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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 203
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1842.



No. 203.

Sonntag den 28. August.

LanVtaqsverhanSlungcn.
Carlsruhe, , g. Aug. 41. öffentl. Sitzung der r. Kammer. (Fortsetzung.)
Vogelmann fährt fort:
DicS ist ebenfalls ein Gerücht, das in gewissen Bezirken verbreitet worden ist.
Man hat ferner, was mich eigentlich am unangenehmsten berührt hat, die Bestim-
mungen des Appanagengesetzes verdreht, und daraus Deduktionen abgeleitet, die
mich wahrhaft indignirt haben. Auch hier kann ich ganz einfach sagen, daß ich
nicht weiß, wer diese Gerüchte verbreitet hat. Allein ich denke mir, daß wenn man
eS hätte hcrausbringcn können, die Regierung gegen die Verbreiter cingcschritteii
wäre. Es wird übrigens auch hier klar sein, daß die Minister an der Verbreitung
dieser Gerüchte keinen Thcil hatten. Was gerade die letzten Punkte betrifft, so wird
cS genügen, sie nur zur Sprache zu bringen, um auch ihre Quelle augenblicklich
zu verstopfen; denn sämmtliche Mitglieder haben bei den Verhandlungen über das
Budget klar ausgesprochen, daß an allem dem kein wahres Wort ist. Von Ihnen
Allen erwarte ich und bin cs überzeugt, daß cS nicht Ihre Absicht und Ihr Wunsch
sein konnte, daß solche Gerüchte verbreitet werden, und daß es ebenfalls nicht Ihr
solche Gerüchte verbreitet werden, und daß es ebenfalls
nicht Ihr Wunsch sein konnte, daß revolutionäre Schriften verbreitet werden. Ge-
rade aber weil dieß geschehen ist, spreche ich es hier aus. Es ist dieß eine Quelle
der Aufregung, an der wir, denke ich, keine Schuld tragen, eine Quelle der Auf-
regung, die versiegen und mit Verachtung behandelt werden wird, wenn man den
Urheber entdeckt.
Mordes. Meine Herren! Als der Abg. von Jtzstcin seine Motion in dieses
Haus brachte, unterstützte ich dieselbe, weil ich in ihrer Begründung Wahrheiten,
in ihrem Schlußantrage das Echo der öffentlichen Stimme des Landes vernommen.
Zwar bestreitet man heute diese Ucbcrcinstimmung, wirft alle Verantwortung der
bestehenden Zwietracht auf die planmäßige Haltung der Kammern seit 1833. und
warnt uns vor dem Abgrunde, dem die Majorität auf dem bisherigen Wege ent-
gegen gehe. Der Zufall will es, daß ich gleichzeitig mit dem Abg. Trefurt in die
Kammer berufen wurde, und da ich, so wenig als er, thcilnahmslos die Vorgänge
unseres parlamentarischen Lebens an mir vorüber gehen ließ, so möge es mir ver-
gönnt sein, seinem Rückblick auf die Vergangenheit meine Beobachtungen gegenüber
zu stellen. Unbezwcifelt richtig ist es, daß die neue politische Acra für Baden nicht
erst mit den Maßregeln beginne, deren Bcurthcilung die heutige Sitzung gewidmet
ist; nein, meine Herren, ihr Anfang datirt sich von dem Heimgänge jenes großen
Staatsmannes, der in Ihrer aller Andenken so ruhmwürdig fortlebt, dessen rüstige
Kräfte ein aufreibender Kampf für das Glück seines Fürsten, wie für die gesetz-
mäßige Freiheit seines Vaterlandes leider allzufrüh verzehrte.
In das Gefühl der schmerzlichen Trauer, mit dem wir Winters Bahre um-
standen, mischte sich schon damals eine trübe Ahnung dessen, was die Folgezeit ge-
bracht hat. ^Ein neues Element im Rathe des Fürsten, dessen politische Richtung
stets wenig Sympathie für die Repräsentativ-Verfaffung an Tag gelegt hatte, machte
in- und außerhalb dieser Mauern immer sichtlicher als das überwiegende für das
veränderte System der Negierung sich geltend. Ein Mann, dessen unbestrittene gei-
stige Fähigkeiten, dessen Willenskraft dem Vatcrlande hätte Segen bringen können,
hielt sich, wie cs scheint, leider nur zu der Aufgabe berufen, welche ihm ein Cor-
rcspondcnzartikel aus Hannover vom Mär; d. I. zugedacht hat: »er sollte den Geist,
der seit zehn Jahre» im badischen Volke sich entwickelt, den Winter in der legalen
Bahn mit staatsklugcr Hand geleitet, energisch zügeln, in engere Schranken zurück-
weisen und wo thunlich für alle Zeiten ersticken.» An diesem Geiste aber, der im
Geburtslands jener Zeitungsnachricht wohl als anarchisch geschmäht werden mochte,
der jedoch im ganzen übrigen Deutschland eine gerechtere Würdigung gefunden,
dessen Pflege der verstorbene Winter als ein unvergängliches Vcrmächtniß seinen
Mitbürgern hintcrkieß, an eben diesem Geiste sollten sich die kühnen Plane des
^"s'n Ministers, sammt dem unseligen Nachahmungstriebe seiner College», brechen.
Zl- festgewurzelten Vertrauen der Kammer in die Regierung bedurfte cs in-
""^Wolter anhaltender Stürme, um diese Bande z» lockern. Eine lange,
ichwcre probe hatte unser Patriotismus, unsere Friedensliebe zu bestehen. Selbst
b" w ^mehr heroortretendcn Tendenz der Neaction wurden die Vorlagen
der Regierung nnt arglosem Sinn aufgcriommcii, vornrtheilssrei geprüft, und wenn
auch zuweilen durch einen belebten Mcinungskampf dennoch zum Ziele geführt.
Vor Allem hatte die Regierung eine Stütze in der Loyalität dieser Versammlung,
welche niemals vergeblich angcrufcn, bei den zartesten Fragen, deren eine Ihnen
bereits durch ein anderes Mitglied heute in's Gedächtniß gerufen wurde, mit einer
Hingebung antwortete, welche nicht selten an die äußerste Grenze unserer Pflichten
streifte. Eine überwiegende Majorität der Kammer verbürgte den Ministern fast
regelmäßig die Annahme ihrer Vorschläge. Aber eben diese Erfolge weckten in den-
selben eine Zuversicht, die sich am Aeußersten versuchen z» können wähnte. Nicht
Zufrieden, daß es ihnen gelungen, was ohne offenbare Verletzung der VolkSrcchte
kaum ein anderer constitutioneller Staat zu erreichen vermochte, sannen die Mini-
i/di auf Mittel, der ihnen mißliebigen Deputaten nach und nach fich zu ent.
", Die Verweigerung des Urlaubs für einige Staatsdicner gab die Losung
gefahrvollen Wahlbeherrschung, deren hohe Bedeutung jedoch der Kammer
» e .ng, und ihre Einstimmigkeit in der Protestation gegen ein solches Atten-
.al »urreiedem besonnenen Politiker die Klippe gezeigt, an welcher die Ausdeh-
ming oer Ministergewalt scheitern mußte. Hat auch gleichwohl die Macht

