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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 166
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1842




No. 166.


Samstag den 16. Juli.

Laiidtagsvcrhändlungeii.
Carlsruhe, 8 Juli. 19 öffentliche Sitzung der 2. Kammer. (schliss.)
Trcfurt. Die Abg. Sünder und Baffcrniann Huben mich besser verstunden,
als der Redner vor miri Ich habe den Wahlmännern einen solchen Vorwnrf nicht
gemacht, sonder» von der Richtung des Liberalismus im Allgemeinen gesprochen.
Die Belege finden sich in den Verhandlungen.
Frhr' v. Nndt. Es scheine, der Abg. Sander bereite seine Motion über die
Preßfreibeit vor, da nun schon zum Zweitemnale Bemerkungen gegen die Censur
gemacht wurden. Der letzten Bemerkung, daß manche Personen mehr unter dem
Schutze der Censur stehen, als andere, widerspreche er. Der Ccnwr habe nach be-
ster Ueberzeugnng seine Instruktion zu befolgen. Bestimmungen in Beziehung auf
Individuen bestehen nicht. Der Abg. Sander habe zwar dem Abg. Trcfurt wider-
sprochen, daß einer Partei mit Recht der Vorwnrf gemacht werden könne, daß sie
nur was von ibr ausgehe, für recht halte, Alles, was Tadel auf die Regierung
werfe, hervorhcbc, alles Andere aber verdamme. Allein gerade durch die weitere
Acnßernng, daß diese Partei sich früher unterdrückt gesehen, legt aber die Mehrheit
habe, und ihre Ansichten besser geltend machen könne als früher, scheine er die Be-
Wertung des Abg. Trefurt bestätigt zu haben.
Nettig äußert, daß diese Diskussion einen peinlichen Eindruck auf ihn gemacht
Hube und er werde wohl noch niedrere Leide,isbrüdcr in der Kammer haben. Das
Jachholcn von Wahlempfindlichkeiten sei ihm schmerzlich und um so betrübender,
als alle Angriffe von zwei entgegengesetzten Seiten ansgehen. Erst komme cm An-
griff gegen einen Wahimann, der seine Empfindlichkeit ausgesprochen, dann eine
Meihe von Empfindlichkeiten von Wahlniänner». Er inierrssirc sich weder für die
Weinheilncr, noch für dic Freiburger, noch für die Konstanzer Wahl, glaube aber
doch, cs wäre besser gewesen, die Empfindlichkeiten ans der Kammcr zu lassen.
Sander. Der Hr. Abgeordnete wird Gelegenheit haben, dasselbe Gefühl zu
ssinßcrn, wenn die von ihm übergebene Petition von den Schwctzinger Wahlmän-
tiern zur Beralbung kömmt.
Neltig. Ich vmrk von Wechlmänncr» von Konstanz, daß sic die Msindj^ess
.der Wahllnänner zur Sprache brachten, denn bei jener Petition^wird es Gelegen-
heit geben, den Abg. Sander daran zu erinnern. Die Angriffe gegen den Abg.
Trefurt bezogen sich aber nicht auf eine einzelne Aeußcrung, sondern man wollte
ihn als Feind der liberalen Gesinnungen darstellcn; in so fern muß ich ihn nach
„einer lnuigNcu llcberzcngnng in Schutz nehmen. — Der Redner fragt den Abg.
b-»wer, der geäußert habe, man habe früher nicht sprechen können, weil man nicht
dic Majorität hatte, ob den» der nicht sprechen könne, der in der Minorität sei.
Sander. Man bat Abstimmung gerufen.
Rettig kennt keine Majorität, so lange diskutirt wird, sondern erst nach der
Abstimmung in jedem einzelnen Fall. In unserer Kammer bestehe keine Mehrheit
von der man Voraussagen könne, man habe sie; der Abg. Sander habe auch nicht
überall die Mebrbeit, sondern erst dann, wenn sie ihm beitritt. Der Redner ^crin-
nert an den verstorbenen Minister Winter, der - »längst hier so sehr gelobt («tlm-
ancn: vcrglcichnngswcise gelobt!) früher aber "von denselben Männern hart
angerissen worden sei. Dieser habe einmal »nvillig gesagt: Alles waS sie tbnn
ist recht; aber wenn wir nur den dritten Theil von dem thun wollten, was sic tbnn,
so wäre Feuer im Dach! — Dasselbe hatte man heute wieder gehört.
Sander. Wen» ich nur im mindeste» den Schein einer Behauptung ausge-
stellt hätte, daß ich oder einige Personen in diesem Saale die Mehrheit haben, so
chatte der Abg. Rettig mit seinen Bemerkungen recht. So etwas zu behaupten,
kam mir aber nicht in den Sinn. Ich habe gesagt, die liberalen Ideen, so wie
ich und andere sie verstehe», hätten endlich die" Oberhand gewonnen, und daß man
dieses sagen kann, wird hoffentlich eine Esrc für diese Kammer, keineswegs aber
etwas sein, worüber der Abg. Nettig mit Grund zu seanealisiren hat.
Zittcl rechtfertigt die Petitions-Kommission gegen den Vorwnrf des Abg.
Trefurt, daß sie ein parteiisches ttrthcil gefällt habe. Die Kommission sei in ihrer
.rinsicht einstimmig gewesen, obgleich Männer von verschiedener politischer Farbe
'.darin sitzt-,,. Sie habe die Acußernng des Abg. Trcfurt: "Wenn sich der Abg. v.
> jtzstein den Triumph hätte versage» können, den Hrn. Mathp in Konstanz wählen
lassen" so gedeutet, wie man ihn in, ganzen Lande genommen habe. Wenn
inan sic anders ausicgen wolle, so könnte man auch den Sinn darin finden, der
Abg. rrcfnrt habe Hrn. Math» wählen lassen, weil er es znließ und nicht verhin-
derte. Dw Kommission habe nur den Konstanzcr Wahlniännern erlaubt, den Bor-
. Wurf, der ihnen gemacht wurde, jurückzuwciseii: dies sei dic Freiheit, die sic sich
"heransgeiiommen.»
Trcfurt entgegnet, er habe die Kommission nicht beschuldigt, daß ihr Urthetl
Parteiisch, sonder» nur, das es nicht hinlänglich begründet sei.
Gottschalk glaubt, daß sich ähnliche Diskussionen, die ihn anckeln, auf keine
andere Art abknrzen lassen, als wenn man den Herrn Präsidenten des Ministeriums
des Innern nein, Wort nehme, der versichert habe, die öffentlichen Blätter stünde»
zur Besprechung der Lanocsangelegenheiten Allen gleichmäßig offen, I», übrige»
, stellt cr ocn Antrag mit Gutheißung veS Verfahrens der Pctitionskoimnissivn dm
Schluß zu machen,
.. Frhr. v. Rüdt erinnert, er habe auf eine Amßerung des Abg. Sander ledig«
NP crwickert, er muffe cs als einen ungerechten Vorwurf betrachte», daß Einer
vor de,,, Andern durch die Censur günstiger behandelt werde.

