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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 274
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Xo. 274.

Samstag den 19. Novembr.

1842.

Tagsbericht.
*-s-s- Lahr, 15. Nov. Der tragische Vorfall, der sich hier dieser
Tag-* durch den meuchlerischen Anschlag auf den Bierbrauer Ricksier
Von Achern zugetragen, bleibt noch immer der Gegenstand alles Sraot-
gelvrachö und der Entrüstung /.des Ehrenmannes. Die Sache hat
leider ihren tiefen Ursprung und ist die Folge einer gedemüthigten lang-
jährigen Zwangsherrschast, die zum großen Unglück unserer Stadt so
tiefe Wurieln gefaßt hatte. Wer noch nickt klar gesehen, dem werden
f tzl dir Augen geeffret, und man muß sich wundern, daß b:i dem
jahrelangen offenen Treiben, und dem Gebrauch jeder verworfenen
Mittel, mit einer Menge gedungene» ganz ausgeauetcr Menschen ein
Ziel und eine Höbe hier erreicht werden konnte, worüber beute j der
denkende gute Bürger erstaunt und erschreckt. Viele, ja die meisten
der bisher Mißbrauchten und Verblendeten fii.d bereits, und werden
hoffentlich zurückgeführt auf den wahre» und rechten Weg. Man fühlt
immer mehr, daß schon längst jcn-m verderblichen Wesen, der jetzt sich
gebildete kräftige Damm hätte entgegengesetzt, und die heuchlerische
Schmeichelei, verbunden mit den nur zu sehr bekannten, am Tag kie
genden Privathandlungen hätte e»könnt und gewürdigt werden sollen.
Mögen die unverdienten Nücksichlen gegen einen Einzeln endlich ver-
stummen und die goldene L>hre „lerne Trug von Wahrheit unterscheiden"
hier und überall nie vergessen weiden. Die angezcigten Thäter des
Mordanscklags sind verhaftet, denn auch der Jäger des Hrn. Daniel
Völckcr ist nun eingebracht worden. Der Zcugenbcwcis wird dl'se
frevelnde Handlung sicherlich aas Licht UNV zur gerechten Strafe brin-
gen. Der Deputirt? Richter verweilt im Augenblicke hier, um, wie es
scheint, dem gerichtlichen Gang zur Untersuchung des Attentats gegen
seinen Bruder Nachdruck zu geben.
Mainz, 16. Nov. Heute früh nach 9 Uhr begann daS hiesige
Zuchipolizeigericht seine Sitzungen zu Untersuchung und Abu theilung
politischer Vergeben. DaS Gericht bestand aus dem Herrn Prä-
sidenttn Levita, den Herren Richtern Creve und Schmitt und dem Hrn.
Etaateprokurator Knyn. 25 Beklagte erschienen vor dem Gerichte.
Hannover, 11. Nov. Seit einige» Tagen taucht wieder das
alte, so oft wi derholte G rückt ausi daß der Anschluß unseres König-
reichs an den preußischen Zollverein eine ausgemachte Seche sei und
daß die allgemeine Stände Versammlung in kurzem diescrhalb werde
berufen werken. Diesiö Gerücht hat sich bekanntlich bereits so oft wie-
derholt und eben so oft als irrig erwiesen, daß dasselbe jetzt wenig
Eindruck mehr macht.
Dresden, 10. Nov. Unserem nun nahe bevorstehenden Landtage
(seine feierliche Eröffnung ist auf Sonntag, den 20. d. M., festgesetzt)
wird unter anderem auch der Plan eines neuen Maßsystem« verge-
legt werden. Das Publikum sieht demselben m t großer Erwartung
entgegen. Das neue Muß wird ebenfalls auf consequente Durchfüh-
rung des Dccimalsystems gegründet sein, und seine Begutachtung be-
schädigt gegenwärtig schon lebhaft die betreffenden Verwaltungsbehör-
den. Namentlich soll die Trennung der zu wägenden und der zu mes-
senden Gegenstände des V.rkchrs manigfache Schwierigkeiten haben,
und die Klippen des Spceialifireus in der Gesetzgebung lebhaft fühl-
bar machen
Berlin, 11. Nov. I» einer Verfügung vom 5. Sept. d. I
heißt es in Bezug auf die Aufenthaltsgestattung für jüdische Familien-
glüd r aus der Provinz Poftn: daß zwar dem Einschlsichen von Ju-
den ans genannter Provinz vorzubeugen siy, cs jedoch zu weit gehen
würde, wenn man ohne Berücksichtigung der nächsten Familienverhält-
t'tsse den Brmer hindern wollte, sich seiner Schwester anzunchmen.
weil diese, obwohl preußische Untcrthanin, aus dem Großherzogthume
Posen gebürtig ist, und wenn ebenso deßbalb die Schwester gehindert
werden sollte, dem Bruder in seinem Geschäfte und seiner Häuslichkeit
Beistand zu leisten. Nur triftige polizeiliche Gründe, aus der Mora-

