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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 155
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0625

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No. ISS


1842


Sonntag den 3. Juli.

Lundtagsverhandlungcn.
Carlsruhc, 28. J»»i. 16 tc öffentliche Sitzung der 2. Kammer. (Fortsetzung
der Motion des Abg. Wclckcr.)
1) Mein erster aus diesen Gesichtspunkten bcrorgehender Antrag ist die Bitte
un> die Vorlage eines Gesetzentwurfs über einen Normaletat für
die wtaatsdienerverhättnisse, über die Zahl und gesetzmäßigen
Gehalte. Auf dem Landtage 183> legte selbst die Negierung der Kanin,er einen
solchen Gesetzentwurf vor, um den, Lande wie den Beamten eine gesetzliche Siche-
rung zu geben. Sicherlich hatte sic sich in diesen, Entwürfe, der in ser Kammer
noch Beschränkungen entgegensah, freien Spielraum gelassen und auch die Zahl »nd
die Gehalte der Diener nicht zu gering bestimmt. Der „der diesen Gesetzentwurf
erstattete einstimmige CoiiimisslvilSoerichk der Kammer minderte auch beide „ow gar
»ehr Dennoä! sch?» wir bereits in zehn Zähren schon weit die von der Negi.ru,,g
damals seldstgewollte Anzahl der Beamten und die Größe ihrer Gehalte uberschrit.
ten. So schlug der gesetzliche Normaletat bei den Bczirksbcamte« achtzehn Anfangs-
Beamten mit 600 fl. Besoldung vor. Jetzt haben wir keinen zu 600 fl. mehr.
Der gesetzliche Normalität hat 4 z» 2400 fl. Jetzt haben wir 9 zu 240« ft. und
darüber. (Die Commission schlug als Marin,,nn 1600 fl. vor.) So wollte ferner
damals die Regierung nur r:r zu i.g,o. geht bade» wir 20 zu 1800. (Wurtcm-
dcrg hat 3 Elasten von IVO«, 1300 und ,,0o.) Uebtrhaupt hielt die Regierung
daniais 154 ausreichend. Jetzt haben wir I -0. Die Abweichungen der Regierung
von Normaletat, sobald derselbe nicht gesetzlich tcngestellt ist, werden ln Beziehung auf
die L>Shr der Besoldungen in der Regel nur zur Belastung rer Staatskasse ansfal-
le,, ^ Zwar sind Fälle bekannt, wo Rathen ber Richter- nnc Verwaltungskollegici,
ihre nor<„alma"ige.Besoldung aus politischer Ungunst und um sie für ihre konsti-
tutionellen „»abhängigen Gesinnungen zu strafen, lange verweigert wurden. Loch
solche Ersparnisse und dem Volke nicht vorthcilhaft uns-auch seiten, da einige w..
yigc Bestrafungen einzelner Beamten in diesem Suiue genngen, um alle zu schre-
cken Dagegen ist r,e Zahl derer, die Gunsten u„v Zulagen verdienen, nbcrtrie-
hcn grob. Die Regierung imhin später diesen Gesetzentwnrs lediglich unter Angabe
des GrnnLcö hinweg, daß man dessen Erledigung auf diesem Landtage wegen lie-
ber,naß der Gesehä-to nicht mehr möglich halte, »cnsrtben also dem nächsten Land«
laae Vorbehalte. Aber keine Wledervorlage erfolgte. Mel» Antrag geht nun mit
Bcnel»»>g aus etc früheren Verhandlungen:
Auf die Butte UNI eine neue Gesetzesvorlagc über einen Normaletat so-
dann aber
2) dahin, daß die hohe Kammer die Biidgeteomnüssion anffordere, bis zur ge-
setzlichen Feststellung auf jede thunlichc We.se dahin zu wirken, daß die Zahl
der Beamten uns die Größe ihrer Besoldungen möglichst in den durch jene
frühere Regierungsvorlage und den Commissionsbericht bezcichneten Schran-
ke» und Verhältnissen erhalten werde.
2^ Mein zweiter Antrag geht auf die Bitte um eine GesetzcSvoriagc, welche
die zur Sicherung der Selbstständigkeit der Justizbehörde» und der Volks-
kammer, so wre auch deS Volks gegen Ucberlastiing mit Pcnfioncn nolhi-
gcn Interpretationen, Ergänzungen und Verbesserungen des StaatSvieuer-
E-ikls enthalt.
Diesen Antrag begründete ich ans dem Landtage 1833 in einer Motion. Ein
rinstimmiger vom seligen Rotteck erstatteter Eoninussioiisbericht und eine von der
Kammer mit emiw'nlcr Stimmenmehrheit h:e>anf beschloss.»,' Adresse traten in altem
Wesentlichen meinen Vorschlägen bei, „iw auf diese Verhandlungen beziehe ich mich.
I», Wesentliche!! in ihren, Sinne bezwecke ich die Abchulfe der Ucbel. Die-lieber«
last»,,g des Landes mit Pensionen, diese furchtbare Ileberlastiing, welche von allen
Kannucrn bis jetzt noch vergeblich bekämpft wurde, welche »och fortdauert, obgleich
hie übernommenen sogenannten alten Pensionen jährlich mehr aussterden, — sie
erfolgt vorzüglich aus ren zwei Hanptguellen: e>) weil viele noch fähige und nicht
unwürdige Diener aus LLilltuhr und politischer oder anderer Ungunst penflonirt,
und zugleich ,„it een, Lande unoerdient gestraft werden; b) weil inan viele unwür-
dige wiener, statt daß man durch rechtzeitige gesetzliche Aussicht und Strenge ihre
Verkehrthe» verhindert, und sie dann nach gesetzlichen Grunde» und Formen ohne
Pension entfernt, aus Bequemlichkeit lieber pciisivnirt, so daß also das Land zn,„
Zwesteninale nut ihnen gestraft wirb. — Die Schutzmittel gegen die absolute Will«
kubr und Far»tlbchOeit der Pensionirungen wie der Versetzungen , schütze» also zu-
gleich de» würdigen Oeener gegen Mißhandlung, und zugleich das Laub gegen
Pennonslastcil uns andere Nacht^ite. Gleiches gilt von einer in gesetzlich sichern-
de» Formen aus.eubten Anfncht und Strenge gegen wirklich unwürdige Diener«
welche der Lichtung und Wir.iamkeit der Würdigen schaden.
3) Mein dritter Antrag geht auf rine Bitte: , . ' '
»um endliche Erfüllung dcr schon im Fahre i»Zl von Sr. König!, Hoheit
dem Großherzog uns urkundlich zugcsagte» Trennung der Administration
von der Justiz.»
Aber ich verzichte billig auf jedes Wort zu Gunsten dieses Antrages und über
die von allen Sachkundigen, wie von der zweiten badischen Kammer, stets aner-
rs"me, durch jede neue Erfahrung bestätigte Verderblichkeit der Vermischung der
yothwcirdrg selbstständigen und an ganz eigentbnmlichc Formen gebundenen Znstiz,
K»d der stets mehr politisch abhängigen Verwaltung.

