Mitwoch den 27. Juli.
1842.
No. 175.
Landtagsvcrhandlungcn.
Carlsruhe, 22. Juli. 24.'öffentl. Sitzung der zweiten Kamm». (Forts.)
Sander fäbrt fort: Er thcilt vollkomme» die Ansichten des Abg. Gerde! über
die Mängel unserer Justiz und es falle ihm dabei ein Lustspiel ein. wo Einer sagt:
„eü ginge wohl, aber cs geht nicht." Man gebe zu, daß Oeffcntlichkeit und Münd-
lichkeit das planvorlicgende, schnell heilende Mittel gegen die Gebrechen sei; man
sagt aber: es geht nicht. Man habe einen Gesetzentwurf über das Strafverfahren,
bereit; allein man habe ihn auf den Inder der verbotenen Bücher gesetzt und ins
Gcfangniß geworfen. Es sei Zeit, wie man die Flüchtlinge amnestirt habe, so auch
endlich diesen Entwurf zu amnestiren. Durch das Gehet,»halten verhindere man,
daß er besprochen und dann bald auf einem Landtage durchgcbracht werde. Et
würde keinen Anstand nehmen, dem Gesetzentwurf, ohne ihn zu kennen, beizustimnmn;
denn auf der flachen Hvnd liege es, daß man ein Gesetz über das Kriminalverfah-
ren eher über Bansch und Bogen cinfuhren kann, als ein Gesetz über das Straf--
recht. Bei dein letzter» kann an dem unter ihm eingctrctenen Strafen lediglich
nichts geändert werden, aber Formen des Verfahrens lasten sich augenblicklich än-
dern. ES wäre an der Zeit, dieses Gesetzbuch dem öffentlichen Urtheil zu überge-
ben; so lange man dies nicht thue, sei er überzeugt, daß man Nichts in der Sache
thun, daß man das allgemein für verwerflich erkannte heimliche Verfahren dcibe-
hallen wolle. Dies erinnere ihn an den wahren Bibelspruch: Sic scheuen das
Licht und lieben die Finstcrniß, weil ihre Werke böse sind. So lange jener Ent-
wurf nicht frei gegeben wird, werde er einem Strafgesetz seine Stimme nicht geben.
Man konnte wenigstens beruhigende Zusicherungen erwarten, und Baden sollte nicht
zuruckblciben, wo größere Staaten mit Oeffcntlichkeit und Mündlichkeit vorgngchcn.
Er stimmt für den Antrag des Abg. Gerbet.
Staatsrath Zoll- bemerkt, daß der Entwurf vielen Mitgliedern der Gerichts-
höfe zur Begutachtung mitgetheilt wurde und in wesentlichen Punkten Widerspruch
gefunden habe, dessen Grund noch nicht geprüft werden konnte. Derselbe ,ei also
nicht in dem Stadium, daß er der Oeffcntlichkeit übergeben werden könne. -
v. Jtzstein bestätigt die Beschwerden des Abg. Baum> namentlich in Bezug
auf die kosten in Beschwerdefällc».
Staatsrath Jollp liest aus der Sportclordnung vor, daß solche Beschwerden
sportelfrei seien (Stimmen, sie werden aber angcsetzt.)