v. Jtzstein. Wir sehen dies aber alle Tage.
Fror. v. Rüdt. Die Censur beruht auf Instruktionen, die für jeden Ceissvr
gleich sind. Es kann nicht vermieden werden, daß die Ccnsorci, darüber verschiede-
ne Ansichten haben; wenn viefalls rcknrrirt wird, so wird in angemessener Weise
entschieden.
v. Jtzstein. Die Instruktion, welche der Hr. Präsident des Ministeriums des
Jnncrn bei dem Antritte seines Amtes erlassen hat und wonach alle inneren Ange-
legenheiten besprochen werden dürfen, wird sündhafter Weise nicht gehalten. Wenn
der Hr. Präsident nicht mit Kraft cinschreitct, so gebe ich für seinen Trost mit dem
Rekurs gar nichts. Man streicht Artikel, die, wenn sic durch ReknrSbeschrid >4 Ta-
ge später erscheinen, keinen Werth mehr haben. Ich weiß, daß Aufsätze über die
> einfachsten Gemcindeangelegenheitm gestrichen wurden, bloß weil cs dem Censor
so gefallen hat, statt sich an seine Instruktion zu halten.
Welcker. Ich widerspreche dem Hrn. Präsidenten des Ministeriums des In-
nern. Eine neue Censnrinstruktion hat verboten, über Wahlsachen etwas aukz»-
nehmen. Nur gegen die Liberalen durfte man zu Felde ziehen.
Bassermänn. sich wollte einmal die Thatsache drucken lassen, daß der Abg.
Sander seinen Staatsdienst »iedcrlege, erhielt aber de» Bescheid, daß die Censur
»nd zwar ans neue Instruktionen hm, jede Mittheitung dieser Art verbiete.
Frhr. v. Rüdt. Ich spreche von dem gegenwärtig bestehenden Zustande und
da ist keine Instruktion bekannt, welche die ursprüngliche im mindesten abändert.
Daß die Anwendung bei verschiedenen Censoren verschieden ausfäll.t, ist natürlich;
da aber das Ministerium nicht berechtigt ist, die Ccnsnrinstrnktionm abzuändern
oder auszuheben, so bleibt nichts Anderes übrig, als der gesetzliche Weg des Re-
kurses.
v. Jtzstein. Wenn das Ministerium die Cchsnr nicht abschaffen kann odcr
will, so bleibt nichts übrig, als den Censoren, zu sagen: --Befolgt die Instruktion.
Wenn ihr es nicht thut, so werden wir mit ench reden.» Ein. solcher Betchl gebt
aber nicht hinaus, obgleich die Instruktion nicht befolgt wird.
Die Diskussion wird geschlossen. Gottschalk zieht seinen Antrag auf Gnt-
Heistung des Verfahrens der Pctiiiöiiskvnnnission zurück, da der Abg? Poffelt dir
-Bemerkung macht, daß ün Falle der Antrag nicht angenommen wurde, ei» Tadel
auf die Kommission falle.
Frhr. von Rüdt äußert in Bezug ans dic Interpellation des Abgeordneten v.
Jtzstein am Anfang der Sitzung, weg.a einer Verfügung, das Reisen der Akade-
miker in Heidelberg betreffend: Es habe sich bei mehreren Untersuchungen gegen
Zöglinge einer hiesigen hoher» Lehranstalt ergeben, daß sie in Verbindung mit Aka-
dcmi'ern in Heidelberg gestanden, die weitere Folgen hitte. Deshalb kei am 21.
Februar verfügt worden, daß während des Kurses kein Akademiker ohne Erlanbniß-
schcin des Univcrfitatsamtes seinen Aufenthalt hier nehmen dürfe. Diese Vorschrift
sei in den Univcrsistätsgesetzen begründet, wonach das Reisen der Studirenden all-
ster der Ferienzeit in der Regel nicht stattfinden und die Eriaubniß nur auf lHson-
.dcres Verlangen der Acitern gegeben werden solle. Man habe sich aber, da die
Entfernung von Heidelberg nicht groß sei, darauf beschränkt, zu bestimmen, dass
das UittversttätSamt den Urlaubsschein auSstellcn solle. Bei dieser Verfügung müsse
'es bleiben, denn sic sei in der allgemeinen Regel, daß die Akademiker ihre Vor-
lesungen nicht versäumen sollen, so wie in der Ersahrnng, die man hier bei einer
Lehranstalt gemacht habe begründet. Nach einer kurzen Erörterung zwischen dem
Abg. v. Jtzstein und dem Herrn Rcgierungskommlffär wird dieser Gegenstand ver-
lassen nnd die Sitzung geschlossen.

