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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 208
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0847

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1842,

h>>>. 208. Samstag dcn 3. Scptbr.

LandtaasVcrl-Lrnd^rrngen.
Earlsrnbe, 19. Aug. 4t. öffentl. Sitzung der 2. Kammer. fFortsctznngZ
Die Kam»,er erklärt sich für den Schluß der Diskussion noch Anhörung deS
Berichterstatters „nd des plntragstellers.
Sonder. Als ich in kiesen Saal trat, die Bank der Minister leer fand, unv
ÄS ihren Vertreter nur einen der Räthe eines Ministeriums erblickte, du must ich
gestehen, duß ich dieses kunin begreifen konnte. Ich konnte cs aber um so weniger
begreifen, kan die Hrn. Minister nicht kamen, als ich von ibrem Vertreter am An-
fänge kcr Sitzung eine Erklärung verlesen horte, in welcher, als die Ansicht der
Minister, uns eröffnet wird, dag'dieselben unseren Antrag für einen Verfassung!?,
widrigen halten, daß sie glauben, wir hätten nicht das Recht und nicht die Besug-
siß, den Antrag in dickem Saale zu besprechen und anzunehmen, nicht die Befug-
nis!, unsere bloßen Ansichten »nd unser alleiniges selbständiges Urtbcil über Schritte
oder Handlungen der Minister, wie die Wahlausschreiben es sind, auSmsprechtn
und den darüber gefaßten Beschluß zu Protokoll nieder,»legen. Wahrlich, soweit
ich parlamentarische Geschichte kenne lind parlamentarische Erfahrungen gemacht
habe, so ist mir etwas AehnlicheS, wie dieses Wegbleiben der Minister, nicht de.
kannt. Meine Erfahrungen gingen dahin, daß je mehr man irgend etwas in die-
sen! Saale o er in irgend einem Ständesaale that und vornahm, durch welches man
die Verfassung gefährdet und verletzt sehen konnte, um so größer auch die Pflicht
der Minister war, auf ihrem Posten zu sein, um diesen Eingriffen „nd dieser Ge-
fahr der Verfassung zu begegnen; und obgleich NIM die Herrn Minister ihre Ueber-
zcngmiz dahin ausgesprochen habe», daß der in Antrag gebrachte Beschluß ein ver-
fassungswidriger sei, so erscheint Niemand von ihnen, so bleibt dennoch die Bank
der Hrn. NegierungSkommistare leer. Das ist fiirwahr ein wohlfeiles Mittel über
Schwierigkeiten, über die großen Schwierigkeiten von Diskussionen zwischen der
Staatsverwaltung und den Ständen wegzukommen. Man thut Schritte gegen diese
Klammer, fällt aus gegen die Verfassung und dann, wenn man sich deßhalb zu ver-
kheirigen oder zu verantworten hat, dann bleibt man weg. Dieses Wegbleiben
kann nur beweisen, daß man wohl selbst nicht recht an dasienige glaubt, was
man hier behauptet, baß nämlich der Antrag des Abg. v. Ipstetir rin srrfaHungs^
widriger sei Denn wahrlich, wenn man dieses glaubte, und wenn man es nament-
lich in dem Hoden Grade glaubte, wie in dem Rescript gesagt ist, wonach jeder
Unbefangene es rinseben solle, so durfte ich erwarten, daß die Minister an ibrem
Platze sich cinsindcn werden, um dasjenige zu beweisen und darzntbun, was ieder
Unbefangene einsehen soll. Offenbar sind dieß aber nur hiugeirorfene Behauptun-
