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Ludowici, Babette
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Band 35): Frühgeschichtliche Grabfunde zwischen Harz und Aller: die Entwicklung der Bestattungssitten im südöstlichen Niedersachsen von der jüngeren römischen Kaiserzeit bis zur Karolingerzeit — Rahden/​Westf.: Verlag Marie Leidorf, 2005

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.68706#0021
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2. Die Brandbestattungsplätze Nr. 1 bis 36 (Katalog I)

Von den Brandbestattungsplätzen Nr. 1 bis 36 des Untersu-
chungsgebietes bzw. von der Gesamtmenge aller dort ehemals
beigesetzten Leichenbränden sind nur kleine Ausschnitte
erfaßt worden (s. Katalog I). Zusammen sind aus diesen Fund-
plätzen jedoch noch mindestens 770 Brandgrabbefunde
nachweisbar. Ihre Erfassung, Dokumentation und Datierung
war die Ausgangsbasis der vorliegenden Studie.
Die Datierung der einzelnen Brandgräber wird durch die
Befundverhältnisse und die Überlieferungsbedingungen
erschwert. Es handelt sich bei den Bestattungen nahezu
ausschließlich um Begräbnisse von Leichenbränden in Urnen
aus Keramik43. Von vielen dieser Beisetzungen sind bei ihrer
Entdeckung und Freilegung aber nur die als Leichenbrand-
behälter benutzten Keramikgefäße aufbewahrt worden oder
erhalten geblieben44. Die Urnen haben mit über 500 Exem-
plaren am erhaltenen Fundmaterial der Friedhöfe den men-
genmäßig weitaus größten Anteil. Aus immerhin 233 aller
nachweisbaren Brandgräber liegen auch die Leichenbrände
noch vor, aber nur in 140 Fällen fanden sich darin auch Über-
reste von Gegenständen, Tierknochen oder Urnenharz. Auf-
grund des fragmentierten Erhaltungszustandes der meisten
Objekte ist lediglich ein Teil davon näher chronologisch
ansprechbar.
Von drei Bestattungsplätzen sind darüber hinaus noch einige
Einzelfundstücke überliefert, die aber ebenfalls aus Grabzu-
sammenhängen stammen dürften.
Das beschriebene Fundmaterial der Bestattungsplätze Nr. 1 bis
36 wird mit Katalog I erstmals vollständig erfaßt und doku-
mentiert45. Seine chronologische Einordnung im folgenden
Kap. 2.1 bildet die Grundlage für die anschließend in Kap. 2.2
erörterte Datierung der einzelnen Grabbefunde. Hieraus, und
in einigen Fällen auch aus der zeitlichen Einordnung der
erwähnten Einzelfundstücke, ergeben sich, wie abschließend
in Kap. 2.3 ausgeführt, Anhaltspunkte zur Dauer der Nutzung
der Bestattungsplätze.
2.1. Das Fundmaterial und seine chronologische
Einordnung
Zunächst wird in Kap. 2.1.1 zur Identifizierung und Datierung
der aus den Leichenbränden geborgenen Objekte Stellung
genommen. In Kap. 2.1.2 werden ohne Befundzusammenhang
überlieferte Einzelfundstücke vorgestellt. Im Anschluß daran
werden in Kap. 2.1.3 die Möglichkeiten der Datierung der als
Urnen benutzten Keramikgefäße anhand stilistischer Verglei-
che ihrer Formen und Dekors erörtert46.

43 Zum Befand sowie zum Nachweis und Vorkommen anderer Brand-
bestattungsformen s. Kap. 6.2.

44 Zu Fund- und Überlieferungsumständen der häufig bereits im 19.Jh.
geborgenen Befunde s. Katalog I.

45 Vgl. die Fundverzeichnisse in Katalog I.

46 Die Stufenbezeichnungen Cl, C2 und C3 der römischen Kaiserzeit
werden im absolutchronologischen Sinn im folgenden gemäß der
derzeit „allgemeinen Auffassung" verwendet (vgl. hierzu die Zeit-
stufenleiste am Kopf der Übersichtstabelle Abb. 7). Exakte Grenzen
zwischen diesen Stufen sind nicht festlegbar. Die laufende Diskus-

