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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 207
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0843

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1842



Uo. 20/. Freitag den
LanVtagkvcrhandlungen.
Earlsrnhc, Ist. Aug. 4I. öffcntl. Sitzung der 2. Ka«nmer. (Fortsetzung.)
Schaaff fährt fort: Oder glauben Sie, Sic hätten die öffentliche Meinung
mrbr für üch gewonnen, wenn Sic gegen die Bestimmung der Verfassung Ihre An-
sichten in d^S Protokoll niederlegen, als wenn Sie nach den Bestimmungen der Ver-
fassung eine Adresse annclmien, 'worin Sie ihre Ansicht fest aussprcchen, wenn auch
ein anderer Faktor der Gesetzgebung nicht beitritt? Sie werden gewiß in der öffent-
lichen Meinung nicht tiefer stehen, als auf diese Weise und Sie Hütten Ihren Fein-
den kein Schwert in die Hand gegeben. Wenn Sie, sage ich, den Beschluß fassen,
der in Antrag gebracht ist, so haben Sic de» Feinden des const'tutionellen Systems
rin Schwcrdt gegen Sie in die Hände gegeben und ich werde Sie noch daran er-
innern lv. Jtzstcin: nur nicht prophczeihen.) Es ist nicht das Erstemal, daß ich
prophezeit habe. Ich hoffe, es werde die Catastrophe nicht eintretcn, an die ich er-
innert habe; allein ich befürchte, es möchte die Sache nicht zum Wohl des Landes
gereichen.
Nindeschwender. Heute ist ein warmer Tag und von Minute zu Minute
steigt die Hitze. Ich bin dcßhalb sehr kurz und glaube den Dank der Kammer und
des Publikums damit z« verdienen. Der Abg. Voll hat den Kampf begonnen mit
der Bitte zum Frieden und er ist hierin von dem Abg. Trcsurt in einer Art und
Weise unterstützt worden, die ich nicht näher bezeichnen will. Ich kann nicht im
Ernst hierauf antworten, und da ohnehin schon so viel Ernsthaftes und Feierliches
hier gesagt wurde, so erlaube ich mir meine Widerlegung in einem Gcschichtchen zu
geben. Ein Soldat erhielt 2) Stockstrcichc diktirt von feinem Hauptmann. Wäh-
rend die Schläge angemessen wurden, lachte er mit jedem weiter empfangenen Schlag
immer starker. Nachdem er die 2a Streiche hatte und vor den Offizier trat, m,!
sich für die gnädige Strafe zu bedanken, fragte ihn dieser, warum er denn so ge-
lacht habe. Verzeihen Euer Gnade», Herr Hauptmann, ich habe so lachen müssen;
weil ich der Unrechte bin; Sie haben den Letzen schlagen lassen. Das beißt mit
kurzen Worten: Leos pacoi» 6nll<i-lrelrirl.inoum! Um noch kürzer zu sein, Mlk
ich aphoristisch geben, was ich in einer ausführlichen Rede vorzutragen die Absicht
hatte. — Die Sünden der Herren Minister... Der Präsident unterbricht.den Red-
ner mit der Bemerkung, daß der Ausdruck »Sünden» nicht geeignet sef. Ninde-
schwcndcr. Gebe mir der Hr. Präsident tu der Schnelligkeit einen andern Ausdruck,
der ungefähr dasselbe bezeichnet, was ich damit sagen will, so will ich ihn gerne
annehmen. Die Mißgriffe also, die Verirrungen, oder wie man es heißen Will,
der Hrn. Minister sind von vielen Seiten so dargelegt und geschildert worden, daß
cs außer Zweifel ist, wie sie ihre diplomatische Wcisveit offenbar in die Luft