4) Mein vierter Antrag geht auf eine Bitte:
»flir's erste um bald möglichste Beseitigung der wahrhaft schreienden Gebre-
chen unseres Strafverfahrens« durch die ebenfalls seit 1831 von Sr. Kon.
Hoheit Nits verheißenen Vorlage einer auf Anklageverfahrcn, Des-
sen tl lebte it und Mündlichkeit gebauten Prozeßordnung, so-
dann fnr's zweite uni Eilifiihrung von Schwurgcrechtcn.»
Auch über die dringende Nothwendigkeit jenes ersten Theils dieser Bitte« die
auf jedem Landtage einstimmig von der Kammer ebenso anerkannt wurde, wie in
euer fürstlichen Zusage, und von dem schon vor 8 Jahren gedruckten Rcgicrungs-
Entwurf einer Strafprozeß-Ordnung, welche uns aber die spätere Reaetion vorciu-
' ielt^ wäre jedes neue Wort überflüssig. Nicht minder kann ich mich für den zwei-
te» Theil der Bitte oder für das Schwurgericht auf die früheren einstimmigen Be-
ichlusse der badischen Kammer, auf die entschiedene Erklärung von Kammermitglie-
Lern, wie Licbenstein, Jtzstein, Rotteck, Duttlinger, Bader, Sander und andere
berufen, so wie auch auf meine auf dem Landtage 1841 dieser hohen Kammer über-
gebene, auch im Staals-Lcricon abgcdruckte Schrift: »Jurp oder die Gebre-
chen unscrr Strafrechtspflege und das Schwurgericht als das ein-
zige Mittel, ihnen abzuhelfcn, Altona 1840.» Fast alle größten crimina-
eistuchen uns politischen Schriftsteller aller Völker erklärten ebenso, wie bisher bei.
nabe fast alle freie Nationen der Erde und mit ihnen alle unsere nberrheinischeii
deutschen Landsleute, Laß das Schwurgericht nach Humes und unseres deutschen
Mosers Worten »die herrlichste Erfindung des menschlichen Geistes zum Schutz der
Gerechtigkeit und der bürgerlichen Freiheit» sei. — Zwar erklären neuerdings einige
Schriftsteller trotz ihrer Anerkennung dieser Wahrheit doch einen Antrag auf das
Schwurgericht von Selten deutscher Staatsmänner »nd Ständekammcrn für ein«
praktesch, »denn die deutsche Nation werde es nie,»als erhalten » Eine Hindentung
auf ein bttnrcögesctzliches HüwerniK ist, wie auch schon auf meine Anfrage auf dem
vorigen Landtage der Chefs des Justizministeriums erklärte, eine Täuschung. Ein
wlcheS Verbot besteht nicht, und kann gar nicht gültig bestehen, es liegt gänzlich
äußer aller Eompctcn; des völkerrechtlichen Bundes, der nur ausnahmsweise
oinege wenige bestimmte innere Rechtsverhältnisse unter seinen Schutz gestellt
hat. Daß aber die deutsche Nation von 38 Millionen, einst die erste der Christen,
heit, die Forderung uni zeitgemäße Herstellung eines acht vaterländischen In-
stituts, welches ulte civtlisirtcu freie,, Völker, als den höchsten «chntz ihrer verso,I-
lichen und bürgerlichen Freiheit von den Deutschen entnahmen und »nn heilig hat-
ten — nicht einmal fordern sollte — weil cs ihre Fm sie» ibr dennoch verweigern
würden, -- dieses ist eine Beleidigung der National-Ehre und der fürstlichen Eine
zugleich, eine Beleidigung für ihre Gesinnung, wie für ihren Verstand, deren ich