v. Jtzstcin. Wenn sic ans Jrrthnm von den Gerichten angesetzt werden, ss
ist cs uni so nöthiger, baß diese von Seiten des Ministeriums eine Weisung dar-
über erhalten. Der Redner »nterstützt ferner den Antrag des Abg. Gerbet und
kann kaum glauben, daß der Herr Präsident der Justiz sich im Ernst gegen die
Öffentlichkeit auszusprcchen beabsichtige, welche überall als die Grundbedingung ei-
nes guten Verfahrens anerkannt sei. Man habe auch nicht mehr zu streiten, denn
es liege der Befehl da mit solchen Gesetzen vorzuschreiten und man könne sich nicht
damit trösten, daß cs nach und nach geschehen solle; es gehe damit außerordentlich
langsam bei den badischen Ministerien. Warum sollte man nicht ein Gesetz über
den Criminalprozeß vorlegen können, während andere Negierungen ein solches zu-
gleich mit dem Strafgesetz verlegen. Der Redner wendet sich zu den Versetzungen
uno bemerkt, daß er in der Personalliste des Gerichtshofs zu Rastadt den Namen
eenes Mannes vermisse, dessen schönes Latent, scharfer Blick und große Rcchtskcnnt-
niS ihn zu einem der tüchtigsten Mitglieder machte», was er, obgleich dieser Mann
hier anwesend sei, wohl sagen dürfe, da cs von der Regierungsbank ans oft aner-
kannt wurde. Und ein solcher Manu wird hinausgcworfen aus dem Gericht, des-
sen Zierde er war; er wird versetzt auf ein Amt, das er nicht annehmen konnte,
ohne seine Existenz zu vernichten. Der Staat aber hatte den Borthcil dabei, daß
er so treffliche Kräfte verlor. Wenige Monate vorher war Oberbofgerichisrath
P.ter in ähnlicher Weise behandelt worden. Nicht das Wohl des Landes,
sondern politische Gründe waren cs, welche die Negierung zu solchen Maßregeln
bestimmt haben; es geschah, weil diese Männer die Ansichten der Negierung nicht
thcilen konnten und ihre Ucberzcugnng offen aussprachcn. Es sollten Strafen sein
uuo dem Lande sollte damit gesagt werden: seht, so werden die. Männer behandelt,
welche nicht nach der Ansicht der Regierung handeln. Auf solche Art muß die Un-
abhängigkeit der Justiz mttcrgchcn, indem jeder Richter sich i» seinem Lebcnsglück
bedroht floht, wenn er sich nicht unbedingt dem Willen der Regierung fügt. Als
ich diesen Gegenstand früher hier zur Sprache brachte, erhob sich Mißbilligung da-
rüber, das der Herr Präsident der Justiz nicht die Kraft hatte, solche Zumnthungen
zurückzuwcisen. Man konnte erwarten, daß Achnliches nicht wiedcrkchren würde und
doch trateib dieselben Maßregeln in verstärktem Maße ein, weil man strafen wollle
-7- das freie Wort. Der Redner schließt sich dem Antrag des Abg. Gerbet an.
Staatsrath Lyllp entgegnet auf die Acußcrnng des Abg. Sander über Be«
schwerden^wegen JustlZverzögerung: er habe geäußert, es sei zweckmäßiger, wenn
einzelne Fälle zur Kenntnis der betreffenden Behörde gebracht würden, aber nicht
behauptet, baß keine Vorkommen konnten. Bezüglich auf die Versetzungen werde er
sich auf Motive, welche die Regierung dazu bestimmten, nicht «»lassen; das
Recht der Negierung könne man nicht bestreiten und die Unabhängigkeit der Justiz
sei dadurch nicht gefährdet. ' Es seien den Betreffenden keine.Anmuthungen gemacht
worden, im Sinne der Regierung zu reden und zu stimmen. Wenn man im All-
gemeinen sagen wolle, durch Versetzungen von Richtern sei die Unabhängigkeit der
Justiz bedroht, so entgegne er, daß durch die Dicnerpragmatik die Richter so sicher
gestellt seien, daß jene Besorgniß in keiner Weise gegründet sei. Keiner könne an-
ders versetzt werden, als mit Beibehaltung des Ranges und der Besoldung und
man müßte cs mit schwachmüthigen Männern zu thun haben, wenn man annch-
men dürfte, daß durch die Aussicht auf eine solch? Versetzung ihre Unabhängigkeit
gefährdet werde.
v. Jtzstcin. Wenn man Sie, Hr. Präsident der Justiz, mit Beibehaltung
Ihres Ranges und Ihrer Besoldung etwa als Secretar zu einem Hofgerichte verse-
tzen würde, weil Sie frei gesprochen hatten, würde es Ihnen wohl angenehm sein?