gestellt hat, indem sic die Hoffnung eines unfehlbaren Triumphs durch die Auflö-
sung der Kammern, die Anordnung neuer Wahlen und deren Beherrschung hegt;».
Die Wahlen haben bewiesen, daß ein gesunder Sinn und Bürgcrtngend das Volk
geleitet haben. Man ist von Seite des Volks auf dis Ansicht gekommen, daß die
Minister nicht für die gute Sache, nicht für des Landes Wohl, mcht zum Abschluß
eines gedeihlichen Friedens in die Schranken gctreien seien und den Handschuh hin-
aeworrcn haben, sondern für ihre eigene Person zur Erhaltung und Rettung ihrer
«stellen. Daher das Mißtrauen, wovon heute die Rede war. Auch ich habe aus
eigener Erfahrung mich von diesem Mißtrauen der badischen Bürger überzeugt und
spreche cs hier laut aus; und wenn der Herr Antragsteller selbst nicht den Antrag
so gestellt hat, wie ihn der Abg. Richter in Vorschlag brachte, so geschah es von
seiner Seite wahrscheinlich in der Erwartung, daß eine unsichtbare Geisterhand aus-
helfend in das Mittel treten werde. Ich glaube, daß dies nicht der Fall sein wird;
allein auch ich will den Frieden und glaube nur, daß wir denselben in einer an-
dern Art und in einer andern Richtung zu suchen haben, als in derjenigen, die
uns von dem Redner bezeichnet wurde. Ich behaupte offen und frei, wie cs thcil-
weisc auch schon Poll andern Mitglieder geschehen ist, daß der Friede nur wieder-
kehrt, wenn der Staatsminister von Blittcrsvorff — ich spr.che kiesen Namen aus
.7 seinen Rücktritt nimmt. Ihn bezeichnet die Volksmeinung als den Verfechter,
die Seele und den Urheber des störenden Systems und der Ereignisse, die wir be-
klagcn Ich klage mit dem Abg. Weickcr nicht seinen Privatcharakter sondern sci-
uen öffentlichen Charakter an. Dein ersteren lasse ich jede gerechte Anerkennung
zukommcn. Hochgestellt wie er ist, durch Rang, . Bildung und Ehrenhaftigkeit, wird
er dicteS Ansinnen nicht unbeachtet lassen, ein Ansinnen, das in der Brust und in
den Herzen des badischen Volks Anklang und Haltung gefunden hat. Ein patrio-
tischer Mann wird sich nicht an seinen "Posten anklammern, wenn das Vertrauen
inangelt, worauf eine segensreiche Thätigkcit beruht; er wird von dein Staatsamt
znrücktretcn, selbst dann, wenn sein eigenes Bewußtsein ihn von jeder Schuld frei-
spricht; ja selbst dann, ivvssn er noch gewichtige Zweifel in die Wahrheit der ihm
vorgchaltcnen öffentlichen Meinung setzen darf. So erheischt es die Pflicht eines
patriotischen Staatsbürgers, st verlangt es die Ehrenpflicht. Keine politischen Re-
flexionen sind es, die den Wunsch des badischen Volks erzeugen und ich spreche ge-
wiß im Sinne der Mehrheit und aus dein Herzen des badischen Volks, wenn ich
diesen Wunsch wiederholt und laut hier verkündige. Nicht aus politischen Neflecio»
nen ist er entsprungen, nicht aus englischen-und französischen Theorien und An-
raten Ministcrstcllung; denn wir wissen wohl, daß unsere deutschen Minister,
» b Hb iu Lebensfragen täglich in den Kammern unterliegen, darum ihr
^cöcn nicht verlieren. Nicht jene abscheulichen englischen und französischen Theo-
no«, wmer» die reine Wahrheit muß den Ausschlag geben, die Wahrheit nämlich:

