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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 185
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Landtagsverhandlungen.
Begründung der
Motion des Abg. Sander.
(Schluß.)
Gerade das, was sie über auswärtige Verhältnisse enthalten, läßt sich als d!»
Meinung der Negierung, die cs hat drucken lassen, ja als eine Art Mittheilung
von ihr ansehcn »ud gibt damit der auswärtigen Diplomatie eine höchst willkom.
mene Gelegenheit, Beschwerden über die feindselige Richtung der Censur bei unfern
Regierungen selbst zu führen, die dann zum Beweis ihrer friedlichen Gesinnung
nur zu leicht in die Lage kommen, ihren inländische» Zeitungen durch die Censorcn
den Mund über die auswärtigen Verhältnisse selbst dann zu schließen, wo die aus-
wärtigen Zeitungen offen den Krieg gegen uns predigen, oder wo die auswärtigen
Regierungen unsere Interessen auf das höchste bedrohen und verletzen. So ist eS
der Oberdeutschen Zeitung dahier ergangen, welche wegen ihrer Aufsätze gegen fran-
zösischen- Ucbcrmuth einen andern strengen Censor erhielt. So geht es gegenwär.
tig deutschen Zeitungen an unserer Nordgrenze, und so erklärt sich die zärtliche Sorg-
falt auswärtiger Mächte für die deutsche Censur reibt gut als ihr eignenes wohl-
verstandenes Interesse, welches sie mittelst der deutschen Censur dadurch bei uns selbst
verfolgen, daß sie ein Verbot der Erörterung unserer Interessen gegenüber den ih-
rigen, d. h. gegenüber den Interessen des Auslands erwirken. Wir Deutsche kla-
g«n deßhalb die Censur nicht nur der Beschränkung unserer inneren geistigen und
materiellen Entwicklung an, sondern wir klagen auch die Censur an der Darnieder-
haltung des deutschen Nationalgcfüpls, der Unterdrückung der Erörterung unserer
gemeinsamen Interessen gegen das Ausland, und damit der Schwächung der Kraft
Deutschlands, und der Verminderung seines ihm gebührenden Ansehens und seines
wohlverdienten Gewichts in der europäischen Staatenfamilie.
Man kann uns nicht cntgegenhaltcn, daß die deutschen Regierungen in Zeiten
vor Gefahr der deutschen Presse den Zügel schießen lassen werden. Sie tonnen eS
aus diplomatischen Rücksichten nicht, wenigstens nicht in dem Grade, wie es als-
dann nöthig wäre, oder es ist oft Zu spät, und jedenfalls ist die Presse nicht ein
Ding, welches man wie ein Bajonett nach Belieben auf- und abschraubt, welches
man je »ach seinem Bedürfniß frei gibt, und dann wieder in das Gefäugniß der
Censur verbringt.
Eben so wenig kann man uns entgegnen, daß ein Versuch zur Erleichterung
der so gedrückten deutschen Presse von uns aus, von einem kleinen deutschen Staat
vergeblich sein werde. In den kleiner» ganz und mit ungemischter deutscher Be-
völkerung zum deutschen Bund gehörenden deutschen Staaten liegt eben deßhalb die
reine, unverfälschte Sache Deutschlands. Sie sollten daher auch die ersten und äch-
ten Wortführer solcher ganz deutschen Nationalanlicgen sein, und an ihnen wäre
es, vor allen die heilige Sache der deutschen Preßfreiheit die Emancipaiion des
deutschen Geestes da zur Sprache zu bringen, wo sie mit ihrer Einmüthigkeit ihre
vom ganzen deutschen Volk gebilligten Verlangen auch durchsetzen können; an ihnen
ist es zu verlangen, daß man durch eine richtigere Auslegung der Karlsbader Be-
schlüsse, insbcsonvere durch Freilassung der innern Angelegenheiten eines deutschen
Bundesstaates von der Censur, der deutschen Presse alsbald eine freiere Bewegung
gestatte, und daß man von Seiten des deutschen'Bundes den provisorischen Zustand
der deutschen Presse definitiv nach Maßgabe der in der BundeSakte verheißenen Preß-
freiheit regeln möge.
