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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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Sonntag, den 2. Januar.

1842,

Das Jahr 1841.
Das Buch^ der Geschichte ist um ein Blatt reicher. Eingebracht
ward in die Vorrathskammer der Erfahrung, was beim Strahl der
('cbenssonnc am Baume des Menschenthums in Jahresfrist reiste. Zum
Ernst mahnt der Rückblick, zur Sorge die Aussicht. Mit ungestörtem
Ohr die Wohlklänge zu vernehmen, die von unsichtbarer Hand der
Harfe der Zeit entlockt werden, ist Wenigen vergönnt. Die Meisten
klagen über Dissonanzen. Das mag daher kommen, weil die Gegen-
wart nicht verständlich ist, ohne die Vergangenheit, ohne eine durchge-
drungene Bildung, die den geistigen Sinn schärft. Betrachten wir (ge-
führt von dem Seher Novalis) die zwei Antagonismen, die den Ereig.
riissen und Gesinnungen des Tages ihre Färbung geben — die zwei
unvertilgbaren Mächte in der Menschenbrus:. Hier die Andacht zum
Allerthum, die Anhänglichkeit an die geschichtliche Verfassung (in lan-
ger Zeitreihe aus der Knospe entfaltet und fröhlich herangewachsen
trotz mancher Hcmmniß!) die Liebe zu den Denkmalen der Väter;
dort die Flamme der Freiheit, erhebender Gefühle Näherin, die ge-
spannte Erwartung weiter Wirkungskreise, die Lust am Neuen und
Jungen, die zwanglose Berührung mit allen Staatsgenossen, den de-
mokratischen Traum, den Stolz und Allgemeingültigkeit, das Festhal-
ten am persönlichen Recht. Keine dieser Mächte — so lautet der
Spruch des GeheimnißdeuterS — hoffe, die andere zu vernichten; alle
Eroberungen wollen hier nichts sagen, denn die innerste Hauptstadt
jedes Reichs liegt nicht hinter Erdwällen und läßt sich nicht erstürmen.
Auch das nun abgelaufcne Jahr, ließ dcise Antagonismen in bedeutenden Er-
scheinungen erkennen. Man denke nur an den Sieg des Conservatis-
mus in England und die Plane der Communisten in Frankreich. Reich
an Begerenhclten, hat jedoch 1841 mehr Verwickelungen gebracht als
gelöst. Wir stehen vor seiner Fülle, zum Bericht, nicht zum Urtheil,
berufen; aber der Blick auf die Geschichte des Tags wie des Jahrhun-
derts stattet das Wort unwillkührlich mit dem Kolcrit wenigstens der
Meinung aus. Durchgehen wir die europäische Geschwistersamilie von
dem Ruhepunkt der Jahresübcrsiedclung an, so zeigen sich uns die
Strebungen um Bewahrungen der Welttheilsruhe wohlthätig beharrlich,
und kaum in weiter Ferne durch Wetterwolken, die sich wohl auch
wieder verziehen, bedroht.

Im Innern der Staaten und Völker ergaben sich zum Theil sehr
denkwürdige Veränderungen, ja Umschwünge, aber die Erhaltung des
augenblicklichen Gleichgewichts gelang. Sollten wir daraus nicht die
Lehre ziehen, daß es ein unentbehrliches Mißtrauen in der Politik gibt,
das im Grunde von dem nicht minder nothwendigen Mißtrauen jedes
Einzelnen in sich herrührt und die Ueberschrcitungen des richtigen Ma-
sies im Selbstvertrauen — uns so leicht ankommend — wieder in die
^'Ate bringt? — Die Hauptspannung in der diplomvtischen Welt hat
sich durch die Ausgleichung der französischen Verhältnisse, somit durch
me Herstellung des fast zum Vierbunde gewordenen Fünfbundeö ge-
hoben; seitdem ruhen die besorgten Blicke der alten Europa vorzüglich
auf der incht mehr jungen und doch wiedcrzugebährendcn Levante.
tziu jugendlicher Staat verbirgt nicht seine Neigung, sich möglichst
zu emanziplren; aber die Nutritoren der auferstandenen Hellas weihen
sie den Friedeuskunsten, ^ welchen aber sic der nöthigen Ausdehnung
ihrer Grundlage zu entbehren behauptet. Hier und da scheinen auch
Auslandsfunkcn über den brennbaren Stoff zu sprühen. Gewiß ist
durch die Erfahrung frühere Z^en, ja der frühsten, daß in den Ver-
hältnissen der europäischen Türkei die Unvermeidlichkeit liegt, den jetzt
lautschreienden Mißton dieser Won- und Jdeenverbindung zu heben.
(Forts, folgt.)