2.1.1 Zur Identifizierung und Datierung von aus den Lei-
chenbränden geborgenen Objekten
Aus 17 der Bestattungsplätze Nr. 1 bis 36 sind, wie eingangs
schon erwähnt, insgesamt 233 Leichenbrände erhalten. Sie
stammen von den Bestattungsplätzen BÜLTEN, CREMLIN-
GEN, DRÜTTE, EILUM, GRASLEBEN, HOHENASSEL,
LEHRTE, LEIFERDE (20A), LEIFERDE (20B), MEER-
DORF (21B), NETTLINGEN (23), „OLE HAI", STÖCK-
HEIM, VELTENHOF, WATENSTEDT, WEDDEL UND
WOLFENBÜTTEL47. In rund 60 % dieser Leichenbrände
wurden überwiegend kleinteilige, zumeist verbrannte Frag-
mente von Gegenständen, Urnenharz und in Einzelfällen auch
Reste von Tierknochen entdeckt48. Unter den verbrannten
Überresten von Gegenständen sind Objekte aus Bein, Glas,
Metall und Ton nachweisbar. Auch unverbrannt wirkende,
mehr oder minder vollständig erhaltene Gegenstände kommen
gelegentlich vor, sind jedoch eine Ausnahmeerscheinung.
Der Fund solcher Objekte ist ferner auch aus neun Urnen des
Bestattungsplatzes vom „OLE HAI" (25) überliefert, deren
Inhalt verschollen ist. Auch aus einigen der zerstörten
Brandgrabbefunde des Bestattungsplatzes von GROSS-GLEI-
DINGEN liegen derartige Fundstücke vor. Außerdem ist das
Vorkommen solcher Objekte noch aus insgesamt 32 Leichen-
brandbeisetzungen der Bestattungsplätze bei CREMLINGEN,
GRASLEBEN, MEERDORF (21a), MEERDORF (21b),
STÖCKHEIM und VELTENHOF überliefert, deren Fundma-
terial jedoch gleichfalls verschollen ist.
Die Objekte werden im folgenden nach den Materialgruppen
Bein, Glas, Metall und Ton getrennt vorgestellt, Urnenharz
und Tierknochen werden im Anschluß behandelt.
2.1.1.1. Bein
An beinernen Gegenständen konnten Kämme, Spielsteine,
Schmuckscheiben oder Amulette, Armringe, Nadeln und
Nadelbüchsen identifiziert werden.

sion darüber soll nicht nochmals dargestellt werden, hierzu sei auf

jüngste Ausführungen von Dagmar-Beatrice Gaedtke-Eckardt ver-

wiesen: D.-B. Gaedtke-Eckardt, Hügelgräber des 4. Jahrhunderts

nach Chr. aus Bad Bevensen (Die Urnenfriedhöfe in Niedersachsen,

Bd. 16), Oldenburg 2001, 81. (Da diese Studie erst nach Abschluß

des Manuskriptes meiner Arbeit erschien, ist das dortige Fundmate-

rial nicht berücksichtigt worden.)

Die Datierungsangabe „Völkerwanderungszeit" bzw. „völkerwan-

derungszeitlich" meint im folgenden die Zeit zwischen der zweiten

Hälfte des 4. Jhs. und dem 6. Jh. Für die Zeit zwischen der zweiten

Hälfte des 5. Jhs. und dem 7. Jh. wird im Sinne des Gebrauchs bei

SCHMIDT 1961 auch der Begriff „späte Völkerwanderungszeit"

benutzt. Für diese Epoche wird synonym der Begriff „Merowinger-

zeit" bzw. „merowingerzeitlich" verwendet.

47 Aus den Bestattungsplätzen ADENSTEDT, ATZUM (2), BIENRO-
DE, BORNUM, ERKERODE, FRELLSTEDT, GLENTORF,
GROSS-DENKTE, GROSS-GLEIDINGEN, HARXBÜTTEL,
LAUINGEN, NEINDORF, OTHFRESEN (24), RÖTZUM,
RÜNINGEN, SCHÖNINGEN (28a u. 28b), SÜPPLINGENBURG,
UHRY und OTZE sind keine Leichenbrände erhalten bzw. ehemals
vorhandene sind nicht mehr auffindbar.

48 In 140 von 233 Leichenbränden; s. Katalog I, zu NETTLINGEN
(23) auch GAEDTKE-ECKARDT 1992a. In 27 dieser Leichen-
brände fand sich nur Urnenharz.

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