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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 218
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Donnerstag den 15. Septbr.

1842.



^o. 218.

LanVtagsvcrhandlungcn.
CarlSrube, 6. September. 5S. öffentliche Sitzung der 2. Kammer. (Schluß.)
Mordes fährt fort: Daß sich für einen Theil der Schwarzwälder Produkte,
wie namentlich für Uhren, dieser Vorschlag eigne, hat die Erfahrung bereits bestä-
tigt. Unausführbar bleibt er aber für einen großen Theil anderer Erzeugnisse, wie
insbesondere für Gewebe von Kleidungsstoffen, welche nur in kleineren Stücken ver-
fertigt werden, deßhalb für den Debit im Großen nicht paffen, sondern nur die be-
schränkteren Bedürfnisse des Landmannes zu befriedigen bestimmt sind, und diesem
von scher zugetragen werden. Eine urplötzliche Umwandlung dieser mit dem Volks-
sinnc verwachsenen Verkehrswege würde den Abnehmern aber so empfindlich fallen,
als die Nahrungsquellen der Produzenten bedrohen. Bei dieser Aussicht wird aber
die Regierung gewiß Bedenken tragen, nur den Gegnern des Haustrhandels Gehör
zu leihen und nicht auch oie Kehrseite des von der Kommission unterstützten Gesu-
ches zu vernehmen. Eben diese Unbefangenheit erwarte ich aber auch von Ihnen,
meine Herren! und schlage Ihnen darum vor, zu beschließen: ^
Daß über die Petition der Bewohner des Bezirksamtes St. Blästen rc. nicht
zur Tagesordnung übergegangen, sondern daß dieselbe, gleich den übrigen,
dem Großh. Staatsministerium zur geeigneten Berücksichtigung mit überme-
, sen werke.
Dabei muß ich dem Kommifsionsantrage auch noch in formeller Beziehung entge-
gen treten, wenn er der Regierung die Befugniß beilegt, die bestehenden Vorschrif-
ten über den Hausirhandel im Wege eines provisorischen Gesetzes, einer authenti-
schen Interpretation oder gar durch eine einfache Verordnung abzuändern. Der Hr.
Berichterstatter hat bei diesem Vorschläge übersehen, daß eü gegen die konstitutio-
nellen Interessen der Kammer verstößt, ein provisorisches Gesetz oder eine authenti-
sche Auslegung zu verlangen und sich damit im Voraus ihres Mitwirkungsrechtes
zu begeben. Am wenigsten wird diese Versammlung aber zugeben, daß ein Gesetz
wie jenes vom 21. September 1815 auf dem Verwaltungswege könne außer Wirk-
samkeit gesetzt werden. Bis zum nächsten Landtage mag die Regierung erwägen,
ob und welche Modifikationen iu der Rrgulirung des Haustrhandels zum Frommen
der allgemeinen Sicherheit und Moral etwa nothwendig erscheinen dürften, bis da-
hin aber nehme ich für die Petenten den Schutz deS dcrmaligen Gesetzes in An-
spruch und hoffe dabei auf Ihre Unterstützung.
Welcker tritt der Ansicht des Abg. Mordes bei.
Junghanns spricht den Schutz des Gesetzes für zwei Arten deS Hausirhan«
dels an; für den Handel des Landmanns mit den Produkten seines eigenen Kunst-
fleißes; dann für solche Maaren, die von Krämern selten gehalten werden, dem
Lanvmann aber nöthig sind, wie z. B. mit Eisenwaaren. Er glaubt daher, daß
man höchstens einen Antrag auf Revision des Hausirgcsetzes zur Abstellung von
Mißbräuchen beschließen sollte.
Bassermann ist ebenfalls gegen die unbedingte Aufhebung des Haustrhandels,
macht aber bei dieser Gelegenheit auf Unterschiede aufmerksam, welche in den ver-
schiedenen Zollvereinsstaaten bestehen. In Mannheim z. B. dürfen würtembcrgischc
Flößer, Kohlenschiffer aus Preußen centnerweise und bordweise verkaufe», was Ba-
densern in andern Vcrcinländern nicht erlaubt ist. Er fragt den Hrn. Negierungs«
kommiffär, ob diese, wie die jüngst gerügte Ungleichheit nicht durch den versammele
ten Zollkongreß gehoben werden wird. Zm klebrigen entgegnet er dem Abg. He-
cker, daß wenn er die Privatleute vor den Handelsreisenden schützen wolle, diese po-
lizeiliche Bevormundung doch zu weit gehe.
Sander ist der Meinung, daß der Zustand, wie er jetzt besteht, nicht dauern
kann; cs wird mit Sachen haustrt, woran man früher nicht dachte, z. B. von Buch-
händlern von denen man mit Druckschriften und Kunstgegenständen aller Art geplagt
werde. Uebrigens theilt er die Ansichten der Abg. Baffermann und Mordes gegen
unbedingtes Verbot. Was die Petitionen gegen den Besuch der Wochenmärkte in
den Baden-Badischen Städten durch auswärtige Handelsleute betrifft, so sei derselbe
nur solchen aus den Baden-Badischen Aemtcrn gestattet und die Verordnung von
1716 sei so gss und eingebürgert, daß man nicht gerade ihre Aufhebung in Antrag
bringen sollte. Der Redner verbreitet sich ausführlich über diese die Städte Gerns-
bach, Steinbach und Baden und die Interessen der dortigen Kaufleute sehr nahe
berührenden Verhältnisse und trägt darauf an, über den Gegenstand entweder zur
Tagesordnung zu schreiten, oder die Petitionen dem Staatsministerium nur zur
Kenntnißnahme zu überweisen.
Jörg er unterstützt diesen Antrag; in Betreff des Haustrhandels, der ins Un-
verschämte getrieben werde, sei dagegen Abhülfe nöthig.
Fauth schließt sich den Ansichten der Abg. Mördes und JunghannS an. Eine
wohlthätige Beschränkung wäre das Verbot des Musterausbietcns durch ausländi-
sche Kaufleute, womit große Mißbräuche getrieben werden.
Geh. Res. Eichrodt bemerkt dem Abg. Baffermann, daß über die Verhält-
nisse der badischen Handelsleute in den andern Bereinsstaaten und umgekehrt na-
mentlich über den Begriff der Reziprozität schon vielfache Verhandlungen gepflogen
"mrdcn sind, welche hoffentlich bald zu einem befriedigenden Ziele führen werden.
Baum vertheidigt die Anträge der Kommission.
Geh. Ref. Eichrodt bemerkt, daß die Regierung die Bestimmungen der Ge»
setze zu beachten und den Hausirhandel in seinen gesetzlichen Schranken zu halten
sich bemühe; weitere Beschränkungen, namentlich für den Schwarzwald und Oden-

