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Schwarz, Wolfgang; Reimann, Heike [Oth.]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Contr.]
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Band 49): Archäologische Funde aus dem Reiderland, Ldkr. Leer — Rahden/​Westf.: Verlag Marie Leidorf, 2016

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.68704#0046
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Späte Eisenzeit, Römische Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit

2a und 2b (Löbert 1982). In Gristede sind sie unter
den Leitformen des Horizontes 3 (Nortmann 1983)
vertreten und in den östlichen Niederlanden haben
sie die Bezeichnung Ruinen-Wommels II (Water-
bolk 1962; 1978) erhalten. Im Katalogbestand sind
Funde dieser Zeitspanne von den Fundplätzen Hat-
zum-Vulle Wier (Kat.-Nr. 32, 39), Hatzum-Boom-
borg (Kat.-Nr. 40), Jemgum 3 (Kat.-Nr. 51), Olden-
dorp-Fuchsgatt (Kat.-Nr. 73, 74), Weener-Hilgenholt
(Kat.-Nr. 129, 141, 142) und Weener (Kat.-Nr. 160)
bekannt.

6 Späte Eisenzeit, Römische Kaiser-
zeit und Völkerwanderungszeit
Die Siedlungsperiode der späten Vorrömischen Ei-
senzeit, der Römischen Kaiser- und der Völkerwan-
derungszeit dauerte etwa sechs- bis siebenhundert
Jahre und begann in Ostfriesland nach dem gra-
vierenden Wandel der Besiedlung im 4. und 3. vor-
christlichen Jahrhundert. Auf den Sandböden wird
er durch eine weit reichende Entsiedlung fassbar,
die sich augenfällig in dem Enden der Gräberfeld-
belegungen ausdrückte und wahrscheinlich auf ei-
ner Übernutzung der oszillierenden Hauptsiedlungs-
areale fußte (van Gijn / Waterbolk 1986; Schwarz
1995a, 180-185; 1999c).
In der Emsmarsch kennzeichnen Siedlungs-
verlegungen wie in Hatzum-Boomborg (Löbert
1982, 77-78) und auch Siedlungsabbrüche (Brandt
1984a) die geänderten Siedlungsstrukturen, die
teilweise auf den Wasserspiegelanstieg der Dünkir-
chen Ib-Transgression (Behre 2003) mit verstärk-
tem Salzwassereinfluss im nördlichen Reiderland
reagierten (Strahl 2003a). Die Neubesiedlung der
späten Eisenzeit und der Römischen Kaiserzeit
konzentrierte sich auf die Marsch und war intensi-
ver als in der Siedlungsperiode davor (Brandt
1984a). Auch die Siedler auf der Geest wählten die
Plätze aus, die leichten Zugang zu den Marschen
ermöglichten, wobei das Hinterland nur marginal,
wahrscheinlich nur für spezifische wirtschaftliche
Zwecke genutzt wurde (Schwarz 1999c; Helms /
Schwarz 2008).
Trotz des einschneidenden Siedlungswandels
in der mittleren Vorrömischen Eisenzeit laufen die
Typenserien der Gefäßformen ungebrochen durch.
Die S-Formen der Gefäßprofile, die bereits seit der
Bronzezeit bei der groben Gebrauchskeramik vor-
kommen, dominieren nun und zeigen eine allmäh-
liche, teils charakteristische Verkürzung beim Ge-

fäßoberteil, die zur späten Eisenzeit hin zunimmt.
Zwar lassen sich derartige Gefäßformen kaum en-
geren Zeitspannen zuweisen, hauptsächlich fehlen
dem 3. und dem 4. vorchristlichen Jahrhundert cha-
rakteristische Typen, aber im 1. Jahrhundert v. Chr.
und danach sorgen die Einflüsse aus den römischen
Provinzen für profiliertere Ränder, die dadurch
wieder leichter ansprechbar und datierbar sind.
6.1 Gefäßformen
Bauchige, teils kugelige Gefäßformen mit kurzen
Oberteilen bestimmen das Keramikinventar Ost-
frieslands der beiden letzten Stufen, Latene C und
D, der Vorrömischen Eisenzeit. Die S-Form der
kurzen Gefäßoberteile mit gerundeten oder waage-
recht abgestrichenen Rändern ist bei Einzelstücken
in der Regel nur schwer zeitlich genau ansprechbar.
Typologisch werden sie von ihren Vorgängerformen
hergeleitet. Die Gefäßtypen lc/d in dem Keramik-
komplex des jüngeren Fundhorizontes (Siedlungs-
horizont 6/7) von Hatzum-Boomborg stammen von
den Formen der älteren Eisenzeit la/b ab (Löbert
1982). Sie ähneln den Gefäßen des Typs Ruinen-
Wommels III der östlichen Niederlande, der sich
ebenfalls durch einen akzentuierten Halsansatz
des verkürzten Oberteils, aber nicht in derselben
Deutlichkeit auszeichnet und der in die 2. Hälfte
des 4. und ins 3. vorchristliche Jahrhundert datiert
werden kann (Waterbolk 1978).
Die Gemeinsamkeiten des jüngeren Fundhori-
zontes von Hatzum-Boomborg mit den Leitformen
des Horizontes 4 von Gristede (Nortmann 1983)
lassen sich jedoch nicht über diesen Gefäßtyp, son-
dern nur über den Typ 2c herstellen, der in der so
genannten, dreigliedrigen Terrine mit deutlich
durch Rillen abgesetztem Hals und Rand seine Ent-
sprechung findet. Dadurch ähneln sie zwar den Ty-
pen 1b von Hatzum-Boomborg und der Form Rui-
nen-Wommels II, deren formale Nachfolger sie zu
sein scheinen, unterscheiden sich aber durch die
deutlichere Profilierung der Oberteile und organi-
sche Magerung, die eher der Keramikgruppe 1 in
Einswarden der Spätlatenezeit entsprechen (Schmid
1957; Löbert 1982, 50-51).
Im Reiderland scheint der Einfluss dieser Ge-
fäßformen aber nur gering gewesen zu sein, da hier
die weiter entwickelten Formen der verkürzten
Oberteile der Gefäßtypen 4 bis 6 des jüngeren Fund-
horizontes von Hatzum-Boomborg vorherrschen
(Abb. 19, 1, 2). Sie gleichen vor allem dem Typ Rui-
nen-Wommels IV, der im 2. und 1. Jahrhundert
 
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