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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 201
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Freitag den 26. August.

1842.

No. 20 z.


LandtagsvcrhKndlungen»
CarlSruhe, >9. Aug. 41. öffciitl. Sitzung der 2. Kammer. (Fortsctzung.)
Böhme fährt fort: Man ist auch überall, wo man ein solches passives Ver-
halten versuchte, auf andere Ansichten gekommen, weil man die Unmöglichkeit der
Durchführung erkannte. In Frankreich und England, in den Republiken der Schweiz,
geschieht ganz gewöhnlich, was hier als etwas Unerlaubtes angefochten werde» soll.
Es war auch wirklich auffallend, daß Männer, welche sonst die politischen Ereig-
nissen nach großen Bildern, nach den Mustern von Frankreich und England zu be-
urtheilen pflegen, hier in der Einwirkung der Regierung auf die Wahlen etwas
so Abnormes finden wollen. Mag ich auch als Parteimann angesehen werden, so
behaupte ich doch, daß die Einwirkung der Regierung auf die Wahlen nicht verfas-
sungswidrig, daß sie dem Geist der Verfassung nicht widerstrebend, sondern durch
die Nothwcndigkcit geboten und durch die. Verfassung nicht ausgeschlossen ist. Der
Commissionsbericht scheint dies anzuerkcnnen, denn er übergeht die dießfallsigcn Be-
hauptungen der Motion. Der Herr Antragsteller hat aber gerade damit d:c kral-
ligste Waffe seines Angriffs sich entwunden; denn was in der Befugniß des Eenen
liegt, Fan» nicht zugleich eine unerlaubte Befugniß für den Andern sein, und wenn
der Eömmiffionsbericht den Satz aufstellt, daß in diesen Cirkularicn und in der
Wahleinwirkung der Negierung eine Beschränkung der verfassungsmäßigen Wahl-
freiheit liege, so ist auch dieses unrichtig, weil der Satz einer rechtlichen Grund-
lage entbehrt. Er wäre nur dann gegründet, wenn die Negierung unerlaubte Mit-
tel empfohlen oder für zulässig erklärt hätte. Der Eömmiffionsbericht fühlt dieß
und unterstellt cs deßhalb auch als eine ausgemachte, keines Beweises bedürfende
Wahrheit, daß die Minister von den Beamten als solchen verlangt hätten, mit den
Mitteln und der Kraft ihres Dienstes zu influircn. Weil nun aber die Circulare
gerade das Grgentheil sagen, so hilft sich die Komnuffion auf eine fast sonderbare
Weise mit der heute schon angeführten Phrase, welche sagt, alles was dee Rcscripte
hinsichtlich der zu schützenden Wahlfreiheit enthalten, ist schlechthin nicht zu beachten
und dient nur zur Verhüllung der Absicht, die Partei der Regierung zu verstärken.
D?i Minister scheinen freilich in der Kommission einem strengen Richter heimg'tsal-
lc»; zu sein ; es hilft nichts, wenn sie ausdrücklich erklären, die Regier ug wolle nur
einwirkcn, so weit es nach der Verfassung zulässig sei; es hilft nichts,, daß sie die
Beamten auffordcr», nur von ihren staatsbürgerlichen Rechten bei den Wühlen Ge-
brauch zu machen, um die Wahl von treuen Anhängern an Fürst und Verfassung
zu beförrern; es hilft nichts, daß sie nur den Absichten und Planen einer der Ne-
gierung feindlich entgcgenstchendcn Partei entgegen treten wollen. Sie müssen also
rrwas Anderes gewollt haben, als die Circulare sagen, denn sonst wäre wahrlich