wald seien nicht zu wünschen. Hinsichtlich des Musteranbictens könne die Regierung
nichts ändern, da Vertragsbestimmungen für die Bereinsstaaten vorliegen.
Mördes. Diese trostreiche Zusage von der Ministerbank wird in den Wald-
gegenden freundlich widerhallen und dort den lebendigsten Dank Hervorrufen, den
ich meinerseits gleich heute Namens der Bctheikigten hiemit aussprechen will.
Der Antrag auf eine Adresse wegen unbedingter Aufhebung des Haustrhandels
wird verworfen; dagegen wird der Antrag des Abg. Mörbcö, sämmtliche Petitio-
nen dem Staatsministerium zur Kenntnißnahme zu überweisen angenommen. End-
lich wiro der Antrag des Abg. Baum, einen Zusatz anzufügen, es möge basHau-
sircn bei Privaten durch Vorzeigen von Mustern und daS Haustren der Schneider
verboten werden — angenommen. Der Antrag: das Hofrathöreskript von 17t6
über den Besuch der Baden-Badischen Wochenmärkte anfzuheben wird verworfen
und nach dein Vorschlag des Abg. Sander zur Tagesordnung geschritten.
2) Zur Bitte des Melchior Hehn von Grünsfeldzimmern, Beschwerden gegen
das Bezirksamt Gerlachsheim betr. - Tagesordnung.
3) lieber die Bitte der Gemeinden des Amts Borberg, um Rückvergütung Pfäl-
zischer Kriegsschulden. — Tagesordnung, wegen Mangel an Empörung.
4) Neue Bitte des Frhr. v. Drais, die Beurkundung der Abstimmungen der
Richter betr. — Tagesordnung.
MördeS glaubt, daß sich dieser Petition eine ernste Seite abgewinncn lasse,
indem ihre Absicht sei, eine größere Garantie für gründlich motivirte Abstimmungen
zu erlangen. Dieser Gegenstand werde bei künftiger Berathung des Strafgesetzes
zur Erwägung kommen.
Gerbet theilt diese Ansicht und bemerkt, daß die öffentliche Verhandlung in
Civilsachcn oft vergeblich wird, weil cs sich häufig zeigt, daß von allen öffentlichen
Vorträgen die Referenten nichts beachten, weil sie sich lediglich an ihre, vorher nach
den Akten nicdergeschriebenen Aufzeichnungen halten.
,5) Beschwerde des Müllers Mcdhammcr, Amts Bühl, gegen den Fiskus.
Empfehlende Uebcrweisung an daS Großh. Staatsministerium, welche von den Abg.
Rettig und Junghanns, so wie von dem Hrn. Rcgierungökommiffär bestritten, von
Sander, Richter, Hecker, Rindeschwendcr und Mördes vertheidigt und von der Kam-
mer angenommen wird.
8) Zur Bitte der Gemeinde St. Margen, Zehntlastenkapital betr. — Der Ge-
genstand ist durch die Beschlüsse über die von der ersten Kammer beschlossene Adresse
über Zchntverhältniffe erledigt und deshalb geht der Antrag auf Tagesordnung.
Bissing berichtet über die Bitte des Taglöhners Röttmann in Gengenbach,
Ansprüche an den Spitalfond daselbst betr. — Tagesordnung.
2) Zu 3 Petitionen der Gemeinden Ober- und llnterlenzkirch II. s. w., daS
Pflanzen der Landstraßen mit Obstbänmcn betr. — Ueberweisung an das Großh.
Staatsministerium zur Kenntnißnahme bezüglich auf das zu erwartende S.caßenge.
setz. In Bezug auf die Vizinalstraßcn soll das Bepflanzen mit Bäumen dem Er-
messen der Gemeinden überlassen werden.
Die Abg. Welcker, Gottschalk, Rcichenbach, Fauth unp Mördes äu-
ßern sich über diesen Gegenstand, worauf der Kommisstonsantrag angenommen und,
nachdem der Abg. Lcibleiu noch über zwei unbedeutende Petitionen berichtet, die
Sitzung geschloffen wird.

