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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 139
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0555

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Xo. 15»

Mittwoch, den 15. Juni

1842.

Lan-tagsverhandlungen.
Carlsrnhe, 1- Juni. Nachtrag zur fünften öffentlichen Sitzung der zweiten
Kammer, >Lckhl des Daniel Völcker in Lahr betreffend. (Schluß. - Siehe
Marge,wlatt No. 130, 131 und 132.)
^"k. Dxr Abg. Sander beruft sich auf tz. 8 der Geschäftsordnung, bewegt
sich tu einem Zirkel; er argumcntirt so, als ob die Kammer schon einen
Beschluß gefaßt habe; der ist aber noch nicht gefaßt. Der Abg. Sander kennt den
UnteZchied zwischen Gültigkeit und Beanstandung gewiß recht gut; eine Umstoßung
der Wahl kann nur aus Gründen erfolgen, die nicht unmittelbar im Rechtsgeschäft
liegen — sie setzt die Wahl als gültig voraus; denn eine nicht für gültig erklärte
Wahl kann man nicht umstoßcn. Ist das Wahlgeschäft an sich gesetzlich gültig, so
ist der Deputirie gewählt, seine Wahl ist gültig, wobei aber immer die Möglichkeit
bleibt, daß später ein Motiv gefunden werde, welches dje Wahl wieder umzustoßen
berechtigt. Ist der Umstoßungsgrund schon gegeben, aber zur Zeit nicht bewiese»,
so bleibt die Wahl so lange gültig bis die Sache bewiesen ist.
Um eine gültige Wahl zu Stande zu bringen, ist nöthig der Nachweis der ge«
scßlichcu Eigenschaften, und die Beobachtung der gesetzlichen gönnen beim Wahlakt;
""v ^cse beobachtet, so ist eine gültige Wahl zu Stande ge-
>, daß später einer aufträte und behauptete, der so ge-
..?ni-s^^ nicht mehr. Würde es da nicht absurd sein,
A"'ut.rten aus der Kammer auszuwkisen, bevor
iwch dlt Wahrheit kenstatlrt lft. Da wurde es am 'Ende iedem Scklinacl möalick
werden, ,eden ihm verhaßtes Deputirtcn aus der Kammer z„ ve>?r?iben Sottb'N
Aabalcn sollte man keinen Spielraum geben. ^ re.lrewen. Solchen
Trefurt dankt dem Abg. Mordes für seine Worte des Friedens und der Ver-
söhnung. Er sei aber der Meinung, daß der Friede nicht immer durch bescheidenes
Zurücktrcten uuv Sclbstoerläuguung, sondern ost durch festes Entgegemrctcn zu er-
langen sei. Er hoffe nach wie vor zu beweisen, daß er den einen wie den andern
Weg zu geben wisse.
Gerbel. Ich habe viel Juristische« gehört, glaube aber, daß diese Sache nicht
aus diesem Wege, sondern aus einem andern zu entscheiden wäre. Ich bcurtheile
nämlich die Sache nach dem Gefühl und bin der Meinung, daß man Zwar Über
Formen wcgsehen könne, daß man aber da, wo es sich davon handelt, ob man sich
sagen kann, daß man der Mann des Vertrauens sei, mehr auf die innere Stimme
des Gefühls hören, als sich an die Gesetzlichkeit der Form anklammcrii solle. Im
gegenwärtigen Fall verdient der allgemeine Nus auch Beachtung; ein Deputirter
aber muß eines tadellosen Rufes genießen; und wer so angegriffen ist, der sollte
so lange zurücktrcten, als sem Nus nicht von der Anklage befreit ist. Das Verhält-