keine unerlaubte Beeinträchtigung der Wahtsreiheit vorhanden, und doch soll ein
Tadel gegen sie ausgesprochen werten. Ueberdieü fragt cs sich, wie bei unseren
Cinrichlmigcn und vollends bei unserm Wahlsystem, eine unerlaubte Beschränkung
der Wahlfreiheit nur möglich ist, ohne Bestechung, die stets auf beiden Seiten ver-
werfliche Gesinnungen voraussetzt; wie sie möglich ist bei einem Volke, dessen Mün-
digkeit so eifrig verthcibigt uud dessen Biederkeit nirgends bezweifelt wird. Obgleich
die Minister allerdings ihre Nescripie an das Volk halten erlassen können, weil da-
rin nichts weiter gefordert ist, als was die Pflicht den Staatsbürgern gebietet, so
ist cs doch natürlich, daß sie sich vorzugsweise an die Staatsdiencr, an ihre Or-
gane, wendeten, weil sic bei ihnen diejenigen Gesinnungen voraussctzen, deren Ver-
breitung sie wünschte»; sie haben sich auch in dieser Erwartung nicht getäuscht. Alle
Staarüdiencr mit Ausnahme einiger wenigen, die gegen die große Zahl der übri-
gen nicht in Betracht kommen, haben durch ihren Einfluß oder durch ihrr Abstim-
mung dazu beigetragen, Wahlen in conservativem Sinne zu befördern. Es ergiebt
sich dieß schon natürlich aus der Stellung dieser Männer und man müßte gegen
die Erscheinungen des Tages die Augen verschließen, wenn man in dem Benehmen
ber Staatsdiencr nur eine Einschüchterung als Folge der Nescripie sehen wollte.
Die Staatsdiener sind durch das Dienercdict so gesichert, daß ein Mann von selbst-
ständigem Charakter außer seiner Dicnstsphäre sich keiner Zunulthung zu beugen
har, die sich mit seiner Ueberzeugnng verträgt, indem die Versetzung auf eine
weniger angenehme Stelle sich leicht verschmerzen läßt. Zch kann also in den Ne-
icnpten eme verfassungswidrige Einwirkung unv^ Beschränkung her Wahlfreiheit
nickt erkennen, und ehe,, so wenig sind auch die Folgen gegründet, die der Herr
Antragsteller und die Kommission aus denselben ableiten will. Es sollen dadurch
die Staatsdiencr aus ihrer würdigen Stellung herausgcriffen, sie sollen in eine dem
Volk entgegengesetzte Stellung gebrach, und hierdurch das Vertrauen der Bürger
in ihre Wirksamkeit vermindert worden sein. Dieß wäre nur dann möglich, wenn
alle Bürger im Lande auf die Seite der Opposition, wenn alle Anhänger der Re-
gierung und alle Leute verschwunden wären, die der Negierung Verfassungstreue
und warmen Eifer kür das Wohl des Volkes Zutrauen. So ist es aber nicht, son-
dern cs sind zwei Parteien da, deren verhältnißmäßige Größe man nicht nach dem
Ausgang der letzten Wahlen beurtheilcn darf. Man würde sich hierin täuschen.
Mag es ein Staatsdiener sein oder nicht, der sich in die Wahlen mischte, wenn er
nur sonst ein Mann ist, den man achten kann, so wird man doch wahrlich wegen
politischen Gesinnungen das Vertrauen auf seine Persönlichkeit nicht aufgeben.
Auch würde ich mir einen geringen Begriff von der politischen Bildung des Vol-
machen, wenn ich annehmen müßte, daß es sich nicht auf den Standpunkt em-
porfchwingen könnte, den Ausgang einer Wahl als eine vollendete Tatsache zu
betrachten, die man annehmen muß, auch wenn sie nicht erwünscht ist; wenn ich