2. Söptbr.

der Minister bat, —. verschuldet oder nicht - das Vertrauen verspielt. Wenn die-
sem Wunsch von Seiten des Hrn. Ministers v. Blittersdorff nachgegeben wird, so
werden die aufgeregten Gemüthcr in die Ebbe zurückkehren. Fordert dann die Ge-
rechtigkeit, ich meine die Justiz, daß ihn einer der drei andern Minister begleite,
so werden wir mühelos über unser» Kummer hinwegkommcn.
Präsident. Ich bitte den Hrn. Sprecher, keine Redensart zu gebrauchen, die
spottend lautet.
Rinde sch wender. Diese Redensart ist recht gut und wahr getroffen und
ich erkenne darin keinen Spott. Ich bitte Sie, meine Herren, sprechen Sie ihre
Zustimmung ans, wenn ich den wunden Fleck getroffen, wenn Sie glauben, daß
ich die Richtung der Meinungen wahr dargestcllt habe. (Von vielen Seiten erfolgt
die Zustimmung.) Ich enoe damit, daß ich mit gepreßtem Herzen nicht dem Vor-
schlag des Abg. Richter, obgleich er die volle Wahrheit enthält, sonder» dem Äom-
miffionsantrag beitrcte. Mit gepreßtem Herzen thuc ich es, den» auch er wird klamg«
los verhallen und enthält Dasjenige nicht, was die Kammer aussprcchen sollte, was
sie aber vielleicht nicht aussprcchen kann.
Seltzam. Auch ich rufe: Friede! Denn cs ist besser die Aufregung zu dämpfen, und
ich knüpfe hieran nur wenige allgemeine Sätze. Die leider schon pn lang bestan-
dene Spannung hat eben >o lang auch ans mich schmerzlich gewirkt. Wohl mag
auch hier nicht zu verkennen sein, was schon oft gesagt wurde, daß-man nämlich
in- und anßerbalb dicker Mauern gefehlt hat; um st' wehr scheint mir aber eine
aufrichtige Versöhnung an der Zeit. Möge von allen Bewegungen bei unS nur
das wahrhaft Gute zurück bleiben! ohne sittliche und religiöse Weihe hat auch die
raffinirtefte Politik im Großen und im Kleinen durchaus keinen Werth. Ich iaS
bei einer andern Veranlaffung in eine:» öffentlichen Blatt folgende demerkenswcr-
the Stelle: „Jedes Ereigniß, von welcher Art es sei, sollte immer mit Rücksicht
auf Wabrbeit, Moral und Religion beurtbeilt werden. Alle politischen Systeme
si.io von Natur diskutabel, und man ist also nicht gewiß, daß dasjenige, zu dein
man sich bekennt, anch das Gerechteste und Beste sei. Ans diesem Gesichtspunkte
kann auch die Politik nicht das Prinzip sein, wonach man die menschlichen Hand-
lungen .richtet. Die Menschen sollen nicht mit den potitischen Systemen, sondern
diese mit den Menschen gebildet werden." Ich übergebe jede weitere Reflexion und
füge mrr den einzigen Satz noch bei: das Gute und Wahre ist nicht gut und nicht
währ in Partcisachen, sondern es bleibt nur gut und wahr in seinem Ganzen. Wir
wollen überall gleichweit entfernt sein von jenen, die weder warm noch kalt sind,
und die der große Dante als Diejenigen bezeichnet, die der Himmel nicht aufnch«
men will und die Hölle anSschlicßt. Und doch waltet auch darüber, so wie über alle
Levensstürme und über die räthselhaftestcn Ereignisse Derienige, ohne dessen Willen
kein Haar von unser,» Haupte fällt. Und wie neulich einer unserer ersten Weisen
dinzumgte, — ohne dessen Willen kein Lichtgedanke unseres nach Wahrheit und Frei-
heit ringenden Geistes verloren geht. In dieser Richtung stimme ich für den Frie-
den und hoffe auf die Segnungen des Friedens.
Weller: Der Abg. Trefurt sagt, in dickem Saale sei seit dem Jahre 1831
absichtlich der Same gesäet worden, woraus d,S Mißtrauen erwachsen, das zwi-
schen Regierung „iw rem Volke jetzt herrsche. Auch ich weise diese Anschuldigung
mit Unwillen zurück.
Bissing: Vorausgesetzt, daß der Antragsteller und ler Berichterstatter noch
gehört werden, und anch die übrigen Mitglieder ans das Wort verzichten, will ich
das Gleiche ihun, und nur noch auf namentliche Abstimmung antragen.
Präsident: ES haben sich noch II Redner um das Wort gemeldet, und ich
werde ebenfalls in der Voraussetzung, daß der Berichterstatter und der Antragsteller
noch gehört werden, die Frage zur Abstimmung bringen, ob die Diskussion noch
länger fortgesetzt werden soll.
Goll. Ich habe dem Abg. Rindeschwcnder blos zu bemerken, daß ich ihn mit
gleichen Waffen nicht zu bekämpfen vermag. Er kann in der Nase der Herrn Re-
giernngskvmmissärc einen Ameiscnkitzel Hervorbringen, darum kaffe ich ihm den öst-
reicyikchen Koporalstock, der sich dann in den besten Händen befindet.
Rindeschwcnder. Alüdann nehme sich der Abg. Goll in Acht. (Allgemeines
Gelächter.) (Fortsetzung folgt.)

EarlSruhe, 22. August. 43. öffentliche Sitzung der zweiten Kammer. (Forts.)
Baffer mann fährt fort:
Im Jahr 1813, als in den Befreiungskriegen die Zeit gekommen, wo es sich
erweisen konnte und mußte, wer in Wahrheit ein Deutscher sei, blieben die Juden
keineswegs zurück. In der Leipziger Schlacht fielen 55 jüdische Offiziere und ein
Zeugniß für ihre Tapferkeit liegt in den, Brief dcS Ministers Hardenberg an Graf
Grote vom Jahr 1815, der also lautet:
»Ach Hai die Geschichte unseres letzten Krieges wider Frankreich bereits
erwiesen, daß die Juden des Staates, der ste in feinen Schooß ausgenom-
men, durch treue Anhänglichkeit würdig geworden. Die jungen Männer jüdi-
schen Glaubens sind die Waffengcfährden ihrer christlichen Mitbürger gewest»; und
wir haben auch unter ihnen Beispiele des wahren Heldenmnths und der rühmlich-
sten Verachtung der Kriegsgefahre aufzuweiscn, so wie die übrigen jüdischen Ein-)
wohner, namentlich auch die Frauen in Aufopferung jeder Art, den Christen sich
angeschloffcn.»
Man hatte ferner in Preußen kürzlich vor, die Inden vom Kriegsdienste zn
 
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