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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 147
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0587
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Landtagsverhandlungen.
Carlsruhe, 21. Juni. Dreizehnte öffentliche-Sitzung der zweiten Kummer
üm Dienstag unter dem Vorsitze des Präsidenten Bekk. Auf der Bank der Regie»
rung die großh. Regiernngskommiffäre, Finanzminister v. Boeckh, Staatsrath
v. Riidt und Ministerialrath Kühlenthal.
Der Präsident cröffnent der Kammer, daß der Abg. Fauth um einen Ur-
laub von einigen Wochen nachsuche, um eine Badrcise zu unternchcn. Bewilligt.
Der Abg. Bassermann übergibt eine Petition mehrerer israelitischen Einwohner von
Mannheim, Emanzipation der Israeliten betreffend. Der Abg. Welte übergibt
eine Eingabe der Wahlmänner von Constanz über die vom Abg. Trefurt gegen den
Abg. Mathp bei der Diskussion über die Wahl oes Letzteren erhobenen Beschuldi-
gungen. Staatsrats Frhr v. Nndt übergibt die Wahlakte» der Abg. Zittel,
Nettig und Gastroph. v. JHstein erinnert bei dieser Gelegenheit wiederholt an die
Wahlakten des Abg. Knenzcr und fragt, warum sie noch nicht übergeben seien, da
sie, dem Vernehmen nach, doch bereits cingelaufcn seien, und auch der Abg. Kucn-
zer seine unbedingte Annahme der Wahl erklärt habe. Sein baldiges Erscheinen
liege im Interesse vks Bezirks, der ein Recht habe, hier vertreten zu sein und im
Interesse der Kammer. Was die Urlaubsvcrwcigerung durch die Curie betreffe, so
wolle er in diese Frage nicht näher eingeben, sich blos mit der Bemerkung begnü-
gen, daß die Wirksamkeit des Abg. Knenzcr als Abgeordneter und die Theilnahme
am parlamentarischen Leben denselben nicht hindern werden, derselbe ausgezeichnete
Redner, Schulmann und Pfarrer zu sein, wie bisher, daß ferner die Curre, welche
Frieden zu stiften berufen sei, nicht Zwietracht werde säen wollen durch erneuerte
Anregung des Urlaubstreites, während die Regierung keinem Staatsdiener den Ur-
laub diesmal verweigert und so im Geist des Friedens und der Eintracht gehandelt
habe. Die protestantische Behörde habe dem Abg. Pfarrer Zittel den Urlaub ge-
geben; er, ein Katholik, freue sich, daß die protestantische Kirche ihren Vertreter
in diesem Hause habe, allein rbcnw nahe liege ihm der Wunsch, auch die Interes-
sen seiner Kirche durch einen Geistlichen derselben vertreten zu sehen. Die Regie-
rung möge sich daher bei der Curie für den Abg. Kucnzcr verwenden, und so bald
als möglich dessen Wahlakten verlegen.
StaatSrath Frhr. v. Nüdt: Der Herr Abg. v. Jtzstein hat zwar gesagt, in
die Frage nicht näher cingehrn zu wollen, hat sie aber doch erörtert. Ich kann
mich meinerseits nicht darauf cinlassen, thm in dieser Erörterung z,l folgen, und
nur so viel sagen, daß der Abg. Knenzcr gegen den Erlaß der Curie den Rekurs
an die Etaatsbehörde ergriffen hat. Bevor dieser Rekurs seine Erledigung durch
eine allerhöchste Entscheidung erhallen hat, kann die Uebergabe der Wahlakten nicht
stattfindcn:
Der Abg. Mathp legt der Kammer drei Aktenstücke vor, wovon das erste
rin Zeugniß der Staatskanzlci des Kantons Solothurn enthält, wonach der Herr
Abgeordnete kein Bürgerrecht in diesem Kanton hat; das zweite ein Zeugniß des
Herrn Roschi in Bern, daß derselbe keinen Theil an geheimen Verbindungen ge-
habt, und das dritte einen Auszug aus dem Tagsatzungsprotokoll über Zurück-
nahme der Verweisung aus der Schweiz.
Der Abg. Welcker bittet hierauf um das Wort: In der ersten Sitzung nach
definitiver Konstituirung der Kammer habe er dem Andenken des verstorbenen Abg.
