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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 202
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0823

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Xo. 202

Samstag den 27. August.

1842

LmidtagsNcrhandluttgcn.
Carlsrnhe, lg. Aug. 41. öffentl. Sitzung der 2. Kammer. (Fortsetzung.)
Saurer fährt fort: Der Abg. Böhme wird selbst wobt 'wissen, rast a» ihn
als Beamten die Weisung crgicng, für eie Negierung zu wirken und tbätig zu sein.
Wenn dicß der Fall war, wie cs sich auch unwidersprcchlich bei ren Wahlen kund
gcthan hat, daß die Beamten mit der Kraft des öffentlichen Dienstes cinwirkcn
sollten, so hatten wir gewiß recht, wenn wir sagten, diese Rcscripte fordern die
Beamten auf, mit rer öffentlichen Dienstgewalt auf die Wahlen cinzuwirkcn, und
wenn dies im Recht der Ncglerung^liegt, so gicbt es keine wahre Volksvertretung
mehr, sondern cs wird in diesem Saal Komödie gespielt und weiter nichts.
Böhme. Der Abg. Sander hat vermöge der Kunst, die ihm gegeben ist,
meine Worte so verdreht, daß ich fast nichts mehr von demjenigen finde, was ich
gesagt habe. Er hat einen Gegner bekämpft, der nicht da ist, und wenn er mich
sagen läßt, ich unterscheide zwischen einer Volks- und Regierungspartei, so ist er
abermals im Frrthum. 2ch habe andere Parteien bezeichnet, wie die übrigen
Mitglieder der Kammer wobt gehört haben werden, und daraus, daß die eine Par-
tci sich mit den guten Bestrebungen der Regierung vereinigt, folgt nicht, daß sie
emc abhängige Partei ist, zu welcher sie der Abg. Sander stempeln will. Ich for-
dere tur die Staatsdrencr das Recht, auf die Wahlen zu wirken, jedoch nur so,
wie cs den übrigen Burgern auch zusteht, und blos dieses ist hier geschehen. Die
Vorwürfe, die der Abg. Sander hieraus adstrahirt, flnv unbegründet, und ich habe
ibm nur noch eine Behauptung zu widersprechen, daß nämlich außer den offiziell
erlassenen Rescripten auch noch andere Verfügungen an die Beamten ergangen
seien. Diese Behauptung ist unbegründet, denn ich wenigstens habe nichts weiter
erhalten, als was iu den Zeitungen zu tefen war.
Sander. Ich bin zu sehr gewohnt, daß wenn ich eine Meinung zu widerle-
gen suche, man von mir sagt, ich hätte die andere Meinung verdreht. Ich weiß
aber auch wohl, daß die Verdächtigung einer Ansicht ein bequemes Widerlegung^-
mittel ist.
Böhme. Die Kammer wird über dasjenige urtheilcn, was ich gesagt habe.
Zittel. Es ist keine freudige Pflicht, hier in dieser Sache zu sprechen. ES
ist auch kein Partei-Interesse, das mich hiezu bewegt, denn ich kann mir das Zcug-
niß geben, daß ich davon frei bin. Wer kann aber auf den gegenwärtigen Zu-
stand des Landes, der wahrlich kein gedcibtichcr ist, Hinblicken, ohne sich über diesen
Zustand hier auszusprcchcn! Man ist in den bisherigen Reden, die.jene Ministe-
rialrescriptc vcrthcidigcn, davon auSgcgangen, eaß sich die Negierung in einem
gewissen Nottzstand gegenüber von einer ihr feindseligen Partei befunden habe, und
daß sie eben deshalb gedrungen gewesen sei, auf die Wahlen selbst eiuzuwirken,
weil sic sonst der Gegenpartei den Sieg in die Hände gebe. Ich glaube das Ge-
gentbcil, und die Thai bat bewiesen, daß dem nicht so ist. Ich will mich hier nur
auf die Frage beschränken, ob die Mittel, die man gebraucht hat, um im Sinne
^ '' ' ' .. durch
die