gen, die nur dazu dienen, dcn Riß der da beliebt, noch größer zu machen.
Wohl sprechen die Abg. Treffurt und Goll vom Frieden, »nd wo!>l erlassen sie
eine Aufforderung an uns, die Hand zur Versühnung zu reichen. Worin soll aber
der Friede bestehen? In einer Tagesordnung, also in nichts anderm, als in der
schmachvollsten 'Nachgiebigkeit, hinsichtlich dessen, was uns das heiligste ist, in der
schmachvollsten Nachgiebigkeit hinsichtlich der Wahlfreiheit, hinsichtlich des Zustande-
kommens dieser Kammer, so wie aller verfassungsmäßigen Rechte unv Freiheiten,
die uns gegeben sind.
Schaaff. Es ist nur auf eine motivirte Tagesordnung »»getragen.
Sander. Eine motivirte Tagesordnung wurde nicht vorgeschlagen, sondern
die Ansicht ging lediglich daß wir ruhig und still über die Wahlalisschrciben Weg-
gehen sollen.
Schaaff. Ich verweise den Abg. Sander auf die Motive des Antrags.
Sander. Ich überlasse dem Abg. Schaaff, wenn er für den Antrag des Abg.
Goll stimmt, etwa »och eine motivirte Tagesordnung bineinzubringe» und darauf
anzutragcn. Vor der Hand ist aber eine motivirte Tagesordnung nickt ln Antrag
gebracht. Die Kommission hat einen Antrag gemacht, unk die,cm Antrag ist un-
bedingt die Tagesordnung gegenüber gestellt. — Man fordert von uns, daß wir
kle Hand zur Versöhnung reichen, und ich konnte auch sagen, wir waren bereit oder
konnten dazu bereit sein; mo sind aber Diejenigen, die uns die Hand entgegenstre-
cken sollen? Sie sind weggebliebcn! Unter welchem Zustand, in welcher Art und
Wkisdi So daß sie abermals Bor würfe machen, wir handelten verfassungswidrig
UN? machten „ns gMssigcr Ausfälle gegen sie schuldig. Ist dies, frage ich vor
allem, her Weg. der von den Ministern gegen uns betreten wird, nm eine Ver-
söhnung hcrbeizuführen, lind ist dies der Weg, »m den Frieden wieder kebren ZN
machen, wenn wir unsere heiligen Rechte vcrtheidigen, und dann uns vorwirft, dies
seien Verfassungswidrigkeiten? Wir haben übrigens die Hand zur Versöhnung ge-
boten. Es ist eine alte Wahrheit, daß, wenn ein Zwiespalt zwischen Regierung und
Volk besieht, eben so gilt ein großes Unglück, das eine Negierung trifft, als ein
großes Glück, welches sie trifft, ttrw Versöhnung zwischen beiden berbeiführcn kann.
Ein Beispiel hiervon liefert uns j» „>nester Zeit Frankreich, wo das unglückselige,
das europäische Ereigniß, nämlich der Tod des Herzogs von Orleans, alle Parteien
um den Thron vereinigte. Wir haben hier erst neulich die Volljährigkeit des Erb-
großbcrzogs zur Sprache gebracht, uns darüber gefreut, und wir alle waren mit
den Beweisen der Ergebenheit und der Treue gegen den Großherzog einverstanden.
Haben wir darauf hin irgend eine Antwort, haben wir irgend rin Zeichen
Ministern erhalten, das geeignet gewesen wäre, uns die Aussicht zu er-
dnükN, es werde eine Versöhnung zu Stand! kommen? Sind wir es, die die uns
rur Versöhnung darge'-cichtcn Hände zurückgestoßeii haben, oder ' haben wir nicht
vielmehr überall an den Tag gelegt, daß wir Frieden und Eintracht suchen, ohne