Staatsrath Jollp. Dies kann nicht geschehen.
Bader. Ich unterstütze den Antrag des Abg. Gcrbel. Ich stimme auch voll-
kommen in die Klagen des Abg. v. Jtzstcin über die fraglichen Versetzungen, in de-
nen ich eine wirklich unheilvolle Maßreael erkenne, ein. Es wird aber nächstens
eine andere Gelegenheit geben, sich über diese Maßregel umständlicher zu erklären
und ihre vielfachen Schattenseiten hcrauSzustellcn. Wenn der Herr Chef des Justiz-
ministeriums die Behauptung geltend machen will, daß den fraglichen Versetzungen
andere Motive unterstehen, als die Verfolgung einiger Abg. der früheren Kammer,
die nicht überall und immer den Ansichten der Regierung huldigten, so wird er da-
mit bei sehr Wenigen Eingang finden; denn ganz Baden, ja ganz-Deutschland
glaubt das Gegentheil, und muß der Natur der Sache nach das Gegcnth-il glau-
ben. Auch zugeben, daß der Regierung das Recht zu den fraglichen Versetzungen
gesetzlich zugestaudcn, so steht ihr in keinem Falle zu, dieses Recht als Mittel zu
so verwerflichen Zwecken, wie hier geschehen, zu gebrauchen, oder besser zu mis
brauchen. Meinem Bedauern über die Versetzungen muß ich ein weiteres beifügen
darüber, daß das Strafgesetz, welches schon im Jahr 1839 und 1840 mit großem
Zeit- und Kostenaufwand in dieser Kammer berathcn wurde, bis dahin noch nicht
zu Staude gekommen, und dem Lande große Kosten verursacht wurden, obne daß
das längst lind tief gefühlte Bcdürfniß eines bessern Strafgesetzes befriedigt worden
ist. Ich beklage dieses tun so ,»ehr, als die Hindernisse, welche dem Zustandekom-
men dcS Strafgesetzes entgcgengestellt wurden, leider der nämlichen Quelle ent-
sprungen sind, aus der in der neuesten Zeit schon so viel Unheil über das Land ge-
kommen ist.
Staatsrath Jollp glaubt nicht, daß die Kosten verloren seien, indem eins
spätere Kammer jene Arbeiten benützen werde.
Basscrmann. Ich habe auch einige Mißstände zur Sprache zu bringen,
will aber damit warten, bis über Gerbel's Antrag abgcstimmt sein wird. Für den
Augenblick fühle ich mich heftig aufgefordert, über die Versetzungen zu sprechen,
und über die Wirkung, welche sie im Lande hcrvorgebracht haben. Es ist allge-
mein bekannt, wie nachtheilig sic dem Ansehen der Beamtem waren. Dies wissen
die Beamten selbst, und ich bedaure sie. Ein Beamter mag von Charakter sein,
wie er will, das Mißtrauen verfolgt ihn. Nachdem ans die freie Acußcrung, auf
Charakterfestigkeit die Strafe gefolgt, nimmt nun das Volk an, da wo keine
Strafe folge, sei auch nur Charakterlosigkeit und Knechtstim. Mancher brave Be-
amte leidet unter diesem Mißtrauen und dies verfolgt die Beamten selbst in diese
Kammer, sic mögen ihre Ueberzengung noch so sehr bethcuern, sie mögen noch so
sehr auffahren, wenn man daran zweifelt. Alles vergebens! — das Spstem, wel-
ches das Volk das Blittcrsdorf'sche nennt; dein haben sie es zu verdanken und ich
bin überzeugt, kein Beamter wünscht, daß eL noch länger fortdanre. Diese Verse-
tzungen brachten aber nicht durchweg traurige Wirkungen hervor. Sie haben ge-
wiß'in einer Hinsicht vortheilhaft gewirkt, denn, wir dürfen eS uns nicht verhehlen;
es ist unter den Deutschen noch viel zu viel Gutmüthigkeit und' viel zu viel blinde
Scheit und Unterwürfigkeit vor seine» Beamten. Aber dadurch, daß das Minste-
rium das unbedingte Vertraue» zu den Beamten vernichtete, hat cs dem Bürger
das Vertrauen zu sich selbst zurückgcgebcn, ein Selbstvertrauen, ohne welches cs
im Lande nicht besser werden wird, man mag über Fortschritt und Aufschwung
sprechen und schreiben, so viel man will. Darum hat auch der Abg. Knapp neulich
der Regierung für ihre Gewaltmaßregeln mit Recht gedankt.