_ ....... hineinzuzichcn?
Denn als Diener der Kirche find ffe hinein gezogen worden und nicht als Staats-
bürger, indem sonst diese Nescripte an alle Staatsbürger überhaupt hatten gerich-
tet werden müssen. Es beruht dieses Verfahren gewiß auf einer Verkennung ihrer
Stellung. Warum find diese Männer hier auf einmal Staatsdicncr geworden, da
sie cs sonst doch nicht find, und nicht als solche anerkannt werden? Sie haben
allerdings auch als Diener der Kirche einen Anthcil an diesen politischen Kämpfen.
Dieser Anthcil ist aber der, daß sie den Geist der Humanität, die Achtung der
Wahrheit und des Rechts in alle Parteien hinein ZU bringen suchen, daß alle Par-
teien ohne selbstsüchtige Leidenschaften allein das Wohl ihres Vaterlandes im Augo
bchalten und nur ihrer Ueberzeuguiig folgen. DieS ist, was ihnen als Dienern
0er Kirche zukömmt. Treten sie selbst wirksam in das politische Leben, dann tbun
B ^ kür sich als Bürger des Staats,' allein hincingcstoßcn können und dürfen sie
^"°en von einer Behörde, weil sic dadurch aüs ibrcr rechten Stellung dem
gegenüber gerissen werden und weil sie hier im Sinne einer Partei wirken
charen fft auch alleroings aufgcfordcrt, wenn man ihnen sagte, sie
,ollen rahm wirken, daß die Etnunddrctßig nicht gewählt werden. Ich frage ferner,
vb VW Art und Wesse recht war, wie jene Rcscripte vollzogen worden sind.
Es ist hierüber schon viel gesagt worden, und ich beschränke mich'darauf, nur
Weniges beizilfugen, was mir gerade zunächst gelegen ist. Ich muß aber dabei
bemerken, daß alle iene Schritte eben gerade der Regierung selbst hcimfallcn, denn
Ke ist die Veranlassung dazu, so wie z» Allem, was in jenen Rescripten liegt. Alle
diese Schritte sind bis zur Stunde als gerechtfertigt dargcstellt worden.
War es aber recht, ,0 könnte ich fragen, den sinstern kirchlichen Fanatismus,
dieses Gespenst der Vergangenheit hervorzurufen, um gegen die Wahl eines Geist-
lichen in einem Bezirk, der einer andern Confcssion angehörtc, z„ wirken? War
es recht, den geheiligten Namen des Fürsten in einem andern Bezirk in Liese Sache
bmein zu ziehen? Wenn ein Mann in einem Bezirke genau gekannt ist, und das
voiie Vertrauen seiner Mitbür' r in demselben besitzt, wenn er in seinem Charak«
Pa steht, so frage ich, ob cs recht ist, daß man die Wahl desselben da-
k,« ^"bern sucht, daß man sagt, der Fürst will ihn nicht? Fühlen Sic nicht,
Name des Fürsten auf eine bedenkliche Weise hincingezogcn ist? Recht
-zt es, wenn die Männer der Negierung die Rechte der Krone fest vertheidigen und