Tagesbericht.
Iküppur, 30. Dez. In der Nacht vom 29. auf den 30. Dez.
kam in dem obern Theile der Scheuer des Christoph Conrath zu Rüppur
Feuer aus. Da die aus mehr als 200 Bürgern bestehende Gemeinde
nicht einmal eine Feuerspritze, sondern nur eine Handspritze besitzt,
konnte man ungeachtet der Windstille und des (Überflusses an Wasser
aus der dicht an der Brandstätte vorbeifließenden Alb des Feuers nicht
eher Meister werden, als bis die Scheuer ganz, und zwei daran an-
stoßende Wohnhäuser theilweise abgebrannt Ovaren.
Düsseldorf, 28. Dez. Wie sicher verlautet, wird Se. Maj. der
König auf seiner Rückreise aus London in einer jeden der Städte Aachen,
Eöln, Düsseldorf und Elberfeld Einen Tag verweilen. Wie bekannt,
hat sich Se. Maj. für die Hinreijc nach London alle Empfangsfeier-
lichkeiten verbeten.
Weimar, 29. Dez. Die hiesige Zeitung zeigt heute an: „Der
Vertrag, welcher zwischen Preußen, dem Kurfürstcnthum Hessen, Sach-
sen. Weimar-Eisenach und Sachsen Koburg-Gotha wegen einer Eisen-
bahn von Halle in der Richtung über Merseburg, Weißcnfels, Naum-
burg, Weimar, Erfurt, Gotha, Eisenach, Rothenburg Kassel und Frank-
furt a. M. eingeleitct war, ist am 20. d. M. zu Berlin unter-
zeichnet worden.
Hannover, 25. Dez Hier ist folgende Bekanntmachung erschie-
nen: „Da seit einiger Zeit, ungeachtet der unterm 10. Dez. 1839 er-
folgten Erneuerung früherer, zur Aufrechthaltung der Ordnung im
kön. Hoftheater erlassenen Verfügungen, von einem Theile des Pub-
likums durch unschickliches Rufe», Zischen, Pfeifen und Lärmen Unfug
getrieben ist, so sind geschärfte Maßregeln getroffen, um im Wi-
derholungssalle mit der nachdrücklichsten Strenge gegen die Ruhe-
störer zu verfahren. Hannover, den 23. Dez. 1841. Aus k. Ober-
Hof- Marschall-Amt e."
Paris, 29. Dez. In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer
ist Hr. Sauzet, zum Präsidenten gewählt worden. Von 309 Stim-
men waren 193 für Sauzet, nur 64 für Larmatine und 45 für
Odillon Barrot. Dieses erste Votum der Kammer ist von Bedeutung;
es zeigt, daß die ministerielle Majorität weder unter den Jntrigucn
der Opposition noch durch die plötzlich auf's Tapet gekommene Candi-
datur Lamartine's gelitten hat. Die conservatorische Partei hat zu er-
kennen gegeben, daß sie der Politik deö Cabinets vom 29. Oct. treu
bleiben will. Larmatine soll im letzten Augenblick seine Anhänger selbst
Veranlaßt haben, für Sauzet zu stimmen. Er war der Candidat der
Opposition geworden — eine Nolle, die er nicht wohl, ohne sich zu
compromittiren, bis zu Ende spielen konnte.
— Der National bestätigt die Nachricht von der den drei zum
Tod Verurthciltcn bewilligten Strafumwandlung. Die Debats dage-
gen versichern, cs sey noch kein Beschluß über diesen Punkt gefaßt.
(Die PrisatcorresponLenz meldet wiederholt als ganz bestimmt, es sei-
den drei Berurtheilten eröffnet worden, sie würden nicht hingerichtet
werden.) — J"st unv Colombier haben gestern um ein Verhör gebeten;
es heißt, sie hätten neue Geständnisse abgelegt; man vernimmt, daß
darauf hin mehrere Verhaftungen angcordnct wurden.
Lonvon, .27. Dez. Der Tag zu der Taufe des Prinzen vsn Wal-
lis ist nun auf den 25. Januar anberaumt.
— Der Mäkler Rapallo, der bei dem Schatzkammerschcine-Betrug
rompromittirt ist, und gewiß viel Aufschluß darüber hätte geben können,
ist nach Frankreich entwichen.
Nauplia, 29. Nov. Gestern fand die feierliche Enthüllung des
Monuments statt, das König Ludwig I. von Baiern den von der k.
baierischen Hülfsbrigade Verstorbenen errichten ließ — ein ruhender,
in den Felsen gehauener Löwe von den großartigsten Dimensionen.
Das Denkmal befindet sich der Stätte nahe, wo die Gräber der mei-
sten in Nauxlia verstorbenen Deutschen liegen.
 
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