lität der Betheiligten, oder ihrer Unfähigkeit, sich dauernd einen ehr-
lichen Unterhalt zu verschaffen, entnommen, können tn solchem Falle Ver-
anlassung geben, auch Familienmitglieder von einander zu trennen,
und sie ihrer gegenseitigen Hülfe zu berauben.
Braiinschtveig, 12. Nov. Endlich sind auf den 29. d. M.
uuscre Stände einberufen; spät genug, wenn man erwägt, daß bis
Neujahr die besonders für unsere südlichen Landcstheile so wichtige Zoll-
frage noch crl.digt werden muß.
Hamburg, 13. Nov. Die Total Einnahme der hiesigen Unter-
stützungsbehörde betrug bis zum 31. Oe«, (incl. Hülfsverein) ca. Bco.
M. 4,320.000, oder ca. Pr. Cour. Rihlr. 2,160 000; der noch nicht
verausgakne Saldo Bco. M. 1,003,234. 10 Schill.
Vom prcustischen Mederrhein, 14. Nov. Die rheinischen
Gastwirihe oder doch ein Theil derselben wollen am 19. Nov. in Cöln
eine Versammlung halten, um sich über die Abschaffung des Trinkgels-
gebens und dessen Ersatz durch tägliche 8 Silbergrosch n (1 Francs),
welche den Reisenden in Rechnung gebracht werden sollen, gemeimam
zu berathen.
Paris,, 15. Nov. Es soll gewiß sein, daß die spanische Regie,
rung über die Bedingungen einer neuen Anlche einig geworden ist,
welche unter Garantie Englands abgeschlossen werden soll, und zwar
gleichzeitig mit dem schon lange verhandelten Comerzwaetat.
— Von verschiedenen Seiten erhält man Berichte über Sceunfälle
während der jüngsten Stürme; in der Bai von Cadir litten mehrere
französische Fahrzeuge Sch-ffbruch und unfern Boulvgne ist in der Nacht
auf den 12. Nov. der englische Dreimaster Reliance, aus Conto»
in China kommet,d, mit einer starken Ladung Thee untergegangen; von
der Bemannung und den Passagieren haben 109 den Tod in den Wellen
gefunden und nur 7 wurden gerettet.
— Aus de n P ozeffe der Piäfecturbeamten läßt sich fortwährend
eine hübsche Blumenlese von Unterschleisen und Betrügereien sammeln.
Die Auebeutung der Steinbrüche, von welchen Paris uniechöhlt ist und
w lcke die Stadt seit 1830 etwa 140,000 Fr. jährlich kosten, wird mit
größter Nachlässigkeit betrieben. Viele der Arbeiter wäre» zehn Jahre
lang damit beschäftigt, eine Grube zu graben, um eine andere auszu-
füllen. Zwei Dn'tckheile der Arbeiter, die aus den Rechnungen figurie-
ren, waren todt oder cristirtcn gor niemals; der Lohn, der für sie
auögesetzt War, fiel unbekannten Dritten in die Tasche.
Marseille, 11. Nov. Nucre Mittheilungen aus Alerandrien be.
stätigen die bereits von uns gemeldete wichtige Nachricht von dem Auf-
stande der Drusen und Maroniicn gegen die Türken. Die Nachrichten
aus Syei.'ir reichen bis zum 20. Oktober. Die Maroniten, Drusen
und Mutualis haben sich, um das türkische Joch abzuschürnl-r, mit
einander verbündet und die Waffen gegen die Truppen des Sultans
ergriffen.
London, 10. Nov. Es hat sich hier eine Gesellschaft von Me-
chanikern und Kapitalisten gebildet, welche einen Luft Transport orga-
nisiren will. Die neue Maschine soll hundert Passagiere mit einer
Schnelligkeit von 100 englischen Meilen die Stunde von London nach
Indien in 4 Tagen schaffen. Die erste Anzeige wird für eine Mystifi-
kation gehalten, aber die Gesellschaft hat wirklich ein Patent genommen.
Alexandrien, 19. Oclober. Es war die Absicht Mchemcd -Ali'v
gewesen, bis zum Winter in Alerandrien zu bleiben. Allein am 16.
reiste er Plötzlich nach Unterägyptcn ab, wegen der entsetzenden Sterb-
lichkeit, die dort unter dem Hornvieh auögebrochen; es waren schon
80,000 Stück gefall, n, von welchen die Halste dem Vicekönig selbst
zugehört hatte. Mehemed-Ali ließ die größten Anstrengungen mache»,
um die Nachtheile, die daraus für die Agricultur Interessen entstehen
könnten, zu verhüten. Er ließ Kameele und Pferde von allen Seiten
derbcischaffen, damit der Ackerbau ungestört fortbetrieben werden konnte;
sogar sämmrliche Pferde dey Cavalieri: wurden requirirt.
 
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