Ich schlage Ihnen daher vor: eine Adresse an Seine Königliche Hoheit den
Grvßhcrzog zu richten, worin wir unter Zugrundlegung der früher im Jahr 1839
erlassenen Adresse, um eine gesetzliche Regulirung unserer Preßzustände insbesondere
um Freigcbung der Presse für unsere inneren Angelegenheiten von der Censur, um
eine alsbaldige Erleichterung des so schwer auf uns lastenden Preßzwangs, und um
eine Verwendung bei dem deutschen Bunde bitten, daß die provisorischen Prcßbeschlüsse
As deutschen Bundestags in eine definitive Regulirung der deutschen Presse nach
Maßgabe der etwa versprochenen Preßfreiheit übergeführt werde. Es ist zwar
treulich auf den Antrag des ehrenwerthcn Abg. Welckcr der Beschluß gefaßt worden,
drn Wunsch in daS Protoioll niederzulegen, daß sämmtliche provisorischen Maßrc-
geln des deutschen Bundes zurückgenommen werden, und unter ihnen befinden sich
auch tue über die Presse. Der Antrag des Abg. Welcker enthielt jedoch eine allge-
meine Richtung auf alle den Deutschen zugesicherten Rechte, so daß ich glaube, cs
könnte neben ihm immer noch in Beziehung auf die deutsche Presse die von mir
beantragte Adresse um so mehr beschlossen werden, als ich durch diesen Vorschlag
einer Adresse auch unserer ersten Kammer den Weg öffnen will, zu beweisen, daß
sie dem allgemeinen Verlangen Deutschlands um eine freiere Regulirung der deut-
schen Preßzustände nicht entgegenstcht. AnS Furcht vor dem freien Gedanken hat
Man die Censur erfunden. In der Furcht vor dem freien Gedanken wird die Ccn-
mr auSgeübt. Sorge man, daß wir nicht sagen: und durch die fortwährende Furcht
Ar dem freien Gedanken wird die Censur aufrecht erhalten. Gewiß, das deutsch,
verdient für seinen Standpunkt in der politischen Bildung, für die tief be-
gründete Gesetzmäßigkeit seiner Gesinnungen und Bestrebungen ein besseres Schick-

sal seiner Presse. Vertraue man ihm, so wird es wieder vertrauen, denn nur Ver-
trauen gebahrt Vertrauen; Mißtrauen aber auch nur wieder Mißtrauen mit all sei-
nen unausbleiblichen schlimmen Folgen.
CarlSruhe, 2. August. 31. öffentliche Sitzung der 2. Kammer. (Forts.)
Welcker unterstützt diese Anträge. Seit dem ersten Landtage, seit beinahe
einem Vicrtcljahrhundert, haben sich die Ansichten der Menschen über manche Punkte
modisicirt und zum Theil geändert; allein über das Recht der freien Presse und
seine Nothwendigkeit sind wir heute einig wie damals. Wir sind einig mit den
Rednern der wacker» Abgeordneten des ersten badischen Landtags, daß Preßfreiheit
ocr Lebcnsathcm, die Seele, die Kraft der freien Verfassung'ist. Wir sind einig,
daß der große Grundvertrag unseres Landes übereinstimmend dieses Recht uns ge-
währen.
Wir werden endlich doch auch ein Recht auf dessen Verwirklichung haben. Die
-eueren Verhältnisse haben uns nur noch vollständiger überzeugt, daß auch unsere
materiellen Interessen, von welchen der Zollverein ein Hauptrepräsentant ist, eben
so wie unsere rechtlichen, politischen und geistigen Interessen, die zunächst dnrch
tie Bundes- und Landesverfassung gesichert werden sollen, nimmermehr auf eine
glückliche Weise befestigt und befördert werden können, ohne das Recht der freien
Nitthcilung der Gedanken. Wir sind endlich in einem höheren Punkte Alle einig,
daß cs ein Flecken und eine Schmach wäre, wenn von allen Nationen die gebil-
detste — so nennen sie ja selbst die andern Völkern, — die deutschen mit ihren 38
Millionen Menschen allein unter den civilisirten Nationen des Rechtes der freien
Mittheilung von Gedanken, Gefühlen und Erfahrungen beraubt sein sollte.