denken müßte, daß Bürger, weil sie bei einem Wahlkampf in verschiedenen Feldern
sich befinden, auch fortwährend feindlich sich gegenüberstehen. Man muß dieß der Zeit
überlassen und bei der großen Masse der Bürger, die bei den Urwahlen ihre Stim-
me abgcben, sodann aber um die Wahl sich nicht weiter kümmern, kann von einer
feindseligen Stellung aus politischen Gründen keine Rede sein. Gibt es gleichwohl
Einige, die in fortwährender Aufregung sich befinden, so muß man erwarten, dass
die Zeit sie heilen und daß sic in ihrer politischen Erziehung fortkchreiten werden.
Und wenn auch einzelne Staatsdiencr bei dem Wahlgcschäfte ihre Befugnisse über-
schritten habe», so kann darum noch kein VerdammungSurthcil gegen die Cirkulare
der Minister geschleudert werden. Diejenigen, die zu weit gingen, sollen, ich ver-
lange es, ihr Benehmen rechtfertigen und dafür zur Verantwortung gczogcu wer-
den. Wenn aber die Unterstellung der Kommission richtig wäre, so müßte man je-
dem Staats- und Kirchendiener die Theilnahme am politischen Staatslebcn, die
Thcilnahme an den Wahlen ganz untersagen.
Wenn also die Grundlage des Antrags fehlt, daß nämlich die Circulare ver-
fassungswidrig seien, und eine unerlaubte Beschränkung der Wahlfreiheit enthalten,
so fehlen auch in der Wirklichkeit die Folgen und sic finden glücklicher Weise nur
in dem Kommiffionsbericht statt. Ich kann deshalb ihrem Antrag nicht zustiinmen,
der ohnehin, wie mir scheint, nur dadurch eine Wichtigkeit erhält, daß die Kammer
wenn sie denselben annimmt, von dem gewöhnlichen Wege sich entfernt, aus den»
sie ihre Beschwerden und Vorstellungen zur Kenntniß des Thrones bringen sollte.
Abgesehen von dieser Frage, die allerdings tief in daS Verfassungsleben cingrcift,
wäre man eher geneigt, den Antrag als eine etwas schwächliche Erscheinung aus-
zunchmcn. Was ist cs eigentlich, was dadurch erzielt wird? Wenn er die Mehr-
heit erlangt, so werden einige Mitglieder dieses Hauses ihre persönliche Ansicht da-
hin aussprechen, daß sie das Verfahren der Minister nicht billigen, daß sic mit
demselben nicht einverstanden seien. Kaum, wird es aber hiezu einer Abstimmung
bedürfen. Wie sie übrigens auch ausfallcn mag, immcr werden cs Ansichten sein,
die sich dadurch an den Tag legen, welchen wieder andere Ansichten entgegen stehen,
und für deren Nichtigkeit die Anzahl der Stimmenden keine Garantie leistet; denn
in allen Fragen der Wissenschaft und des Rechtes ist es nicht die Stimmcnzahl, die
entscheidet, sondern die Wahrheit, die so, wie sie mit der Zeit aus den Kämpfen
cmporsteigt, einen dauernden Sieg erringen kann. Einen solchen Kampf hat die
Negierung eröffnet, ohne die Wahlfreiheit zu unterdrücken. Sie bat in ihrem Recht
gehandelt'und kein unerlaubtes Mittel gebraucht. Stetst, alle Heimlichkeit verschmä-
hend, ihre» Gegnern offen entgegen getreten, und wenn cS diesen gelang, selbst
ihrem Freimuth eine falsche Deutung zu geben, so bleibt doch in den Augen des
Unbefangenen ihr Auftreten ehrenhaft. Unsere Mitbürger sind intelligent genug, daß
sie nur die gesammtc Wirksamkeit ihrer Regierung ins Auge fassen. Einzelne Maß-
regeln mögen allerdings auf Jrrthum beruhen und mißbilligt werden. Auch ich bil-
lige nicht alles, was die Negierung gcthan hat, aber nimmermehr wird das Ver-
trauen zu ihr im Allgemeinen bleibend erschütternd werden.
Sander. Ja, meine Herren, das badische Volk ist intelligent und cs war
intelligent bei den Wahlen; denn es hat wohlgesehcn, wohin man cs mit den Re-
scriptcn führen wollte, und seine Wahlen waren die Antwort. Der Abg. Böhme
sagt freilich, die Kommisffon und der Hr. Antragsteller hätten die Beamten vo»
aller Theilnahme an den Wahlen ausschließen wollen. Wenn darauf hin der Abg.
v. Jtzstcin seinen Antrag gestellt und die Kommission ihm zugcstimmt hätte, so würde
der Abg. Böhme mit allem demjenigen Recht haben, was er sagt. Kann aber der
Abg. Böhme irgend einer Zeile des Berichts eine solche Deutung geben? Hat er
nicht gelesen, daß wir gerade darüber klagen, daß man die Theilnahme der Beam-
te» an den Wahlen, nämlich die freie Theilnahme derselben, durch diese Nescripie
beschränkt und den Beamten, diesem allerdings wichtigen Bestandtheile des Volks,
ihre Wahlfreiheit genommen hat? Dieß, sage ich, war ein Hauptgrund, warum
wir über diese Nescripie klagen, und nun kommt gleichwohl der Abg. Böhme und
sagt, dieselben seien vollkommen dem Recht der Negierung gemäß. Freilich kann
der Abg. Böhme auf diese Ansicht kommen, wenn er die Meinung wirklich hat,
die er entwickelte, die Meinung nämlich, daß die Wahlen nichts anderes seien, als
Kampfe zwischen verschiedenen Parteien, zwischen der Partei des Volks und der
Partei der Regierung; daß deren Ausgang nichts anderes sein sollte, als daß die
Regierung die Oberhand gewinne. Dieß scheint seine Ansicht zu sein, wenn er sagt,
es sei höchst schädlich für den Staat, wenn die Opposition die Mehrheit erhalte;
denn alsdann würden viele Wünsche hier laut werden, denen die Regierung nicht
beistimmen könne, und manche Zerwürfnisse würden dann entstehen. Wenn aber
von den Wahlen des Volks die Rede ist, so spricht man noch nicht von Opposition,
sondern davon, daß das Volk frei und ungehindert durch die Wahl seiner Abg.
seine Ansicht aussprechen solle. Wenn der Abg. Böhme sagt, die Mehrheit wll nicht
in die Hände der Opposition fallen, so muß sie nothwcndig nach seiner Ansicht in
die Hände der Regierung fallen. Alsdann sollen die Ministerielle» die Majorität
haben, wo dann allerdings manches Zerwürfniß nicht Vorkommen, aber auch dem
Volk das Recht genommen wird, seine Wünsche, Rechte und Freiheiten hier in die-
sem Saale geltend zu machen. Dieses heilige Recht nehmen Sie dem Volk, die
öffentliche Stimme hier geltend zu machen, während es nirgends anders Gelegen-
heit dazu hat. Es soll nicht die Opposition als Partei hier erscheinen, noch soll
die Regierung hier die Mehrheit haben. Frei soll der Kamps sein aber nicht ge-
genüber dem Volk, sondern unter dem Volk und in dem Volk. Das ist die wahre
 
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