nicht davon ablasscn; allein in dieser Krone sind Liebe und Treue des Volks die
schönsten und kostbarsten Perlen und mit diesen darf nie gespielt werden. DaS Volk
hat sich hierbei bieder unv treu benommen, wie cs immer ist. Es wählte nach sei-
nem Sinn treu seiner Uebcrzcugung. Es zeigte aber auch bald darnach in ei-
nem sehr liebevollen Entgegenkommen dem Fürsten, daß in allen diesen Kämpft"!
und Stürmen Treue und Liebe zu Seiner Person und Seiner Familie nicht im
mindesten erschüttert wurden. Beklagenswert- ist cS allerdings, daß auch cicses
wieder auf eine irrige Weise gedeutet wurde, indcui^man daraus ableitcn wollte,
daß die ganze Aufregung unter dem 'Volk bloß die Sache einer Partei wäre. Was
wäre dicß aber für ein Volk, das von einigen hundert Männern blindlings am
Gängelband geführt werden könnte; aber auch was für eine Regierung müßte did
sein, so muß ich frage», die ihr ganzes Gewicht, das Gewicht ihrer Verwaltung
und ihr moralisches Gewicht in eine Wagschale legte und doch unterliegen sollte
gegenüber der Einwirkung einiger wenigen Männer? Wie kommt es, daß man das-
nige immer und immer mißkcnnt, was doch so einfach und klar ist? Bei dem Re-
gierungsantritt unsers Fürsten wurde die Verfassung eine Wahrheit, und ich be-
diene mich dieses Ausdrucks, wie er damals so oft und vielfach gebraucht wurde.
Es ist Ließ auch in so fern mizweifelhaft, als sie von jener Zeit an in das Leben
des Volkes wirklich erst cingetretcn ist. Die Verfassung ist dem Volke lieb gewor-
den, wäre es auch nur darum, weil cs darin eine Garantie findet, daß es seine
Wünsche, Hoffnungen, Besorgnisse und Bedürfnisse durch frei gewählte Vertreter
dem Throne des Fürste» nahe bringen kann. Das Volk fühlt aber auch, daß diese
ganze Verfassung keinen Werth haben würde, wenn nicht eine volle und unvcrküm-
mcrte Wahlfreihcit die Grundlage derselben wäre. Man mag nun sagen, was man
will, so hat das Volk seine Wahlfreihiit gefährdet gefunden, von den Urlaubsvcr-
Weigerungen an, durch alle weiteren Schritte, die Kammerauflösunz, die Versetzun-
gen, die Reseripte und die Schritte der Beamten. In allem diesem sah das Volk
wenigstens ein Grund zu fürchten, daß es in seiner Wablsreiheit gestört worden
sei. Liese Wahlfreihcit ist ihm unendlich theuer und daher kommt die unglück'eligc
Stimmung und Spannung, wie sie jetzt leiocr vorhanden ist, und wie sie sorrbc-
steht, weil auch nichts von allem demjenigen zurück genommen wird, was die Mi-
nister gcthan hake», weil dieselbe Richtung inne gehalten wird und uns noch kein
Wort gesagt wurde, woraus wir die Hoffnung schöpfen könnten, daß diese Richtung
sich je ändern werde. Ist es aber nicht ein »»glückseliger Zustand, wenn sich eine
solche Scheidewand zwischen die Regierung und das Volk, besonders in dieser Kam-
mer gedrängt hat? Was kann unter solchen Umständen Gutes gedeihen? Die Ne.
gicrung sicht mit Mißtrauen auf die Kammer, von der sie glaubt, daß die Mehr-
heit derselben nur das Organ einer ihr feindseligen Partei sei, während anderer-
seits die Kammer in dieser Stellung zu der Negierung und besonders im Hinblick
darauf, daß die Mehrheit der Mitglieder gegen ras offenbare Ankämpfen der Re-
gierung gewählt wurde, selbst wieder nur mit Mißtrauen dorthin sieht. Die Re -
gierung sieht eben so, wie nicht zu laugncu ist, mit Mißtrauen auf ieden Schritt
und jede Bewegung unter dem Volk und wiederum das Volk mit Mißtrauen auf
die Schritte der Regierung. Wir können leider diesen Zustand nicht ändern; allein
aussprechcn müssen wir denselben, damit ihn Diejenige» erfahren, die ibn ändern
können. Das ist eben der Zweck der heutigen Verhandlung, und ich fühle mich
darum durch mein Gewissen dazu gedrängt, den CommisflonSantrag zu unterstützen.
Vogelmann. Ich habe anfangs nicht im Sinne gehabt, an der heutigen
Diskussion Thcii zu nehmen; allein einige Redner vor mir haben auf den morali-
schen Zustand unseres Landes und unseres Volkes hingcwicsen unv insbesondere be-
merkt, daß derselbe nur eine Folge des Benehmens der Minister und der Ministe-
rialrescripte seie. Diese Aeußcrungen allein haben mich veranlaßt, das Wort zu
ergreifen. Auch ich gehöre zu Denjenigen, die gewünscht hätten, daß die Ministc-
rialrescripte nicht erlassen worden wären. Dieselben find nach allen Richtungen
benutzt worden, und eine auf sie gefolgte Aufregung ist nicht verkennberr. O b aber
diese Aufregung lediglich von den Rescripten her kam oder auch noch andere Quel-
len habe, ist gerade die Frage, die ich erörtern will. Wir müssen, meine Herren,
die Quellen genau prüfen u»o nicht eine einzige vergessen. Darum muß ich zu-
vörderst darauf aufmerksam machen, daß mir, wie vielleicht nicht alle» Mitgliedern
dieses Hauses, Schriften zukamen, die ganz bestimmt auch geeignet waren Aufre-
gung zu verbreiten; eine Schrift mit dem Titel -die Elsässer aii die badischen Bür-
ger,» ferner »die Hochburg im Frühjahr 18)2,» ferner die Nr. 19 des Nbeinbotcn,
worin geradezu förmliche Drohungen und Aufforderungen zum Widerstand enthal-
ten sind, ferner eine Flugschrift mit dem Motto: »Freiheit, Gleichheit, Humanität» ,
und diese Flugschrift enthält die revolutionäre Verfassung des NationalconventS von
1793 mit Erläuterungen. Sie schildert die Fürsten als Tprannen und entwickelt
wahrhaft jakobinische Grundsätze. Wer diese Schriften verfaßt hat, weiß ick nicht
und kann es auch nicht untersuchen. Klar ist mir aber so viel, daß die Minister
an diesen Schriften keinen Thetl haben. Thatsache ist eS ferner, dag die Schriften
verbreitet wurden und überall, wo sic hintamen, eine sehr große Aufregung vcrur
sachten. So viel über diese eine Quelle. Ich weiß aber noch eine andere und
diese ist von der Art, daß sie, wenn sie hier zur öffentlichen Äerminisi gebracht
wird, durch die Kammer selbst verstopft werden kann. Es ist Lieg die Quelle der
falschen Gerüchte und der unwahren Nachrichten. Es ist Thatsache, daß folgende
Gerüchte verbreitet worden sind, die allerdings geeignet waren, Aufregung hervor-
zubringcn, weil sic die materiellen Interessen des Volks angriff-m. Einmal rer
 
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