Hecker schließt sich den Rednern vor ihm an und unterstützt die Motion, damit
d.e Schmach, welche, dem Anstande gegenüber, auf Deutschland lastet, von uns
a nommcn werde, indem es sage, wir seien gelehrte Grübler, aber keine freien
Männer. Wir sind mit Schmach bedeckt, weil man uns hindert das auszusprechen,
wovon wir durchdrungen sind, von Alpha bis Omega.
Die Diskussion wird geschlossen und der Antrag des Abg. v. Itzstcin einstimmig
angenommen.
Welcker verliest seinen Kommissionsbericht über die provisorischen Gesetze.
Derselbe wird gedruckt und ans eine der nächsten Tagesordnungen gesetzt werden.
Hierauf nimmt der Abg. Böhme das Wort und äußert: Er habe inzwischen
die von dem Abg. Welcker vorgelegten, auf die Bonndorfcr Vorgänge bezüglichen
Papiere durchgangen und gefunden, daß sic unwürdige Ausfälle gegen die dortigen
Beamten und die übrigen Staatsdicner enthalten und thcilweisc in so gemeinem
Tone abgefaßt seien, daß schon der Abg. Welcker sich veranlaßt gesehen habe, ein-
zelne Sätze und Wörter durchzustreichen. Jedermann werde sich schon beim ersten
Lesen überzeugen, daß diese Schriftsätze nur das Produkt der größten Leidenschaft-
lichkeit sein können; doch >ei es immerhin bedauerlich, ihnen eine gewisse Oeffent-
lichkeit zu geben, ohne daß cs dem Angegriffenen möglich werde, Gegenerklärungen
beizufiigcn. Sie diesem mitzutheilcn, werde der Abg. Welckcr im Interesse der
Verfasser nicht wünschen, wenn er die Strafen bedenke, womit unsere Gesetze den
Injurianten und Verläumder bedrohen. Ans den Inhalt wolle er vor der Hand
nicht eingehen, und den darin enthaltenen Ausfällen vorerst nur mit der Versiche-
rung begegnen, daß Amtmann v. Reichlin in Bvnndorf ihm als chrcnwerthcr, tüch-
tiger Beamter bekannt ist, von dem man sicher erwarten dürfe, daß cr keine
Schritte gethan, die nicht mit dem, was Ehre und Pflicht gebieten, vereinbar
seien. Dies sei in Beziehung auf die Untersuchung gegen Ochsenwirth Nieggler
unv die Suspension des Bürgermeisters Hiltmann schon dadurch bewiesen, daß das
Verfahren des Beamten entweder durch höhere Behörden angeordnet, oder durch
das Gesetz gerechtfertigt war. Die Natur der Sache, die Rücksicht, die man jedem
Angegriffenen schuldig ist, und die Geschäftsordnung erheischen, daß die Papiere,
wenn sie der Abg. Welcker nicht zurücknimmt, jedenfalls an die Petitions-Kommis-
sion gehen.
v. Itzstcin. Dahin geht eben der Antrag.
Böhme. Der Abg. Welcker hat die Bitte gestellt, sie zur Einsicht der Mit-
glieder im Sekretariat aufziilegcn. Ich verlange, daß die Papiere, wenn sie nicht
zurückgenommen werden, vorerst an die Petltionskommission gehen, damit diese er-
wäge, ob sie überhaupt der Mitthcilung werth sind, oder ob es nicht besser ist,
sie gänzlich zu entfernen.
Der Präsident hält eS allerdingS^für angemessen, daß die Kommission sich
vorerst von dem Inhalt überzeuge und erwäge, ob sie sich zur qffentlichen Auffe-
gung eignen.
Böhme ist überzeugt, daß die Kommission die Papiere zurückweifen werde.
Welcker will daS Wort nehmen, welches ihm vom Präsidenten versagt
wird, worauf er die Kammer auffordcrt, ihm das Wort zu geben, oder er trete
auf der Stelle aus diesem Saale. Er lasse sich das Wort nicht nehmen, wo eS
seiner Ehre gelte. — Der Präsident gibt dem Redner das Wort, bittet ihn aber,
sich kurz zu fassen und sich keine Ausfälle -u erlauben. — Welckcr: Das ist ein
imnöthigcr Ausfall, Hr. Präsident! .solche Bemerkungen brauche ich nicht.

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