(Fortsetzung folgt.)
CarlSruhe, 23. Juli. 25. öffentliche Sitzung der 2. Kammer. (Forts.) -
v. Jtzstcin stellt die Frage, ob die Regierung über die neue Sporteleinrich-
tung hinsichtlich der Notariate bereits Notizen erhalten habe, aus denen sich ein
Resultat über du Wirkung dieser Aendcrungcn ergebe. Er habe vernommen, daß
die Geschäfte thcuercr geworden, und doch das Einkommen einzelner Notare sehr ge-
schmälert worden sei.
Staatsrath Jollp erläutert, daß die Regierung Notizen über das Ergebnis
eines Vierteljahrs cingezogen habe und bemerkt unter Andern:, daß im Allgemeinen
der Ertrag nicht höher, dagegen in einigen, doch nur wenigen Bezirken zu gering
ausgefallen sei; dies könne davon hcrrührcn, daß die Bezirke zu klein sind, aber
auch vorübergehend daher, daß die altern Geschäfte vor der Aenderung ausgearbeitet
EL" Bestellungen auf das Mannheimer Morgcnblatt mit Schulzcitnng nehmen fortwährend Me wshllöbl. Post-
ämter an. Preis beider Blätter in ganz Baden fl. 2. -L8 kr. das Halbejahr. Le» jetzt erst einrrctcnSen Abon-
nenten werde» die Blätter vom 1. Juli an, vollständig nachgeliefert.
1842.
No. 175.
Landtagsvcrhandlungcn.
Carlsruhe, 22. Juli. 24.'öffentl. Sitzung der zweiten Kamm». (Forts.)
Sander fäbrt fort: Er thcilt vollkomme» die Ansichten des Abg. Gerde! über
die Mängel unserer Justiz und es falle ihm dabei ein Lustspiel ein. wo Einer sagt:
„eü ginge wohl, aber cs geht nicht." Man gebe zu, daß Oeffcntlichkeit und Münd-
lichkeit das planvorlicgende, schnell heilende Mittel gegen die Gebrechen sei; man
sagt aber: es geht nicht. Man habe einen Gesetzentwurf über das Strafverfahren,
bereit; allein man habe ihn auf den Inder der verbotenen Bücher gesetzt und ins
Gcfangniß geworfen. Es sei Zeit, wie man die Flüchtlinge amnestirt habe, so auch
endlich diesen Entwurf zu amnestiren. Durch das Gehet,»halten verhindere man,
daß er besprochen und dann bald auf einem Landtage durchgcbracht werde. Et
würde keinen Anstand nehmen, dem Gesetzentwurf, ohne ihn zu kennen, beizustimnmn;
denn auf der flachen Hvnd liege es, daß man ein Gesetz über das Kriminalverfah-
ren eher über Bansch und Bogen cinfuhren kann, als ein Gesetz über das Straf--
recht. Bei dein letzter» kann an dem unter ihm eingctrctenen Strafen lediglich
nichts geändert werden, aber Formen des Verfahrens lasten sich augenblicklich än-
dern. ES wäre an der Zeit, dieses Gesetzbuch dem öffentlichen Urtheil zu überge-
ben; so lange man dies nicht thue, sei er überzeugt, daß man Nichts in der Sache
thun, daß man das allgemein für verwerflich erkannte heimliche Verfahren dcibe-
hallen wolle. Dies erinnere ihn an den wahren Bibelspruch: Sic scheuen das
Licht und lieben die Finstcrniß, weil ihre Werke böse sind. So lange jener Ent-
wurf nicht frei gegeben wird, werde er einem Strafgesetz seine Stimme nicht geben.
