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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 147
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0588

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582

Zulassung zur Ausübung derselben rechnen können, wenn diese durch
vorkommende Erledigungen oder aus andern Rücksichten der Nothwen-
digkeit oder Nützlichkeit als zweckmäßig sich Herausstellen.
Bremen, 16. Juni. Gestern Mittag kehrte unser Linienmilitär
auf Wagen von Hamburg hierher zurück, nachdem es fünf Wochen
dort im Verein mit den Hamburger Truppen die Brandstätten bewacht.
Paris, 20. Juni. Telegraphische Depesche. Algier, 15.
Juni. Der Generalgouverneur von Algerien an den Kriegsminister.
In Folge-der letzten im Atlas ausgeführten Manöver hat man die
Unterwerfung der Stämme Beni-Sala, Mouzaja, Beni-Meffaoud,
Ssumata, Beni Menad, Chenoua, und aller Hatjoute» zu Stande ge-
bracht. Die Division von Oran ist im Marsch, um längst dem Cbe»
lif hinzuziehen; auch die von Algier in drei Colonnen getheilt setzt sich
in Bewegung.
— Auf der Versailler Eisenbahn (linkes Ufer) hat sich gestern das
Unglück erreignet, daß ein Heitzer — ein junger Mann von 25 Jah-
ren — sich aus Unvorsichtigkeit zu weit hinauslchme, das Gleichge-
wicht verlor, herabstürzte und von den über ihn weggehenden Nädern
der Waggons tödtlich verletzt wurde.
— Es sind für die neue Deputirtenka-mer 459 Mitglieder zu wäh-
len; die Zahl der Candidatcn zu Deputirrenstcllen beläuft sich schon auf
1500.
London, 18. Juni. Das Urtheil gegen Francis lautet, daß er
gehenkt mW dann, nach Lostrennung des Kopfes, geviertheilt werden
soll. Ob diese Sentenz zur Ausführung kommen werde — darüber
sind die Meinungen verschieden.
Brüffcl, 20. Juni. Der König und die Königin sind gestern
Nachmittags 1 Uhr mit einem Specialconvoi der Eisenbahn nach Ostende
abgereist. Sie werden sich an Bord des „Arricl" einschiffcn, um sich
nach London zu begeben. Die jungen Prinzen uud die Prinzessin sind
in Lecken geblieben. Ihre Maj. werden in ungefähr einem Monate
in Belgien wieder zurück sepn.
Zilcmse», 4. Juni. Der westliche Tbeil des Landes kann nun
als ganz unterworfen betrachtet werden. Die kabylische Bevölkerung
längs der marokkanischen Gebirgsgränze hat Geißeln gestellt u. der
Kaiser von Marokko Offiziere seiner Armee zu denn General Bngeaud
geschickt, die letzterem die Versicherung gegeben haben, daß der Kaiser
von den friedlichsten Gesinnungen gegen die Franzosen beseelt sei. Abd-
el-Kader soll die Richtung nach Constaniine genommcn haben, seine al-
tern Brüder und der inspirirte Marabut sind ihm in diese Provinz vor-
angegangen.

Das Irrenhaus zu Palermo.
(Fortsetzung.)
„Leider sind die jüngeren Söhne der sicilianischen Großen aber in
ihren gesellschaftlichen V-rbältniffen schlecht gestellt. Der Erstgeborne
ist bestimmt, die Ehre des Han es zu behaupten, und so fällt ihm auch
fast das ganze Vermögen zu. Dcßhalv fremen die beiden Väter sich
der Liebe von Constanze und Albano nicht, sondern waren viclmedr
darauf bedacht, dieselbe zu stören, und so wurde denn der arme Al-
bano unter dem Vorwände, daß er dort seine Studien beendigen solle,
nach Nom gesandt.
Albano reifete um so verzweiflungsvoller ab, als die Absicht seines
Vaters am Tage lag. Der arme Jüngling war dem geistlichen Stande
bestimmt, obwohl ihm sein oft geprüftes inneres Gefühl sagte, daß er
dazu durchaus keinen Beruf habe; aber, er mußte Folge leisten, denn
mau ist auf Sicilien auch dann noch um ein Jahrhundert zurück, daß
der väterliche Wille dort noch jetzt als eine heilige Sache gilt.
„Andrerseits war Albano kaum zu Rom angckommen und in sei-
nem Evllegium installirt, als der Graf La Bruca seiner Tochter er-
klärte, sie müsse den Gedanken, je Albano zu ehelichen, ausgkben, da
derselbe von ferner Familie dem geistlichen Stande bestimmt sei; dage-
gen hätte sie dessen älteren Bruder, Don Namiro, als ihren künftigen
Gatten zu betrachten.
„Don Namiro war ein schöner junger Mann von 25 bis 28 Jah-
ren, brav, elegant, geschickt in allen Arten Leibesübungen, und dem
sicher jedes Frauenzimmer Gerechtigkeit hätte widerfahren lassen, deren
Herz nicht schon zu Gunsten eines ander» eingenommen war. Aber
die Liebe ist eben so blind in ihrer Antipathie als in ihrer Sympathie.
Costanza zog die scheue Melancholie Albano's all dieser glänzenden Ei-
genschaften vor, und statt ihrem Vater für die für sie getroffene Wahl

