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Kruse, Karl Bernhard; Brandorff, Helmut
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Band 27): Der Hildesheimer Dom: von der Kaiserkapelle und den Karolingischen Kathedralkirchen bis zur Zerstörung 1945 : Grabungen und Bauuntersuchungen auf dem Domhügel 1988 bis 1999 — Hannover: Verlag Hahnsche Buchhandlung, 2000

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.69498#0350
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letztgenannten Fundstücke sind auf Grund ihrer Größe und ihres Zustandes nicht geätzt worden, da die
Belastung bei dieser Prozedur zu groß für diese kleinen Fundstücke gewesen wäre.
Wird ein Metall unterhalb seiner Rekristallisationstemperatur umgeformt, so bilden sich sog. Gleitlini-
en, „strain markings“ oder Deformationsmarken. Nach geeignetem Anätzen erkennt man diese, meist
quer oder unregelmäßig zu den Kristallrichtungen verlaufenden Linien (Moesta, Franke 1995). In zwei
der untersuchten Fundstücke, einem kleinen Metallfragment (FNr. 205/74; Abb. li, Abb. IG) und
einem Metallfragment mit Loch (FNr. 306/74; Abb. lj, Abb. 1H), erinnern die durch Korrosion ent-
lang von Fehlstellen erkennbaren Strukturen im Kristall jenen, normalerweise erst durch die Ätzung
sichtbaren, durch Kaltumformung hervorgerufenen Gleitlinien.
Das Material der Schnalle (FNr. 84/29; Abb. 1h, Abb. IE) ist auffallend inhomogen mit Bleieinschlüs-
sen und Korrosionsprodukten, so daß hier keine Aussage über das Gefüge und damit über die Behand-
lung des Stückes getroffen werden kann. Ebenso verhält es sich mit den Fundstücken, die auf Grund des
schlechten Erhaltungszustandes nicht angeätzt werden konnten: Schließe (FNr. 146/46; Abb. Im), ver-
ziertes Blechfragment (FNr. 193/65; Abb. If). Hier kann nur in Ausnahmefällen eine Aussage über das
jeweilige Gefüge getroffen werden, wenn z. B. Einschlüsse einer Orientierung unterworfen wurden, wie
es bei den Antimon-haltigen Bleieinschlüssen im Bereich des Fußes des Nietes mit Goldauflage
(FNr. 148/54; Abb. In) der Fall ist, was mit einer mechanischen Verformung zur Befestigung zu
erklären wäre, oder wenn entlang von Fehlstellen im Kristall die Korrosion schneller fortschreitet und
sich dann eine Struktur erkennen läßt, wie bei dem kleinen Metallfragment (FNr. 205/74; Abb. li,
Abb. IG) oder dem Metallfragment mit Loch (FNr. 306/74; Abb. lj, Abb. 1H).
Da die REM-Flächenanalysenwerte der Elementverteilung der Schließe (FNr. 146/46; Abb. Im,
Abb. 1L, die Flächenanalysenbereiche sind mit dem Symbolen Fl, F2 und F3 gekennzeichnet) über ver-
schiedene Bereiche nicht sehr differieren, kann davon ausgegangen werden, daß dieses Stück als Ganzes
gefertigt wurde. Der durch Korrosion verbackene Verschluß (FNr. 186/67; Abb. 1p) zeigt kaum Ele-
mentverteilungsdifferenzen zwischen den beiden Teilen. Anders verhält es sich offensichtlich bei der
Fibel (FNr. 198/74; Abb. 1g, Abb. IF). Hier läßt der erhöhte Bleigehalt im Übergang zwischen Halter
und Platte die Annahme zu, daß die Halterungen für die nicht mehr vorhandene Befestigung durch das
Zusammenschmelzen mit einer etwas niedriger schmelzenden Legierung fixiert worden sein könnten.
Die Oberflächen des Knopfes (FNr. 85/29; Abb. 11, Abb. IF) und des Nietes mit Goldauflage
(FNr. 148/54; Abb. In, Abb. IM) sind mit Hilfe des Amalgamierungsverfahrens versilbert bzw.
vergoldet worden. Die Verwendung von Quecksilber (Hg) zur Vergoldung oder Versilberung von Kup-
fer-, Bronze- und Messingoberflächen durch Amalgamierung oder Feuervergoldung und -Versilberung
war schon in der Spätantike bekannt (Riederer 1987, 90, 98, mit Bezug auf Plinius, [Hist. nat. 33,
64-65] und Vitruv [De architectura VII, 4]; vgl. Anheuser 1996). Bei diesem Verfahren werden die
streichbaren Amalgame durch Vermischen von Quecksilber mit Edelmetallen hergestellt, auf die zu
belegende Fläche aufgetragen (z. B. mit einem Pinsel oder Spachtel) und dann das Werkstück erhitzt,
wobei das Quecksilber aus dem Amalgam verdampft und eine glatte Edelmetalloberfläche mit innigem
Kontakt zur Unterlage entsteht.
Bei dem Hildesheimer „Knopf“ (FNr. 85/29) sind die Spuren des Auftragens des Silberamalgams noch
sehr gut zu erkennen (REM-Aufnahme; Abb. 11, Abb. 1J). Bei dem Niet mit Goldauflage
(FNr. 148/54, Abb. In) ist das Goldamalgam noch in einer relativ dünnen Schicht erhalten (REM-Auf-
nahme; Abb. IM). Die Amalgame beider Fundobjekte haben einen auffallend hohen Quecksilbergehalt,
so daß der letzte Schritt, das Erhitzen und Abdampfen des Quecksilbers, offenbar nur unvollständig
stattfand. Dass eine Erhitzung des Knopfes (FNr. 85/29, Abb. In) vorgenommen wurde, kann man aus
der REM-Gefügeaufnahme (Abb. 1K), in der sich die hellen Bleiausscheidungen um Kupferkörner
herum gesammelt haben, schließen. Dieses Phänomen wird, allerdings für Messing (Schumann
1987/88), so erklärt, daß eine Wärmebehandlung zu einer „Koagulation“ kleinerer Kristallite unter Bil-
dung größerer rundlicher Kristallite führt. Um die, im Verhältnis zum Volumen, verkleinerte Kristallit-
oberfläche (Abb. 11) wird das flüssige Blei in der festen Matrix akkumuliert. Weitere Details sind in den
Tabellen 3a und 3b aufgeführt.

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