Nachtrag
zur 54. öffentlichen Sitzung der 2. Kammer vom 2. September, die Motion we^en
Preßfreiheit betreffend.
- (Fortsetzung.)
Welcker fährt fort:
Deutschland wird erst dann frei sein, wenn es eine freie Presse hat. Ich sage
aber ferner: Deutschland wird Preßfreiheit haben, wenn es frei wird, und diese
38 Millionen sollen, müssen und werden frei sein, und sie werden also eine freie
Presse haben. Die Frage ist nur die, ob die freie Presse und die Freiheit auf dem
Wege der Gesetzlichkeit und der Treue gewonnen werden, ob ffe die Unterthanen
ihren Regenten verdanken sollen, als die Vollziehung des Fürstenwortes, das in
Wien gegeben wurde, als cs sich von der Abwertung der drückendsten Schmach han-
delte, die auf der deutschen Nation lastete. Die Frage ist, ob die Throne, ob die
öffentliche Ordnung mit dieser entstehenden Freiheit Hand in Hand gehen werden.
Allein dann müssen auch die Regierungen jetzt, wo die Kultur und Wissenschaft
fortschreitet, wo die Eisenbahnen die Menschen schnell in Verbindung bringen, wo
das Gefühl der Schmach über unterdrückte Wahrheit auf den Gemüthern lastet und
der Wunsch frei zu sein, immer kräftiger wird, sich nicht mit allzu langsamen
Schritten bewegen, sondern denken, daß die Throne nur auf Recht und Treue ru-
hen. Wir wollen Recht und Treue und darum fordern wir Preßfreiheit.
Hecker: Wenn unser Ruf nach Erfüllung des 18- Artikels immer noch nicht
erhört worden ist, so dürfen wir dennoch nicht müde werden, dasjenige zu fordern,
was uns als Menschen zusteht, was uns von dem Rath der Fürsten besprochen
worden ist, als mit dem Blute der deutschen Völker die Fürstenthrone von dem
schmachvollen Joche Napoleons befreit und wieder festgestellt wurden. Jeden Tag
Hort man die großen Worte rufen: Deutsche Nationalität; jeden Tag spricht man
von dem Nationalbewußtsein der Deutschen, welches geweckt werden soll, damit daS
deutsche Volk in seinem Selbstbewußtsein als ein glänzender, gediegener Heerschitd
 
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