Man konnte wenigstens beruhigende Zusicherungen erwarten, und Baden sollte nicht
zuruckblciben, wo größere Staaten mit Oeffcntlichkeit und Mündlichkeit vorgngchcn.
Er stimmt für den Antrag des Abg. Gerbet.
Staatsrath Zoll- bemerkt, daß der Entwurf vielen Mitgliedern der Gerichts-
höfe zur Begutachtung mitgetheilt wurde und in wesentlichen Punkten Widerspruch
gefunden habe, dessen Grund noch nicht geprüft werden konnte. Derselbe ,ei also
nicht in dem Stadium, daß er der Oeffcntlichkeit übergeben werden könne. -
v. Jtzstein bestätigt die Beschwerden des Abg. Baum> namentlich in Bezug
auf die kosten in Beschwerdefällc».
Staatsrath Jollp liest aus der Sportclordnung vor, daß solche Beschwerden
sportelfrei seien (Stimmen, sie werden aber angcsetzt.)
v. Jtzstcin. Wenn sic ans Jrrthnm von den Gerichten angesetzt werden, ss
ist cs uni so nöthiger, baß diese von Seiten des Ministeriums eine Weisung dar-
über erhalten. Der Redner »nterstützt ferner den Antrag des Abg. Gerbet und
kann kaum glauben, daß der Herr Präsident der Justiz sich im Ernst gegen die
Öffentlichkeit auszusprcchen beabsichtige, welche überall als die Grundbedingung ei-
nes guten Verfahrens anerkannt sei. Man habe auch nicht mehr zu streiten, denn
es liege der Befehl da mit solchen Gesetzen vorzuschreiten und man könne sich nicht
damit trösten, daß cs nach und nach geschehen solle; es gehe damit außerordentlich
langsam bei den badischen Ministerien. Warum sollte man nicht ein Gesetz über
den Criminalprozeß vorlegen können, während andere Negierungen ein solches zu-
gleich mit dem Strafgesetz verlegen. Der Redner wendet sich zu den Versetzungen
uno bemerkt, daß er in der Personalliste des Gerichtshofs zu Rastadt den Namen
eenes Mannes vermisse, dessen schönes Latent, scharfer Blick und große Rcchtskcnnt-
niS ihn zu einem der tüchtigsten Mitglieder machte», was er, obgleich dieser Mann
hier anwesend sei, wohl sagen dürfe, da cs von der Regierungsbank ans oft aner-
kannt wurde. Und ein solcher Manu wird hinausgcworfen aus dem Gericht, des-
sen Zierde er war; er wird versetzt auf ein Amt, das er nicht annehmen konnte,
ohne seine Existenz zu vernichten. Der Staat aber hatte den Borthcil dabei, daß
er so treffliche Kräfte verlor. Wenige Monate vorher war Oberbofgerichisrath
P.ter in ähnlicher Weise behandelt worden. Nicht das Wohl des Landes,
sondern politische Gründe waren cs, welche die Negierung zu solchen Maßregeln
bestimmt haben; es geschah, weil diese Männer die Ansichten der Negierung nicht
thcilen konnten und ihre Ucberzcugnng offen aussprachcn. Es sollten Strafen sein
uuo dem Lande sollte damit gesagt werden: seht, so werden die. Männer behandelt,
welche nicht nach der Ansicht der Regierung handeln. Auf solche Art muß die Un-
abhängigkeit der Justiz mttcrgchcn, indem jeder Richter sich i» seinem Lebcnsglück
bedroht floht, wenn er sich nicht unbedingt dem Willen der Regierung fügt. Als
ich diesen Gegenstand früher hier zur Sprache brachte, erhob sich Mißbilligung da-
rüber, das der Herr Präsident der Justiz nicht die Kraft hatte, solche Zumnthungen
zurückzuwcisen. Man konnte erwarten, daß Achnliches nicht wiedcrkchren würde und
doch trateib dieselben Maßregeln in verstärktem Maße ein, weil man strafen wollle
-7- das freie Wort. Der Redner schließt sich dem Antrag des Abg. Gerbet an.
