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Ludowici, Babette
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Band 35): Frühgeschichtliche Grabfunde zwischen Harz und Aller: die Entwicklung der Bestattungssitten im südöstlichen Niedersachsen von der jüngeren römischen Kaiserzeit bis zur Karolingerzeit — Rahden/​Westf.: Verlag Marie Leidorf, 2005

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.68706#0009
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Vorwort des Herausgebers

Die Landesmuseen spielen als Staatsarchive nichtschriftlicher
Geschichtsquellen in der archäologischen Denkmalpflege
Niedersachsens eine wichtige Rolle. Die riesigen hier bewahr-
ten Sammlungsbestände legen auch Zeugnis von der fort-
schreitenden Vernichtung archäologischer Fundstellen ab, die
vor ihrer Zerstörung durch Dokumentation und Bergung der
Bodenfunde für die Nachwelt gesichert wurden. In der Denk-
malpflege hat angesichts knapper Personal- und Finanzaus-
stattung immer die Rettung der Geschichtsquelle Vorrang,
während eine zeitnahe Auswertung der Grabungsergebnisse
aufgrund der Arbeitsbelastung der Ausgräber in der Regel auf
Vorberichte beschränkt bleiben muss. Dabei ist die Erschlies-
sung der geborgenen Quellen nicht nur von Forschungsinter-
esse, da insbesondere die Denkmalpflege weitergehender Aus-
wertungen von Grabungsergebnissen zur Justierung neuer
Fragestellungen und Methoden bedarf. Auch im musealen
Bereich fehlen für die wissenschaftliche Bearbeitung von Alt-
beständen personelle und finanzielle Kapazitäten. Und so geht
die Abteilung Ur- und Frühgeschichte des Braunschwei-
gischen Landesmuseums neue Wege bei der Erschließung der
Sammlungsobjekte, indem in erheblichem Maße Bearbei-
tungsthemen konzipiert und den archäologischen Universitäts-
instituten für akademische Abschlussarbeiten angeboten wer-
den.
Ein gelungenes Beispiel für eine solche Bearbeitung eines
Altgrabungskomplexes ist die vorliegende Marburger Disser-
tation von Babette Ludowici, die von Prof. Horst-Wilhelm
Böhme betreut wurde. Der völkerwanderungszeitliche Urnen-
friedhof im Waldstück „Ole Hai" im Elm wurde in den Jahren
1969 und 1970 in Teilen vom damaligen Kustos und Bezirks-
archäologen Dr. Franz Niquet archäologisch untersucht. Die
Fundstelle gehört zu den ältesten und forschungsgeschichtlich
bedeutsamsten des Braunschweiger Landes, die seit Mitte des
18. Jahrhunderts immer wieder Ziel von Aus- und Raubgra-
bungen war. Wenigstens ein Teil der seinerzeit gehobenen
zahllosen Urnen gelangte auf bisweilen kuriosen Wegen
schließlich in die Sammlung des Braunschweigischen Lan-
desmuseums.
Das Dissertationsprojekt schien gerade in Hinsicht auf die
bereits zu Beginn der neunziger Jahre vorgenommene Aus-
wertung des großen, zeitgleichen Friedhofes vom Pfingstberg
bei Helmstedt - ebenfalls durch Franz Niquet ausgegraben -
dringend erforderlich. Babette Ludowici bearbeitete nicht nur
die Altgrabung „Ole Hai", sondern wertete darüber hinaus
auch sämtliche frühgeschichtlichen Urnen- und Körpergräber-
friedhöfe des Braunschweiger Landes aus. Damit gehört der
historisch so bedeutende Zeitabschnitt vom späten 2. bis zum
8. Jahrhundert, der die beginnende germanische Offensive

gegen das Römische Reich, die germanischen Stammesver-
bandsgründungen, die Völkerwanderungszeit, die Herrschaft
des Thüringischen Königreichs, die Merowingerzeit und
schließlich die Eingliederung des braunschweigischen Landes
in den expandierenden sächsischen Stammesverband beinhal-
tete, zu dem am besten erforschten archäologischen Samm-
lungsbestand des Braunschweigischen Landesmuseums und
der Archäologie unseres Landes überhaupt.
Erst die flächendeckende Erfassung des Fundmaterials erlaub-
te es, die in dieser Differenziertheit kaum zu erwarten gewe-
sene chronologische Gliederung sowie eine darauf aufbauen-
de kulturgeographische, kulturhistorische und schließlich
historische Auswertung dieses Zeitabschnittes. Im Zeitalter
schwindender Quellen, in dem die meisten Urnenfriedhöfe
inzwischen dem Tiefpflug zum Opfer gefallen sind, wird die
nun vorliegende Forschungsarbeit einen bleibenden Wert
erhalten. Die Auswertung der frühgeschichtlichen Siedlungs-
funde dieses Raumes steht dagegen noch aus.
Die Drucklegung der Arbeit hat sich seit ihrem Abschluss
unverhältnismäßig lange hingezogen, da dem Braunschweigi-
schen Landesmuseum die dafür erforderlichen Mittel fehlten.
Wir freuen uns daher, dass dieses wichtige Werk nun in
Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen Landesamt für
Denkmalpflege in der vorliegenden Reihe erscheinen kann. In
Zeiten schwindender Personal- und Sachmittelressourcen ist
Kreativität und Flexibilität gefragt. So ist dieses Werk ein wei-
terer Beleg für den niedersächsischen Weg einer partner-
schaftlichen Zusammenarbeit im Institutionen-übergreifen-
den Archäologienetzwerk. Als die Entscheidung zur Aufnah-
me in die vorliegenden „Materialhefte zur Ur- und Früh-
geschichte Niedersachsens" getroffen wurde, waren bereits
wesentliche Teile der Druckvorstufe abgeschlossen. So er-
scheint der Text der vorliegenden Monographie abweichend
vom üblichen Layout dieser Reihe in der Gestaltung der „For-
schungen und Berichte des Braunschweigischen Landesmu-
seums".
Allen Beteiligten sei für ihre Mitarbeit herzlich gedankt.
Wolfenbüttel, im Februar 2005
Wolf-Dieter Steinmetz M.A.
Leiter der Abteilung Ur- und Frühgeschichte
Braunschweigisches Landesmuseum
Hannover, im Februar 2005
Dr. Henning Haßmann
Landesarchäologe

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