der persönlicher Verhältnisse der Vollstimmigkeit unserer späteren Beschlüsse über
diesen Gegenstand Eintrag gethan, für die Mehrzahl dieses Hauses war der Wen-
depunkt in ihrem politischen Verhalten für so lange eingetreten, a!S nicht durch
eine Rückkehr zu dem früheren Systeme das Wohl des Landes geborgen wird. Statt
aber nach dieser Richtung cinzulenkcn, steuerten die Minister mit vollen Segeln dem
Sturme entgegen, sie fanden hoch fich aufthürmende Wogen, wo sie einen sichern
Hafen erwarteten. Der Freihcitsssnn des badischen Volkes gewährte ibnen einen
Ankergrund nur auf wenigen Punkten des Landes, und selbst dieser lockere Boden
droht je länger desto mehr zu weichen, was man auch zu seiner Befestigung äußer-
lich aufbieten magk
Diesen beklagenswerthcn Zustand mit klarem Blicke überschauend, erhob der
Abg. von Jtzstcin seine Stimme, damit wir uns um das heilige Palladium der
Verfassung schaartcn und den Angriffen auf dieselbe eine kräftige Abwehr entgegen-
setzten. Die Kommission, meine Herren, welche Sie mit dem Vorschläge hiezu be-
auftragten, konnte nicht umhin, die schweren Besorgnisse des Proponenten zu thei-
len. Sie fühlte mit demselben die Unveräußerlichkeit der Pflicht, auf eine solche
Demonstration der Staatsgewalt zu antworten, offen und wahr, wie cs die That-
sachen vor den Augen des Vaterlandes leider allzusehr bewähren. Mit dieser Ue-
bcrzeugung verbanden wir jedoch den ungcheuchcltcn Wunsch, den gestörten Frieden
wieder hcrzustcllen, die weite Kluft zu schließen, die sich, wie zu keiner andern Zeit,
zwischen den Bcrathern der Krone und dem gcsammtcn Volke drohcnd'geöffnct bat.
Der Antrag, den wir Ihnen zur Beistimmung empfehlen, bcthäiigt diese versöh-
nende Absicht auf unzweideutige Weise. Dennoch verlangt man von uns, noch wei-
ter zu gehen durch eine stumme Verläugnung unseres Gefühls, unserer rechtlichen
Ueberzcugung. Aber diese Aufforderung verhallt unter dem Rufe der Pflichten, die
wir gegen unsere Mandanten übernommen. Der mühevolle Kampf, ans dem sie
ihre freien Wahlen gerettet, macht es uns zum dreifachen Gebote, deren verfassungs-
mäßige Rechte zu schirmen, über die guten Sitten des Landes zu wachen, denen
man den Wahlumtrieben so schnöden Hohn gesprochen, und die Reinheit dieser Ver-
sammlung zu bewahren, welche die Absicht der Negierung durch willenlose Werk-
zeuge eines blinden Gehorsams zu bevölkern trachtet. Den Inbegriff aller dieser
unverletzlichen Pflichten eines treuen Volksorgancs fasse ich in die Worte zusam-
men: »Friede dem Lande, unbeschadet der Ehre unseres Berufs, und darum Unter-
stützung des Antrages der Komission.« (Fortsetzung folgt.)