Staatsrath Lyllp entgegnet auf die Acußcrnng des Abg. Sander über Be«
schwerden^wegen JustlZverzögerung: er habe geäußert, es sei zweckmäßiger, wenn
einzelne Fälle zur Kenntnis der betreffenden Behörde gebracht würden, aber nicht
behauptet, baß keine Vorkommen konnten. Bezüglich auf die Versetzungen werde er
sich auf Motive, welche die Regierung dazu bestimmten, nicht «»lassen; das
Recht der Negierung könne man nicht bestreiten und die Unabhängigkeit der Justiz
sei dadurch nicht gefährdet. ' Es seien den Betreffenden keine.Anmuthungen gemacht
worden, im Sinne der Regierung zu reden und zu stimmen. Wenn man im All-
gemeinen sagen wolle, durch Versetzungen von Richtern sei die Unabhängigkeit der
Justiz bedroht, so entgegne er, daß durch die Dicnerpragmatik die Richter so sicher
gestellt seien, daß jene Besorgniß in keiner Weise gegründet sei. Keiner könne an-
ders versetzt werden, als mit Beibehaltung des Ranges und der Besoldung und
man müßte cs mit schwachmüthigen Männern zu thun haben, wenn man annch-
men dürfte, daß durch die Aussicht auf eine solch? Versetzung ihre Unabhängigkeit
gefährdet werde.
v. Jtzstcin. Wenn man Sie, Hr. Präsident der Justiz, mit Beibehaltung
Ihres Ranges und Ihrer Besoldung etwa als Secretar zu einem Hofgerichte verse-
tzen würde, weil Sie frei gesprochen hatten, würde es Ihnen wohl angenehm sein?
Staatsrath Jollp. Dies kann nicht geschehen.
Bader. Ich unterstütze den Antrag des Abg. Gcrbel. Ich stimme auch voll-
kommen in die Klagen des Abg. v. Jtzstcin über die fraglichen Versetzungen, in de-
nen ich eine wirklich unheilvolle Maßreael erkenne, ein. Es wird aber nächstens
eine andere Gelegenheit geben, sich über diese Maßregel umständlicher zu erklären
und ihre vielfachen Schattenseiten hcrauSzustellcn. Wenn der Herr Chef des Justiz-
ministeriums die Behauptung geltend machen will, daß den fraglichen Versetzungen
andere Motive unterstehen, als die Verfolgung einiger Abg. der früheren Kammer,
die nicht überall und immer den Ansichten der Regierung huldigten, so wird er da-
mit bei sehr Wenigen Eingang finden; denn ganz Baden, ja ganz-Deutschland
glaubt das Gegentheil, und muß der Natur der Sache nach das Gegcnth-il glau-
ben. Auch zugeben, daß der Regierung das Recht zu den fraglichen Versetzungen
gesetzlich zugestaudcn, so steht ihr in keinem Falle zu, dieses Recht als Mittel zu
so verwerflichen Zwecken, wie hier geschehen, zu gebrauchen, oder besser zu mis
brauchen. Meinem Bedauern über die Versetzungen muß ich ein weiteres beifügen
darüber, daß das Strafgesetz, welches schon im Jahr 1839 und 1840 mit großem
Zeit- und Kostenaufwand in dieser Kammer berathcn wurde, bis dahin noch nicht
zu Staude gekommen, und dem Lande große Kosten verursacht wurden, obne daß
das längst lind tief gefühlte Bcdürfniß eines bessern Strafgesetzes befriedigt worden
ist. Ich beklage dieses tun so ,»ehr, als die Hindernisse, welche dem Zustandekom-
men dcS Strafgesetzes entgcgengestellt wurden, leider der nämlichen Quelle ent-
sprungen sind, aus der in der neuesten Zeit schon so viel Unheil über das Land ge-
kommen ist.
