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Schwarz, Wolfgang; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Mitarb.]; Reimann, Heike [Bearb.]
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Band 49): Archäologische Funde aus dem Reiderland, Ldkr. Leer — Rahden/​Westf.: Verlag Marie Leidorf, 2016

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.68704#0025
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Jungsteinzeit (Neolithikum)

19

Aus diesen wenigen Beobachtungen darf ge-
schlossen werden, dass für die wildbeuterisch le-
benden Bewohner im Mesolithikum einerseits der
leichte Zugang zu einem Fließgewässer und ande-
rerseits die lichte, mit Gebüsch bewachsene Vegeta-
tionszone zwischen den weiten Hochmoorflächen
und den mit dichten Eichenmischwald bewachse-
nen Geestebenen wichtig waren (Schwarz 1999a,
40-41). Sie waren eine Folge des feuchtwarmen Kli-
mas im Atlantikums, das in den dreitausend Jahren,
etwa zwischen 7000 und 4000 v. Chr., die ostfriesi-
sche Geest mit einer geschlossenen Vegetationsde-
cke überzogen hatte und eine standorttreue, reiche
Tierwelt, wie Rotwild, Schwarzwild, Niederwild,
Vögel und Fische, ernährte. Im Reiderland wären
demnach die mesolithischen Plätze dort zu suchen,
wo ein Wasserlauf aus dem Hochmoor im Westen
oder Süden seinen Weg zur Ems-Flussniederung ge-
funden hatte.
Ein Beispiel dafür scheint der westlich von
Bunde unterhalb des Dollartkleis auf einer später
vermoorten Sandkuppe gelegene Fundplatz Bun-
derneuland (2809/2:29) zu sein (Abb. 3, 1-10; 4,
T2). Einzelne Feuersteinartefakte belegen weitere
Wohnplätze im südlichen Reiderland. Eine rü-
ckengestumpfte Klinge (Schwarz 2012, Kat.-Nr.
304.20 Taf. 6) wurde während der Grabung in Wee-
ner-Süder Hilgenholt (2809/6:39) entdeckt und
andere Fundstellen von Feuersteinartefakten fan-
den sich in Holtgaste (2710/7:3; Abb. 4, TI), Holt-
husen (2809/6:1; Abb. 4, T3) und Stapelmoor
(2809/9:2; Abb. 4, T6) in der Nähe der Wasserläufe
oder anderer feuchter Milieus. Jedoch füllte sich
das Emstal durch den enormen Anstieg des Mee-
resspiegels von 30 auf 4,5 m unter Normalnull mit
Flusssedimenten von rund 25 m Mächtigkeit (Beh-
RE 2003), wobei eine Vielzahl geeigneter Biotope,
die ein gutes Nahrungsangebot für wildbeuterisch
lebende Menschengruppen zum Fischen, zum Jagen
von Tieren und Sammeln von Meeres- und Wald-
früchten bereit hielten, unter meterdicken Schich-
ten verborgen wurden.
Auf den Sandböden im westlich benachbarten
Westerwolde und auf der Hunzevlakte ließ sich
eine dichte Belegung mit mesolithischen Fundstel-
len ermitteln, die nicht nur die Nähe zu den Was-
serläufen bevorzugte sondern auch, wie in Meiners-
fehn, auf die örtlichen Binnenseen ausgerichtet war
(Groenendijk 1997, 97). Da damals das Reiderland
noch nicht durch eine Moorbarriere von Wester-
wolde getrennt war, darf eine ähnlich dichte Be-
siedlung auch hier im Reiderland auf den geeigne-
ten Plätzen erwartet werden.

4.2 Jungsteinzeit (Neolithikum)
Das entscheidende Kennzeichen der Jungsteinzeit
ist die bäuerliche Wirtschaftsweise, die erstmals
von der Trichterbecherkultur, benannt nach einem
charakteristischen Gefäßtyp, auf den Sandböden
des nordwestdeutschen Flachlandes eingeführt wur-
de. Pflanzenanbau von Emmer, Einkorn, Gerste
und Lein sowie Viehhaltung von Rind, Schaf, Ziege
und Schwein bildeten die Nahrungsgrundlage. Die
Menschen der Trichterbecherkultur legten in Ost-
friesland Äcker und Felder auf den zuvor bewalde-
ten Geestplateaus an, anscheinend ohne zunächst
die an den Rändern der Wälder und an den Ufern
der Gewässer als Jäger, Fischer und Sammler leben-
den Ureinwohner zu stören.
Dieser bäuerlichen Kultivierungsmaßnahme der
Trichterbecherkultur im Neolithikum, die im 4. vor-
christlichen Jahrtausend begann, folgten im 3. Jahr-
tausend die Erweiterungen des Siedlungslandes
durch die Einzelgrabkultur im Spätneolithikum
(Abb. 2). Sie war wahrscheinlich teils durch Kultur-
wandel aus der Trichterbecherkultur und teils durch
Akkulturation und Assimilation der einheimischen
Wildbeuter entstanden und dauerte bis zur Bronze-
zeit an. Zudem wurden die Einflüsse der aus dem
Westen kommenden Glockenbecherkultur aufge-
nommen, die entwickelte Verfahren der Herstellung
von Metallgeräten bekannt machte und dadurch die
Lebensweise im Spätneolithikum modifizierte.
Die Umwälzungen der Lebensweise in der
Jungsteinzeit durch Aufnahme und Integration der
Wildbeuter, durch Einführung des Pfluges und der
frühen Metallbearbeitung brachte um 1800 v. Chr.
die homogene Kultur der frühen Bronzezeit hervor.
Zwar deutet die Bezeichnung Bronzezeit darauf
hin, dass schneidende Geräte, wie Messer und Beile,
schon aus Metall hergestellt und benutzt wurden,
aber sie waren in Ostfriesland, in dieser rohstofffer-
nen Gegend, rar. Daher blieb das ganze Gepräge der
bäuerlichen Kultur der frühen Bronzezeit spätneoli-
thisch. Sowohl die archäologischen Funde auf den
Siedlungsplätzen, also die Verwendung von kerami-
schen Gefäßen und hauptsächlich steinernen Werk-
zeugen, als auch die Lebens- und Wirtschaftsweise
lassen keine scharfe Grenzziehung zwischen Stein-
und Bronzezeit zu (Schwarz 1995a; 1999b, 44-53).
4.2.1 Neolithische Geräte und Werkzeuge
Der Katalog verzeichnet nur wenige Artefakte der
Trichterbecherkultur (Abb. 4). Bruchstücke von Na-
 
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