zu danken, weinte sie so viel und so lange, daß ihr mindestens die
Frist eines vollen Jahres bewilligt warb.
„Einige Zeit nachdem, wo dieser Beschluß gefaßt worden war,
warb der Chevalier Bruni aufs directeste und formcllne um Ccmstan-
za's Hand, erhielt aber von dem Grusen La Bruca zur Antwort, er
bedauere auf die Ehre dieser Verbindung verzichten zu müsse,,, weil
seine Tochter schon dem ältesten Schn des Grafen Rizzari vrrlobt sei,
und man zur Vollziehung der Ehe selber nur die Zeit abwane, wo
Constcinza ihr achtzehntes Jahr erreicht haben würde.
„Der Chevalier zog ab, ohne ein Wort zu crwiedern, und es wur-
de dem Grafen von La Bruca von Personen, welche des Erst.ren ra-
che durstigen und düstern Charakter kannten, gerathen, auf seiner Hut
zu sein; aber es verstrich ein halbes Jahr, ohne daß man etwas von
von ihm gehört hätte, und nach dieser Zeit vernahm man, daß er nicht
allein den erhaltenen Korb verschmerzt zu haben scheine, sondern fast
öffentlich mu einer früheren Liebschaft des Don Ramiro lebe, die die-
ser aber von dem Augenblick seiner Verlobung mit Cvnstanza an auf-
gegeben habe.
„Es verstrichen noch fernere fünf Monate, und der von Costanza
selber anberaumte Termin war nahe; cs wurden Anstalten zur Hoch-
zsstsfeicr getroffen, und Don Ramico verreisete nach Neapel um dort
für seine Frau Geschenke einzukausen.
„Drei Tage darnach erfuhr man, daß Don Ramiro zwilchen Mi«
neo und Aulone von einer Räuberbande aufgefangen worden war. Von
zwei entschlossenen Dienern begleitet, und selbst von Mnthcs, hatte Don
Ramiro sich zur Wehr gesetzt, war aber, nachdem er zw i der Räuber
nicdergemacht, durch eine Kugel, die ihn mitten vor die Stirn getrof-
fen, auch gefallen, und der Eine seiner Diener verwundet worden;
der Zweite war indeß so glücklich gewesen, den Kugeln und der Ver-
folgung der Räuber zu entrinnen, und dieser war es denn auch, der
die Trauerkunde überbrachte.
„Die beiden Grafen warfen sich sofort mit all' ihrer Dienerschaft
zu Pferde, und schon den andern Tag, um die Mittagsstunde, waren
sie zu Minco. In diesem Dorfe fanden sie neben der Veiche seines tob-
ten Herrn den verwundeten treuen Diener vor; beide waren durch
Maulthicrtreiber, welche eine Stunde nach dem Anfall diese Straße
paffirten, dahin gebracht worden.
„Der Graf Rizzari dem nur eine Hoffnung blieb, die Hoffnung
der Rache erkundigte sich bei dem Verwundeten nach Allem, was chm
zur Aufsuchung der Mörder nützen konnte; er erhielt aber nur eine
sehr vage Auskunft, als: es waren der Räuber Sieben, und sie tru-
gen unstreitig zu idrer größeren Sicherung, aber gegen die Gewohnheit
sicilianischer Banditen, eine Maske vor dem Gesichte. Unter ihnen
war Einer so klein und dünn von Statur, daß der Verwundete ihn
für ein Frauenzimmer hielt. Als der junge Graf getövtet worden war,
hatte sich einer der Räuber seiner Leiche genäbrt, den kleinsten seiner
Kameraden herbeigewinkt, und ihn gefragt, ob es der Rechte sei, wo-
rauf jener mit einem lakonischen Ja geantwortet; dann wären beide
bei Seite gegangen, und hätten sich, nachdem sie einige Augenblicke
leise mit einander gesprochen, auf ein Paar Pferde geworfen, die ge-
sattelt und gezäumt in einem Felsenwinkel bereit gestanden, und wären
davon gejagt, eö den Uebrigen überlassend, den Inhalt der Taschen
und des Mantelsackes des jungen Grafen zu untersuchen.
„Der Verwundete hatte sich inzwischen todt gestellt, und da man
bei ihm als einen Domestiken natürlicher Wesse weniger als bei sei-
nem Herrn Geld vermuthete, so hatten die Räuber auch wohl schon
mit dem zufrieden, was sie bei dem Grafen gefunden, sich um ihn we-
nig bekümmert, ihm jedoch . r und seine geringe Baarschast ge-
nommen. Hiernach waren die Räuber ah und ins Gebirge gezogen,
wohin sie auch die Leichen ihrer beiden getödtelen Kameraden mitge-
nommen hatten. . cv,. .
„Ohne Aussicht, selber tue Räuber verfolgen zu können, überließen
die beiden Grafen dies der Polizei von Syracus und Catanea; diese
aber ermittelte nichts; und so blieben die Banditen unbestraft. Die
Leiche des Don Namiro aber wurde nach Catanea gebracht und dort
in den Gewölben seiner Vorfahren mit der ihr gebührenden Ehre bei-
gesetzt.
„So schrecklich dies Ercigniß nun auch für die beiden Familien war,
hatte es doch, wie Alles auf dieser Welt, neben seiner schlimmen auch
seine gute Seite: durch Ramiro's Tod war Albano der älteste männ-
liche Erbe geworden, und folglich für ihn nicht mehr die Rede davon.
 
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