Staatsrath Jollp glaubt nicht, daß die Kosten verloren seien, indem eins
spätere Kammer jene Arbeiten benützen werde.
Basscrmann. Ich habe auch einige Mißstände zur Sprache zu bringen,
will aber damit warten, bis über Gerbel's Antrag abgcstimmt sein wird. Für den
Augenblick fühle ich mich heftig aufgefordert, über die Versetzungen zu sprechen,
und über die Wirkung, welche sie im Lande hcrvorgebracht haben. Es ist allge-
mein bekannt, wie nachtheilig sic dem Ansehen der Beamtem waren. Dies wissen
die Beamten selbst, und ich bedaure sie. Ein Beamter mag von Charakter sein,
wie er will, das Mißtrauen verfolgt ihn. Nachdem ans die freie Acußcrung, auf
Charakterfestigkeit die Strafe gefolgt, nimmt nun das Volk an, da wo keine
Strafe folge, sei auch nur Charakterlosigkeit und Knechtstim. Mancher brave Be-
amte leidet unter diesem Mißtrauen und dies verfolgt die Beamten selbst in diese
Kammer, sic mögen ihre Ueberzengung noch so sehr bethcuern, sie mögen noch so
sehr auffahren, wenn man daran zweifelt. Alles vergebens! — das Spstem, wel-
ches das Volk das Blittcrsdorf'sche nennt; dein haben sie es zu verdanken und ich
bin überzeugt, kein Beamter wünscht, daß eL noch länger fortdanre. Diese Verse-
tzungen brachten aber nicht durchweg traurige Wirkungen hervor. Sie haben ge-
wiß'in einer Hinsicht vortheilhaft gewirkt, denn, wir dürfen eS uns nicht verhehlen;
es ist unter den Deutschen noch viel zu viel Gutmüthigkeit und' viel zu viel blinde
Scheit und Unterwürfigkeit vor seine» Beamten. Aber dadurch, daß das Minste-
rium das unbedingte Vertraue» zu den Beamten vernichtete, hat cs dem Bürger
das Vertrauen zu sich selbst zurückgcgebcn, ein Selbstvertrauen, ohne welches cs
im Lande nicht besser werden wird, man mag über Fortschritt und Aufschwung
sprechen und schreiben, so viel man will. Darum hat auch der Abg. Knapp neulich
der Regierung für ihre Gewaltmaßregeln mit Recht gedankt.
(Fortsetzung folgt.)
CarlSruhe, 23. Juli. 25. öffentliche Sitzung der 2. Kammer. (Forts.) -
v. Jtzstcin stellt die Frage, ob die Regierung über die neue Sporteleinrich-
tung hinsichtlich der Notariate bereits Notizen erhalten habe, aus denen sich ein
Resultat über du Wirkung dieser Aendcrungcn ergebe. Er habe vernommen, daß
die Geschäfte thcuercr geworden, und doch das Einkommen einzelner Notare sehr ge-
schmälert worden sei.
Staatsrath Jollp erläutert, daß die Regierung Notizen über das Ergebnis
eines Vierteljahrs cingezogen habe und bemerkt unter Andern:, daß im Allgemeinen
der Ertrag nicht höher, dagegen in einigen, doch nur wenigen Bezirken zu gering
ausgefallen sei; dies könne davon hcrrührcn, daß die Bezirke zu klein sind, aber
auch vorübergehend daher, daß die altern Geschäfte vor der Aenderung ausgearbeitet
EL" Bestellungen auf das Mannheimer Morgcnblatt mit Schulzcitnng nehmen fortwährend Me wshllöbl. Post-
ämter an. Preis beider Blätter in ganz Baden fl. 2. -L8 kr. das Halbejahr. Le» jetzt erst einrrctcnSen Abon-
nenten werde» die Blätter vom 1. Juli an, vollständig nachgeliefert.