Aschbach einige ehrende Worte gewidmet; die Kammer habe auf den Antrag des
Abg. v. Jtzstein sich dann erhoben, um ihre Beistimmung auszudrncken. Das
letztere Faktuni sei in der Carlsruhcr Zeitung und im Landtagsblotte wahrheitsge-
treu berichtet worden, während der Bericht in der Freiburger Zeitung mit einer
gewissen Geringschätzung, die Kir das Andenken, die Freunde und Hinterbliebenen
des Verstorbenen kränkend sei, die Sache abfertige, bemerkend, auf den Antrag des
Abg. v. Jtzstein hatten sich einige Mitglieder erhoben, nach der Carlsruher Zeitung
die Kammer. Die Thatsache sei falsch, der Zusatz ein boshafter Seitenblick auf die
Karlsruher Zeitung. Viele Mitglieder würden dies bestätigen. (Einige Mitglieder
der Kammer thun cs.) Das Gerücht schreibe einem Collegen des Verstorbenen die-
len freiburgcr Bericht zu; er seinerseits halte es ftir eine moralische Unmöglichkeit,
d-cs »er Fall sei. . , ,
""kr In meinem Berichte über diese Sache habe ich allerdings gesagt: die
Kammer habe sich erhoben, obwohl ich bemerkte, daß es nicht alle Mitglieder ge-
wesen sind; meiner Wahrnehmung nach ist es aber die Mehrheit gewesen, und da-
her habe ich chich des Ausdruckes: »die Kammer» bedient, weil man damit auch
immer die Minorität bezeichnet. Die Kammer beschließt, heißt: die Majorität be-
schließt; Einstimmigkeit ist nicht „bthjg. Daher war ich Z" diesem Ausdrucke be-
rechtigt. Was nun den Sinn jener Erhebung der Kammer betrifft, so haben wobl
nicht aste den damit verbünde», p.,ß sie dadurch ihre Uebercinstimniung mit den po-
litischen Grundsätzen des Verstorbene», oder dem ganzen Inhalte der Lobrede seines
Freundes an den Tag legen wollten; cs ist eine alte Sitte dieses Hauses, Collegen,
die der Tod aus unserer Mitte gerufen, einen ehrenden Nachruf zu widmen; cs ist
ein Akt der Pietät, der vollzogen wird; mm kann einem Tobten die letzte Ehre
erweisen, ohne damit ihn in allen Verhältnissen und Bestrebungen seines Lebens
gleich rühmcnswerth zu finden, oder gehalten zu sein, jedes Wort der Grabrede
als eigenes Urthcil gelten zu lassen.
Trefurt: Da er gewöbnlich die Berichte über die Verhandlungen der Kam-
mer nir die Freiburger Zeitung besorge, so werde wohl der, von welchem Welcker
hier spreche, auch aus seiner Feder kommen, es sei aber eine unbegründete Beschul-

digung, wenn man ihm hämische Seitenblicke auf andere Blätter andichtc; man
werde ihm nichts derartiges Nachweisen können; er überlasse das Urtheil hierin jedem
Leser des Blattes. Wahr sei es, daß er mitgetheilt habe, es hätten sich auf v.
Jtzstcin's Vorschlag mehrere Mitglieder des Haukes erhoben, und zwar aus dem
Grunde, weil, wie er bestimmt gesehen, auch mehrere sitzen blieben, und er sich
nicht nur nicht überzeugt habe, daß die Aufgestandenen die Mehrzahl waren, son-
dern weil er auch gar nicht glauben konnte, daß die Kammer in ibrer Mehrheit
der Meinung sei, dem verstorbenen Aschbach eine öffentliche Huldigung darzubrin-
gen, welche sie selbst ihrem hohen, ausgezeichneten Präsidenten Duttlinger nicht ge-
bracht. Er selbst sei damals sitzen geblieben, ohncrachtet er dem Verstorbenen in
mehrfacher Beziehung seine Achtung nie versagt; er sei sitzen geblieben, weil er un-
möglich in alles Lob, was der Abg. Welcker ausgesprochen hatte, und noch weni-
ger in die noch weiter getriebenen Lobpreisungen öffentlicher Blätter einstimmeip
konnte. Er hat cs damals unpassend gefunden, Widerspruch einzulcgen, würde es
aber eben so unpassend gehalten haben, in daS übertriebene Lob einzustinimcn,
denn seines Erachtens habe das Lob eines Jeden eine Gränze, über welche hinaus
dasselbe, besonders wenn cs von anders Gesinnten gespendet werde, als Sathrc
gelte! Dazu sei ihm aber der Moment zu ernst und der Verstorbene zu achtbar ge-
wesen, um dergleichen zu thun.