darauf eine Erwiederung zu erhalten! Und gerade der Umstand, daß die Minister
wegbleiben, liefert den schlagendsten Beweis, daß sie nicht Vorhaben, irgend einen
Schritt zurück zu thun, lind irgend e.ne Versöhnlichkeit gegen die Kammer zu zei-
gen. Es erfolgte ja nicht ein einziges freuiidliches Wort oder eine Anerkennung
von ihnen, daß bei dcn Wahlen ctw,S zu weit gegangen worden sei. Und doch
sagt man, wir sollten Friede schließen. Ein schmachvoller und schimpflicher Friede
Ware es aber, wenn wir uns jetzt beruhigen wollten. Es wäre fürwahr gegen ei-
nen solchen Frieden eine Kleinigkeit gewesen, diese Wahlausschreiben gar nicht zur
Sprache zu bringen; allein nachdem cS geschehen ist, und nachdem von den Bänken
der Regierung die Behauptung auSgebt. daß alles was geschah, recht sei, und nach-
dem jetzt die Bank der Minister leer steht, und abermals Versassungswidrigkeiten
vorgeworfen werden, können und dürfen wir nicht zuruckgehen. Wohl bat der Abg.
Treturt davon gesprochen, daß seit 4833 in diesem Saale eine Partei bestehe, die
alles, was von der Regierung komme, verdächtige, und alle Bande des Vertrauens
lose.
Der Abg. MördeS hat hierauf zum größten Tbeil schon erwidert, daß man
jene Behauptung von dem Jahre >833 nicht anniellen könne. Ich selbst bin seit
1833 in der Kammer, und habe oft an einer Ansicht Thcil genommen, die sencr der
Herren Minister entgegen war. So lange wir aber den Minister Winter hatten,
kamen wir nie in einen solchen Zwiespalt. Wir sahen wohl, daß der Minister Win-
ter eine Richtung batte, die keinen allgemeinen Beifall hier fand, allein wir sahen
nicht, daß diese Richtung dahin ging, alle Rechte des Volkes zu vernichten oder zil
zerstören. Der Abg. Trefurt glau t aber sogar noch weiter, daß die Richtung, die
in diesem Saale ftattfinde, das Volk zu entsittlichen drohe. O! Herr Abg. Trc-
furt, das Vaterland hat diese Anschuldigungen gehört, allein schon höre ich auch
die allgemeine Stimme des Vaterlands erwidern: Nein, dem ist nicht so! die Män-
ner, die früher und letzt noch die Rechte des Volkes schirmen und die Verfassung
verthcidigcn, entsittlichen das Volk nicht, sondern, wenn Jemand das Volk entsitt-
licht, so ist es jene Partei, die alle Rechte des Volks ;» beeinträchtige», die die
Verfassung zu verkürzen sucht, und allen vernünftigen Fortschritten, welche die Zeit
gebietet, entgegen tritt.
Der Abg.'Trefurr hat dann noch von uns als einer siegenden Partei gespro-
chen. Er hat damit den Herren Ministern den großen Vorwurf gemacht.' Wie,
meine Herren, unS, in der Mehrheit in der wir bestehen, uns, etwa 30 Männern,
sollte cs gelungen sein, die Minister in den Wahlen zu überwinden, das Land für
uns zu gewinnen; die Minister, sage ich, welche über die Presse zu gebieten hatten
und die u»S das ganze zahllose Heer der Beamten entgegen stellten. O! Hr. Abg.,
Sie haben dadurch dem Ministerium das schlimmste Kompliment in Beziehung auf
seinen Einfluß, seine Einwirkung auf das Volk und ans seine Staatsllugheit ge-
macht. ES ist aber dem nicht so. Wir sind keine Partei, sondern wir sind das
Volk und ganz der Ausdruck der wahren Bvlksmeinung; wir sind die ächten Ver«
tretir des Burgcrtpums, des deutschen badischen Burgerthums, das nichts mehr und
nichts weniger und nichts anderes will, als die Verfassung. Die Wahrheit der
Slimme des Landes, die ächte öffentliche Stimme Badens bat in unfern Wablick
gesiegt, und dics^ ächte unverfälschte Stimme des Landcsfclert jeden Tag durch un-
fern Mund den Sieg Jener, die die Rechte des Volks und die Verfassung gegen
Jene vcrtheidigen, welche beide zu verkümmern suchen. Wenn aber wirklich von
einer Partei bei uns die Rede ist, so sind cs nicht wir, sondern jene Männer der
Reaktion sind es, die Parte, der Reaktion ist es, die sich leider immer zwischen
Fürst und Volk drangt, die den Samen des Mißtrauens säet und alle Bande des
Vertrauens, das unter dem Ministerium Winter bestand, gesprengt hat, die an
allen unser» konstitutionellen Rechten und an der Verfassung selbst marktet, und die
durch und durch reaktionär uns unsere wenigen Rechte zu verkümmern droht und
allen vernünftigen Fortschritten der Zeit entgegentriit.
Seit dem Eintritte jenes Mannes, der oft genug hier bezeichnet wurde, haben
wir leider fort und fort Kämpfe um unsere gewissenste Rechte zu bestehen, und fin-
den darin keinen Frieden. Wir haben fort und fort über Eingriffe i» unsere sicher-
sten Befugnisse zu klagen, wobei ich nur an den holländischen Handelsvertrag er-
innern will. Wir müssen fort und fort unsere zuverlässigsten verfassungsmäßigen
Rechte vertheidigen, und Alles was von dort ausgcht, das sind Bestreitungen und
Zweifel gegen unsere Rechte, die immer bestanden und von denen das frühere Mi-
nisterium uns nichts bestritt. Man sage daher nicht, daß wir cs seien, die Unruh-
oder irgend ein Mißtrauen im Lande "verbreiten. Wo finden wir denn eine Rübe
und Zufriedenheit? Worin hat man denn ein Vertrauen geweckt? Ist die Kirche
und die Schule, ist die Industrie, der Weinbau oder der Lanvbau zufrieden? Ha-
ben wir irgend nur ein Vcrhältniß in dem Lande, wo Zufriedenheit besteht? Lei-
der muß ich sagen, daß seit zwei Jahren die frühere Rübe und das große Pfund
an Vertrauen, welches Winter den jetzigen Ministern übcraiitworlct bat, fast gänz-
lich geschwunden »nd verloren ist. Jedem von uns in der Commission, und wir
sind gute Patrioten, hat es, wie ich Sie versichern kann, leid gethan, dein Antrag,
wie wir ihn stellen, betreten zu müssim; allein die Stimme der Wahrheit und die
Pflicht des Abgeordneten drangt mächtig dazu hin, und ruft uns aus, riesen Be-
schluß zu fassen, der in Uebereinstimmung mit der Verfassung, mit den Rechten des
Volks, mit den vernünftigen Fortschritten der Zeit die öffentliche Meinung für sich
bat, und der ungehindert von allen Orr Hungen, denen der Abg. Swaaff erwähnt,
und ungehindert von ihrer Verwirklichung, die ich nicht besorge, auch gefaßt wer-
 
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