mich nicht schuldig machen will. Und praciischer wenigstens als. trotz aller Kleinig-
keit außer Rückschritten doch nichts Tüchtiges zu Stande zu bringen, halte ich es,
daS ganze Recht, die ganze Volksehre zu fordern und die Grundsätze zu behaupten;
denn practisch ist cs, dem Nationalrcchte und der Ebrc des gesunden Verstandes der
Nation nichts zu vergeben, und die öffentliche Meinung für das ewig Rechte n>
wecken und zu erhalte,,. Zhr Steg ist dann stets eben so unwiderstehlich, als d.s
edlen Wilbcrfvrcc Sieg nach vierzigjährigen vergeblichen und doch nicht »nnpra»«
t-scheu» Anträgen auf Aushebung dir Negersclaverci. Glaubte übrigens unsere
hohe Regierung durchaus uns jetzt nur öffentliches Anklage-verfahren „nd noch nicht
das Schwurgericht gewahren'zu können, nun so nehme ich Anschlagszahlungen ven
ihr an, nehme sie mit Dank auf so lange an, dis ihr Standpunkt besser und freier
wird, uni freiwillig das Ganze, was Recht ist,, z» leisten, oder bis die unvernieu-
liehe bessere Erkenntniß erfolgt.
ö) Mein fünfter Antrag geht auf eine Bitte:
»daß den Gerichten das uralte deutsche und natürliche Recht der Entschei-
dung in den unter dem Namen Atminisirativiuüiz vorkominciiden wahre»
Rcchtsstreitigkeiten, so wie über die Streitfrage, was Justizsache sei, w->
der znrnckgcgebe» wcrd.»
Wievcruni als Nachahmung der verderblichen napoleonisch französischen Ei,trieb -
tungcn in der schmachvollen Rheinbundszeit ist uns die Einrichtung übrig geblu-
bcn, daß man die Jnstizversaffung und selbstständigen Schutz der unabhängigen Ju-
stiz i» allen Rechtssachen verstümmelte. Man überwies eine Reihe wahrer Justiz.-
sachcn, unter dem Namen Administrativ-Justiz an die Verwattungsdehörden, für
welche nun kostspielige Vermehrung ihres Personals und ihrer Einrichtung nötlüg
wurde. Mau »ahm zugleich den Gerichten das alte ewige Recht der Entscheidung,
ob ein ihren Schutz aufrufendcs Recht wirklich ein Recht sei, und schuf auf aber-
mals kostspielige und verderbliche Weise neue besondere Admiuistrativgcrichte, um
über die sogenannten Eompetenzcvnflicte zu entscheiden. So überall Verkehrtheit
„m der Verkehrtheit, Beamten um der Beamte» willen! Aber auch hier, wie bei
»nderu unglückseligen, in neuester Zeit manchen Ministern so sehr behagenden Nachah-
mungen des iiapölconischcn und rcvolutionirten Frankreichs, blieben die armen
Deutschen wieder weitaus in, Nachthcil, in, Vergleich zu den Franzose» selbst. Die
Franzosen hatte» den Schutz ihrer Administrativjustiz und ibxcr Cempeteizzeonfliete
doch ihre große Oeffentlichkcit und Preßfreiheit, ehre gegen Minincrwillkübr kraft-
volle Neichsverfassnnq uns auch große unabhängige Kollegien und unabsetzbare Rich-
ter für die Competenzconfliete. Las fällt bei uns alles weg. und wer unsere Ver-
hältnisse kennt, der kennt außer der Vermehrung des Personals „nd der Kosten,
der Geschäfts die zahllosen Hemmungen, RechtStränkungen und die Abhängigkeit
 
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