Earlsruhe, 20. August. 42. öffentliche Sitzung der zweiten Kammer.
(Schluß.)
Legationsrath v. Marschall. Die Regierung hält auch diese Reklamation
nicht für begründet, weil die Verordnung ebenfalls nichts Neues bestimmt, sondern
nur etwas Bestehendes genauer anordnet, damit es nicht über seinen ursprünglichen
Zweck ausgedehnt und Akte ausgcübt werden, welche sich nicht mit der Souvcränc-
tät vertragen.
Welckcr glaubt, daß die Diskussion kurz sein könne, da diese Verordnung
noch viel mehr als die vorige zur Reklamation sich eigne. Sic enthalte keineswegs
längst anerkannte Grundsätze. Hessische Polizei dürfe hiernach von oben bis nmei,
durch das Land gehen und jeden Badncr verhaften. Solches hätte der klein-
ste Ncichsbaron in seinem Gebiete nicht geduldet. — Auf Befehl der hessischen Of-
fizianten müssen ferner Haussuchungen vorgenommen werden. Dies sei in Deutsch-
land nie Rechtens gewesen.
Geh. Nef. Eichrodt. Der Abg. Wclcker habe etwas in Große gemalt. Die
Verordnung sage nur, daß bei Verfolgung eines flüchtigen Verbrechens über die
badische GrenzcWie Hessische Gcndawuerie eben so gehalten werden solle, wie die
badische. Darin liege keine Gefährdung für einen badischen Staatsbürger.
Böhme erklärt sich eben deßyalb für die Reklamation, weil die Bestimmun-
gen der badischen Gesetze auf die Hessische Polizei angcwcndet werden sollen, was
nur im Wege der Gesetzgebung geschehen könne.
Sander findet, daß die Verordnung weiter geht, als irgend eine andere, be-
sonders auf die Auslieferung, die hier ohne weitere Untersuchung ans bloße Requi-
sition geschehen soll. So weit bestehe kein Grundsatz, der das Gastrecht sehr ge-
fährden würde. Bedenklich erscheint ihm auch, daß nicht nur flüchtige Verbrecher,
sondern auch andere, »der öffentlichen Sicherheit» gefährliche Personen hier genannt
werden. Es befalle ihn ein Grauen, wenn er in unserer Zeit von der öffentlichen
Sicherheit sprechen höre. Man weiß, daß Jeder, der etwas einer Regierung Un-
angenehmes gesagt hat, als der öffentlichen Sicherheit gefährlich bezeichnet wird.
Solche, für die persönliche Freiheit so wichtige Verordnungen können von der Re-
gierung nicht einseitig erlassen werden und die Kammer muß ihre Vorlage begehren.
Legationsrath v. Marsch all behauptet, daß die Verordnung dennoch nur aus
bisheriger Observanz beruhe. Vor einer Auslieferung werde auch die badische Be-
hörde nähere Untersuchung anzustellen haben.
Der Kommissions-Antrag wird mit großer Mehrheit angenommen.
7) Das von dem Ministerium des Innern am 6. Juli 1841 erlassene Sta-
tut für das Loiiaziuin idsologieam in Freiburg, verkündet im Regierungs-
blatt Nr. 19. Nach diesem Statut sollen in Zukunft mit gewiß wenigen Ausnah-
men sämmtliche studirenden, welche sich dem Studium der katholischen Theologie
widmen, vom Beginne dieses Studiums an bis zu dessen Beendigung und bis zum
Erntritt in das Priesterseminar in einem gemeinschaftlichen Gebäude, in einem so-
 
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