Hierauf begann die Discussion über den Bericht der Budget - Commission
das Ausschreiben der Steuern für die zweite Hälfte des Jahres 1842 betreffend,
Das Resultat der Verhandlung war, daß die Kammer mit 27 Stimmen gegen 24
der Regierung statt der geforderten halbjährigen Steuer vom 1. Juli bis 31. Dezbr.
L. I. nur die vier Monatsraten der directcn und indirecten Steuern aus den Mo-
naten Juli und August zugestanden hat. Die vollständige Discussion hierüber brin-
gen wir morgen.

Tagsbericht.
-k-j- Karlsruhe, 22. Juni. Der von dem Abg. Hrn. v. Jtzstein
angckündigte Antrag wegen der Regierungsrescripte und Circulare in
Betreff der D.putirtenwablen wird sicherm Vernehmen Freitags de» 1.
Juli d. I. stattfindcn. Wahrscheinlich werden die Berathungen hier-
über in derselben Sitzung vorgenoinmen werden.
Itastatt, 20. Mai. Das großh. bvchpreisliche Ministerium des
Innern hat durch Erlaß vom 3. d. M., Nr. L737, ausgesprochen:
„daß nach Len vorliegenden Gesetzen den Landwehrmännern in Beziehung
auf das Einrücken in den Allmenbgeuuß gleiche Rechte wie den in der
L nie gestandenen Soldaten zustehe." Dieses wird hiermit zur Nach-
achtunz bekannt gemacht. Großherzogliche Regierung des Mittelrheiu-
kreiieö.
Frnnkfnrt, 22. Juni. Ein uns zugekommener Bericht aus Go-
tha über den schon berichteten Unfall, welcher dort bei Aufrichtung
einer Ehrenpforte mehrere Arbeiter durch das Einstürzen des Gerüstes
zu derselben betroffen, gibt an, daß vier Zimmerlcute, die dabei be-
schäftigt waren, auf der Stelle erschlagen und viele andere lebensge-
fährlich verwundet worden seyen. Die Aufrichtung und das Zusammen-
stürzen des Gerüstes geschah im Beisepn vieler Zuschauer, deren Ge-
mütber mit Schrecken erfüllt wurden.
Coblenz, 20. Juni Der Zug der Auswanderer nach Nordamerika
nimmt seine Richtung setzt grvßcntheils über Köln und von da mit
Benutzung der fertigen Cisenbahnstrecke nach Antwerpen, von wo regel-
mäßig an bestimmten Tagen vorzüglich eingerichiete gekupscrte Schiffe
absegeln. Die belgische Regierung widmet diesen Fahnen ihre größte
Aufmerksamkeit, damit für die Reisenden in jeder Beziehung gesorgt
werde. Das Reisegeld, mit Benutzung der Kölnischen Dampfbovle, ist
von Coblenz bis New Jork auf 26 Tblr. ä Person festgesetzt!
Caffcl, 20. Juni. In Gemäßbeit eines Beschlusses kurfürstlichen
Ministeriums tcs Innern, wodurch von dem Studium der mebi-
cinischen Wisse lisch asten abgemahnt wird, macht vermittelst einer
Bekanntmachung das Ober Medicinal Collegium die Eltern und Vor-
münder derjenigen, welche sich der Arznelkunst oder Wundarzneikunde wid-
men wollen, darauf aufmerksam, daß die Zahl der Aerz e und Wund-
ärzte in Kurheffen fortwährend das Bedürfniß bei weitem übersteigt
und daß daher selbst diejenigen, welche den höheren Ansprüchen, die
man unter diesen Umständen bei den Prüfungen angehender Aerzte zu
machen genöthigt ist, vollkommen genügen, in der Folge nur dann aus
 
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