Sicherheit nicht mehr feststellen. Für eine reiche Ausstattung sprechen auch
die roten Farbreste auf den herabgefallenen Putzstücken sowie die rot und grün durchgefärbten Glas-
mosaiktesserae aus der Grabung auf dem Leunishof (Abb. 24.1). Auch die 1988 gefundene sechseckige
Glasfliese288 (vgl. Kap. 2.6) deutet auf eine kostbare Ausstattung hin (Abb. 41). In der mit großer Wahr-
scheinlichkeit ummauerten Domburg konnte archäologisch bisher noch der Gunthardom aus der ersten
Hälfte des 9. Jahrhunderts sowie ein festes Steingebäude mit Vordach und eingetiefter Küchenerweite-
rung nachgewiesen werden (Abb. 107). Neben der Fernhandelsstraße nördlich vor der Domburg-
befestigung wird sich die erste Kaufleutesiedlung von der Innerstefurt bis zur Treibe ausgedehnt haben.
Sie lag damit gut geschützt auf dem von drei Seiten umflossenen Domhügel in unmittelbarer Nachbar-
schaft der befestigten Domburg (Abb. 3). Metallfunde (Abb. 23) sowie der Riemenverteiler und impor-
tierte die Keramik für den gehobenen Bedarf gewähren einen ganz kleinen Einblick in Handelsverbin-
dungen und in das alltägliche Leben im Schatten des großen, reich gegliederten karolingischen Hildes-
heimer Domes.

3.4 Die Epiphaniuskapelle von Bischof Othwin
Der 10. Hildesheimer Bischof Othwin (954-984)289 begleitete Kaiser Otto I. auf dessen Italienreise zur
Kaiserkrönung am 2. Februar 962 in Rom290. Auf der Rückreise raubte er während eines längeren Auf-
enthaltes in Pavia in der Nacht des 22. Nov. 962291 die Gebeine des Hl. Epiphanius und ließ sie voraus
über die Alpen in das Kloster Reichenau schaffen. Er selbst reiste mitten im Winter, nachdem sich die
erste Aufregung gelegt und die Untersuchung des Kaisers nichts erbracht hatte292, ebenfalls zum Kloster
Reichenau und von dort nach Hildesheim. Hier wurden die kostbaren Reliquien zuerst im Dom nieder-
gelegt und anschließend eine eigene Kapelle südlich des Domes errichtet293. Die Lage dieser Kapelle
(Abb. 113) war bisher unbekannt, im Modell „Hildesheim um 1022“ ist sie ohne Befund als achteckige
Taufkapelle (Abb. 3) mit einer Verbindung zum vermuteten älteren Bischofspalas dargestellt294.
1998 konnte mit Schülern des Gymnasiums Josephinum auf ihrem Schulhof vor der Neupflanzung einer
Linde (vgl. Kap. 2.6) eine kleine Grabung durchgeführt werden, die die Ausbruchgrube der Fundamente
einer wohl rechteckig ummauerten Halbkreisapsis aufdeckte (Abb. 37). Diese ältere Ausbruchsgrube
wurde von einer zweiten rechteckigen Ausbruchsgrube überlagert, an die sich im Westen die Stickung
für einen Fußbodenestrich anschloß. Die ältere Ausbruchgrube ist vor dem großen Brand von 1046 wie-
der verfüllt, die jüngere erst nach dem Brand. In der jüngeren lagen sehr viele zerbrochene bernwardi-
nische Dachziegel, aus der älteren konnte nur ein einziges Stück geborgen werden. Aus der Stratigraphie
und den datierenden Funden ergibt sich, daß im 10. Jahrhundert das ältere Fundament eingetieft, in oder
nach der Amtszeit Bischof Bernwards wieder ausgebrochen und mit einem zweiten Fundament überbaut
worden ist (Abb. 38). Auch die Steine des zweiten Fundamentes wurden nach dem Brand in der zwei-
ten Hälfte des 11. Jahrhunderts wieder ausgegraben. Diese aus der Grabung gesicherte Abfolge läßt sich
mit den Schriftquellen verbinden, nach denen Bischof Othwin nach 962 südlich des Domes eine Kapelle
für einen Teil der Reliquien errichten ließ. Bischof Godehard ließ diese „antiquum templum“29S genann-
te Kirche des Hl. Epiphanius zu Beginn seiner Amtszeit abreißen296 und errichtete südlich des Domes auf
seinem Bischofshof an derselben Stelle ein „monasterium summi decoris“, das er im August 1026297 wei-

288 Vergleichbare Glasfliesen gab es in Corvey und Minden. Lobbedey 1999b, 562-564.
289 Goetting 1984, 147-156.
290 Goetting 1984, 150.
291 Translatio S. Ephiphanii C. 5-6, 349-350.
292 Goetting 1984, 151.
293 Goetting 1984, 152.
294 Bernward 2, 460, Nr. 3 auf dem Domhügel.
295 Vita Godehardi Prior c. 37, 194 (wie Goetting 1984, 152.)
296 Vita Godehardi Posterior, c. 18, 206 (wie Goetting 1984, 152.)
297 Annales Hildesheimenses, 34 zu 1023 und 1026.

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