nis dir Parteien m der Kammer, bemerkt der Redner, sei allerdings unangenehm,
in Folge der durch den -Beschluß vom 18. Februar herbcigeführten Scheidung in
Einunddreißiger und iscchsundzwanziger. Allein die Provokationen gehen, wie
durch die bisherigen Verhandlungen nachzuweiscn sei, von der Regierungspartei aus.
Treturt zwclteit, daß die Abstimmung vom 18. Febr. die Abscheidung der
Mitglieder bcrbclgefuhrt habe, denn er könne darin nicht den politische» Charakter
finden, der aut die politische Farbe des Einen oder de« Andern zu schließen erlaubte.
Wenn ihn, der lonst nicht leicht aufbrause, in der letzten und heutigen Sitzung die
Entrüstung fortgeriffen habe, so liege der Grund zunächst in dem bisherigen 'Ver-
laufe der Wahldebatten. Man habe von Seiten der Gegner keine Gelegenheit ver-
säumt, die Staatsregierung in Schatten zu stellen und die Beamten als unfreie
Werkzeuge der Regierung zu brandmarken. Man habe nur den Depiitirten der Oppo-
sition den Namen Patrioten und Volksfreunde beigclcgt, als ob^die Freunde der
Regierung Feinde des Vaterlands wäre» (Widerspruch 'von vielen Seiten). Daher
seine Aufwallung, die sonst selten bei thu, vvrkomme.
„ .v. Jpstein. Die Ausführung des Abg. Bekk ist sehr gelehrt und scharfsinnig,
allkli, sw mich dennoch nicht Überzeugt Der Gegenstand der Anklage ist sehr
klar, die Anklage selbst ist nicht von Galgcnschlingeln, wie der Abg. Bekk
NW lehr h§rt ausdrückte, sondern von achtbaren Bürgern von Seelbach vor vic Kam-
m T>es und die Notorictät der Sacke in der ganzen Gegend gibt der
Bclch»,dlgung auf Bestechung der Urwähler ein nickt geringes Gewicht. Der ge-
sUNdk «um eenes schlichten Bürgers in der Abthcilung hat die Sache ganz einfach
nnd richtig autgefaßt; er hat gesagt: warum hat denn der Abg. Völcker den Leu-
ten Geld gegeven , als darum, daß sie ihre Stimme» den von ihm vorgeschlagenen
Wahlmannern geoe» sollen. Und diese Wahlmäuncr haben ihn gewählt; er ist
nicht der Mann des Vertrauens. Selbst der Abg. Bekk hat diese Art und Weise,
einen Sitz in der Kammer erlangen, streng gewürdigt; er muß daher selbst für
die Beanstandung der Wahl sti,„„,^
Geh. Res. Eichrodt. Vorerst „Me die Glaubwürdigkeit der Petition unter-
suchr werde»; nehme man diele Anklage so leichthin als begründet und beachtens-
Werth auf, so würde die Kammer kem ausge,ctzt sein, daß frivole Menschen die
unbegründetsten Angaben an die Kammer brächten; vor allen Dingen müsse die
Aiitlicntizjtät der Unterschritten nachgewiescii sein, denn er erinnere nur den Abg.
Welcker an eine durch ihn an einem frühere,, Landtage übergebene Petition, bei
her sich gesunde» habe, daß die Unterschriften seimmtlich erdichtet gewesen seien.
d- 3tzstein. Aber die Sache war wahr, von der cs sich handelte.
Knapp. Die ganze Sache wird aiif das Einfachste und Antzcste beendigt wer.
den, wenn der Abg. Völcker in diesen Saal tritt und sich ansspricht. Wenn er

