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Kruse, Karl Bernhard; Brandorff, Helmut
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Band 27): Der Hildesheimer Dom: von der Kaiserkapelle und den Karolingischen Kathedralkirchen bis zur Zerstörung 1945 : Grabungen und Bauuntersuchungen auf dem Domhügel 1988 bis 1999 — Hannover: Verlag Hahnsche Buchhandlung, 2000

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.69498#0106
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Der Ostchor und die Umgangskrypta
Die im wiederaufgebauten Hildesheimer Dom noch heute aufrecht stehenden Mauern aus der Zeit Alt-
frids geben uns eine sehr gute Grundlage für die Rekonstruktion. Für die Bernwardsausstellung im Jahre
1993 wurde nach den Ergebnissen der Untersuchung von Bohland und einer ersten Überprüfung der
Befunde mit Hilfe der Wehmeyerfotos von Jacobsen und Lobbedey ein Modell im Maßstab 1:100 ent-
worfen255. Angeregt durch die von ihnen vorgestellten Isometrie ist die von mir vorgelegte neue Isome-
trie (Abb. 109) entstanden, in der alle mir bekannten Befunde ohne Unterscheidung der Verbindlich-
keit dargestellt sind. Das durchlaufende Querhaus, dessen Ostfundament gegen das Nord-Südfundament
der Marienkapelle gesetzt ist und es dann überlagert (Kap. 2.7) ist im Aufgehenden bis zur Mitte der
karolingischen Fenster (Abb. 52.2) erhalten. Auch die Größe der beiden Seitenkapellen und die noch
in situ vorhandenen Eingangssportale der Umgangskrypten sind gesichert. Die karolingischen Profile der
westlichen Vierungspfeiler brechen nach Osten und jeweils nach Süden bzw. nach Norden nach einer
kurzen Fortführung ab (Abb. 67.2), so daß ein Anschluß einer erhöhten Vierung mit einer Schranke ver-
mutet werden darf. Die Mauern der heutigen Vierungskrypta stehen mit den Vierungspfeilern nicht im
Verband (Abb. 66), so daß es im Altfriddom keine zeitgleiche Vierungskrypta gegeben hat. Im Bereich
des Chores und der Apsis ist der Fußboden gegenüber der Marienkapelle stark angehoben worden. In
diesem Bereich ist eine Innenkrypta zu erschließen256, über deren Ausgestaltung jedoch leider nur aus-
gesagt werden kann, daß die Innenwände der Marienkapelle erhalten blieben (Abb. 110), so daß sie
nach dem Wiederaufbau von Hezilo weiter genutzt werden konnten. Ob es innerhalb der Umfassungs-
mauern der Marienkapelle für die Innenkrypta neue Aufmauerungen gegeben hat, kann wie in der Ein-
hards-Basilika257 vermutet werden. Denkbar wäre jedoch auch wie in Werden258 eine Rekonstruktion mit
vier breiten Innenstützen, zumal, wenn man die Westkryptra für gleichzeitig erachtet (Beilage 8,
Abb. 108). Die sehr große Höhe des Chores des Alfriddomes über dem Fußbodenniveau des Langhau-
ses und des Querschiffes ist nur dann erklärbar, wenn sie auf einen vorhandenen unteren Raum Rück-
sicht genommen hat. Ich kann mir nicht vorstellen, daß der genannte Innenraum des Chores und der
Apsis der Marienkapelle ca. 3 m hoch aufgefüllt worden ist, um den Hochaltar zu errichten. Auch hät-
ten die verhältnismäßig dünnen Außenwände diesem Erddruck auf Dauer wohl nicht standgehalten.
Der westliche Bereich der Längsstollen war auf beiden Seiten bis kurz vor die Apsisrundung des Chores
doppelgeschossig und gewölbt. Der Ansatz der Ostquerhausmauer mit der Verzahnung ist noch heute
auf der Nordseite in situ erhalten (Abb. 47, 50). Die westlich davor liegenden abgearbeiteten Sandstei-
ne gehören nicht zu einem abgeschlagenen Tonnengewölbeansatz259, sondern zur Abarbeitung der ein-
bindenden Ostabschlußmauer des Obergeschosses. Die vom Feuer rot verfärbten Sandsteinoberflächen
werden durch die Hitze des Feuers im Jahre 1046 entstanden sein, nachdem die brennende Dachkon-
struktion und ein eventuell vorhandener hölzener Fußboden in den Zwickeln zwischen Chormauer und
Tonnengewölbe gestürzt war. Hinweise auf radial einbindene Gewölbesteine gibt es nicht, sie sind auch
nicht zu erwarten, da das Tonnengewölbe sicher auf dem ca. 0,20 m breiten, heute nur noch im Ansatz
und im Erdboden vorhandenen Mauervorsprung aufgelegen hat (Beilage 3; Abb. 56). Auf der Südsei-

255 Der Hildesheimer Dom um 1000 - Modell. Entwurf: W. Jacobsen und U. Lobbedey, Ausführung: Hilbert Gestaltungstechnik,
1993, beschrieben in: Bernward 2, 464-466 (VII-14), mit gezeichneter Isometrie.
256 Fundatio, 946 Z. 6 „nur der äußere Umgang der Krypta - die früher eine doppelte war“. Vgl. Claussen 1957, 124 Innen-
krypta mit einer Breite von mindesten 2,10 m; einschränkend Jacobsen, Lobbedey, Kleine-Tebbe 1993, 304: „Möglich,
durch Befunde aber nicht belegt ist, daß diese Kryptenanlage durch einen weiteren Stollen in der Mittelachse unter dem Chor-
fußboden ergänzt wurde“.
257 Das Kyptenmauerwerk der Einhards-Basilika in Steinbach bei Michelstadt im Odenwald ist nur wenig in den gewachsenen
Boden eingetieft. Die Zwischenräume zwischen den Außen- und Kryptenmauern wurde nach Fertigstellung mit einer Lehm-
schüttung verfüllt. Ludwig, Müller, Widder-Spies 1996, Textband 54-56, Abb. 24.
258 Isenberg 1999, 257-263 Abb. 105: Die älteste Kryptenanlage in der Rekonstruktion von W. Effmann.
259 Bohland 1953, 15: „Auf dem unteren Teil der Außenseite des Restmauerwerks von P. I. ist eine 1,20 m hohe Zone unregel-
mäßiger, rauher Sandsteine sichtbar, die deutlich erkennbar durch eine nachträgliche Abspitzung ursprünglich vorspringender
Mauersteine entstanden ist. Diese Zone beginnt in einer Höhe von 2,90 m über B.00. oder 3,50 m über A.00. Nach der Abspit-
zung zu urteilen, kann es sich bei dieser horizontal verlaufenden Zone möglicherweise um die ehemalige Einlaufstelle eines
Tonnengewölbes handeln, das einen im Chorwinkel liegenden Raum überdeckte. “ Jacobsen, Lobbedey, Kleine-Tebbe 1993,
304: „Der Umgang war tonnengewölbt. An den Außenseiten des Chorquadrums haben sich die späteren Abarbeitungen dieser
Gewölbe noch erhalten. “

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