Carlsruhe, 8. Juli. 19. öffentliche Sitzung der 2. Kammer. Schluss
der
Motion dos Abg. Nettig ans Ginfsslnung einer Gewerbeordnung.
l'2.
Elste Regel. Jede Zunft hat das Recht, ans ihrer Mitte Vorsteher (Z u n f l-
,n ei st er) zur Leitung ihrer Angelegenheiten und Ueberwachnng ihrer Interessen aus län-
gere oder kürzere Zeit mit Staatsgenehmignng zn erwählen, sich alljährlich, oder
auch bei dringenden Veranlassungen außergewöhnlich zn versammeln, nm zn bera-
then und zn beschließen, was zu Förderung des Gewerbes im Allgemeinen, zu Er-
munterung der einzelnen Mitglieder und zn deren Schutz gegen Eingriffe geschehe,,
soll; sic hat in allen Zunftangelegenheitcn Korporationsrecht und kann sich durch
ihre Vorsteher oder einen Sachwalter — letzteres jedoch lediglich ans Kosten der
Einzelnen, welche den Beschluß fassen — bei den Behörden vertreten lassen.
Sie kann die Art des Gcwerbsbetriebs der Meister überwachen und darauf
halten, daß er ehrlich, anständig nnd nach Handwerksbra nch geführt werde,
auch in soweit auf das häusliche und sittliche Benehmen der Zunft nitglieder ein-
wirke», daß dadurch die Ehre der Zunft als Genossenschaft nicht gefährdet, sic viel-
mehr in gutem Stand und Ehre erhalten werde.
tz. 13.
Zwölfte Regel. „Kein zünftiges Gewerbe darf ans Rechnung des
Staates, einer Gemeinde oder andern Korporation betriebe» werden Abgesehen
drvon, daß ein solcher Betrieb wegen Mangels an Aussicht, wegen der unvermeid-
lichen Gehalte der Verwalter und des minder guten Willens der Arbeiter schlecht
besorgt wird, liegt darin auch eine unnatürliche, unnöthigc Schmälerung des bür-
gerlichen Nahrungsstandes, die leicht in eine Art von Monopol auSartel. Der
 
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