mit der Hand auf dem Herzen erklärt: ich Lin rein von Bestechungen, so wolle»
wir ihm glauben.
Bekk: Nicht die Wahlmänner von Scelbach habe ich Galgenschlingel genannt,
sondern die zwei Menschen, die die Schamlosigkeit hatten, sich selbst anzngeben,
und in Bezug auf diese beharre ich jetzt noch auf dem, was ich gesagt.
Rindeschwcnder: Mir brummt noch der Kopf von der unendlich kunstferti-
gen, ächt juristischen Ausführung des Abg. Bekk, die, wenn es Andern geht, wi-
es mir gegangen ist, statt zu erläutern, nur von der richtigen Beurtheilung der
Streitfrage abwegs führte. Ich lasse darum die Nechtsgclehrtcn in ihrem Bereiche,
und appellire an den gesunden Menschenverstand, um auf den nächsten Schluß zu
kommen, daß bei der Einfachheit der Sache der Wortlaut des tz. 8 der Geschäfts»
Ordnung Ziel und Maß gebe Wir wollen hier nicht entscheiden, daß die vorlie-
gende Wahl ungültig sei, sondern daß sie einer Beanstandung unterliege, und
sprechen wir solche aus, so kann der Abg. so lange nicht mehr an den Berathun-
gen Thcil nehmen, bis der Anstand auf irgend eine Weise gelöst oder gehoben ist.
Jungbanns kann die Wahl nicht beanstanden, da das von einem Notar
aufgenommene Siindcnbckenntniß der zwei Selbstdcnunziantcn nicht die Dedcutuug
einer glaubwürdigen öffentlichen Urkunde habe. Einerseits sei der Notar nicht kom-
petent, Zeugen ävmhörcn und Urkunden darüber aufzunchmcn; andererseits gehöre
er selbst zu der Gegenpartei Völckcrs und habe eine Hauptrolle bet den Umtrieben
gegen denselben gespielt. ,
Blciborn motivirt seine Abstimmung ans Gründen des gesunden Menschen-
verstandes und des tz. 8 der Geschäftsordnung. Er verwahrt sich gegen den Vor-
wurf vcrsönlichcr Rücksichten, da er vielmehr im Jntcreffc Völckcrs, der sei» Freund
sei, die Wahl bis nach gepflogener Untersuchung beanstande.
Bader würde dem Antrag der Abthcilung beistimmcn, wenn die Thaffache
der Bestechung koustatirt wäre; das Zeugniß jener beiden Menschen sei aber für ihn
kein Zeugniß, und darum tbcile er die Ansicht des Abg. Bekk.
Wcilep tritt dem Antrag des Abg. Bekk mit Entschiedenheit entgegen, da der-
selbe nach den Gesetzen »nzutäffig sei. Wenn eine Wahl beanstandet wirk, so kann
der Gewählte nach ocr Geschäftsordnung so lange nicht eintrcten, bis der Anstand
gehoben ist. Sobald aber eine Wahl für gültig erklärt ist, könne sic hintennach
nicht wieder umgcstoßcn werden. Wollte man dies zugeben, so könne ei» Abg.,
de», die Mehrheit nicht hold sei, jeden Augenblick seinen Sitz verlieren.
Mordes tritt dieser Ansicht bei, so wie dem Wunsche des Abg. Knapp, daß
Völcker selbst ausgetreten wäre und eine beruhigende Erklärung gegeben hätte
Auf den Nus «zur Abstimmung« erklärt Bekk, daß abgestimmt werden solle:
l. ob die Wahl als unbeanstandet zu erklären, 2. die Petition der Wahlmänner
dem hohen Staatsministcrium zur Untersuchung zu überweisen sei? Der Redner
reaffumirt seine Argumente zur Vertheidiguug seiner Anträge. Diese Kammer hat
nur über die Wahlakten zu erkennen; diese dienen ihr zur Grundlage ihres Be-
schlusses auf Beanstandung oder Nichtbeanstandung; die Form der Gütigkcitserklä-
rung einer Wahl ist der Geschäftsordnung fremd; eine Wahl wird gültig dadurch,
daß sie für nicht beanstandet erklärt wird. Werden Tbatlachc:: von außcn der bei-
gedracht, so können diese keinen Beschluß auf Beanstandung motiviren, der Gewählte
bleibt im Besitz seines Rechts, in der Kammer zu sitzen; seine Wahl aber kann spä-
ter anullirt werden.
Gerbel: DaS beißt: die Gültigkeit in die Hand der. Negierung legen, denn
sie kann die Untersuchung verzögern, so lang sic will.
Richter, welcher dem L>chauplatzc der Wahlvorgäuge nabe war, erzählt, wie
die beiden Parteien, deren Hänpecr Cichorienfabrikant Völcker und TabakSfabrikant
v. Lotzbeck waren, sich aus rein persönlichen Gründen bekämpfte». Sie hätten zwar
durch Farben sich in Blaue und Gelbe geschieden, allein ihre politische Farbe
sei eine und dieselbe. Es sei allgemein bekannt, daß jeder Theil alle Kräfte auf-
geboten, alle Mittel angewendet hätte, um den Gegner zu verdrängen. Freigelage
seien in den Wirthshäusern gehalten. Tausende von Gulden zu Bestechungen ver-
wendet worden. Der Redner sinket diese Auftritte sehr beklazeuswerth und stimmt
für die Beanstandung einer durch solche Mittel erzielten Wahl. (Vielseitiger Nus:
zur Abstimmung.)
Welcher, als Berichterstatter, hat daS Wort: Die Vcrthcikiger des Abg.
Völcker haben ibm keinen guten Dienst erwiesen, indem sie ihn mehr vom Stand-
punkt der Partciausickt als von de», des Rechts aus vcrtheidigten. Durch solche
Parteilichkeit entkräftet man Anklagen nickst. Achtbare Bürger sollte ma» nicht be-
schimpfen, wenn sie im Interesse der Verfassung und der Wahrheit Eingaben an
die Kammer richten. Ma» hätte noch weniger Diejenigen angreifen sollen, die
»ach ihrer psiichtmäßige» Ueberzcugmig über die Petitionen schlechthin den Stab
brechen und die Anklagen als keiner Untersuchung bedürftig abweisen konnten. Zur
Vertheidiguug der Abthcilung ist cs nöthig, zu bemerken, baß selbst die Dürr'sche
Petition bedeutende Momente enthält, welche die Gegner gänzlich übersehen. Sv
handelt es sich in derselben nicht btos um eine alte Banlerottge-
schichtc, sondern darum, daß Hr. Völcker sich für den Landtag 1831
durch ei» erschlichenes, unrichtiges WiedcrbefähigungSurtkeil de»
Zutritt in die Kammer verschafft habe, niid daß er noch gegenwär-
tig bei großem eigenem Reichthume, durch ihn verarmte Kreditoren
unbefriedigt in Armnth schmachten lasse. Selbst die in der Petition ge-
gen das Amt rücksichtlich jener Fälschung ausgesprochene Beschuldigung, könne Loch
 
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