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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 265
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#1079

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Ao. 2G5. Mittwoch den 9. November. 2842.


Tagsbericht.
s Mannheim, 8. Nov. Der Neckar treibt seit gestern Eis; die
Brücke warte diesen Morgen abgrsührt.
— Die „Leipz. Allg. Zeitung" sagt: Die Vereinigung deutscher-n d
französischer Gelehrten zu Straßburg habe gerade den Franzosen G'°
legenheir zu schmeichelhafter Herablassung, den Deutschen zu einiger
Wcgwerfang gegeben. Kränkend für jedes deutsche Herz sei die V r-
kündigu g, daß in dem deutich n Straßburg Vorträge in deutscher
Sp ache erlaubt s ien. Elsaß sollte sich doch ungeachtet seiner poli«
tischen Verbindung mit Frank.eich als deutsches Land suhlen, wie das
kleine Korsika mit stolzer Eifersucht seine italienische Eigenthümlichkeit
zu bewahren strebt.
Die elsass.schen Gcleh ten sprechen aber nur von ihrer Verwandt-
schaft mir Deutschland. So können ebenfalls die Engländer auch
spr.chen. Ausscr den bereits öffentlich mitgetbn'lten Aeußerungen habe
ein Elsässer die für Deutschland betrübend? Bemrrkung gemacht: Elsaß
sei eine Tochter Deutschlands, habe sich aber mit Frankreich vermählt,
gehöre daher mit Leib und Seele auf ewig Frankreich an.
Stuttgart, 3. Nov. Heute tritt die Commission der Kam-
mer der Adgeordneien zu Begutachtung der Strassprozeßordnung
unter dem Vorsitze des Abg. v. Scheuerten wieder zusammen.
Cöltt, 6. Nov. Der Herzog Prosper von Arenberg hat dem Vor-
stand des hiesigen Dombauvereir.ö in einem verbindlichen Schreiben ää.
18. Ort. angekündigt, daß er jährlich tausend Thaler zuad Fortbaue
des Domes ariszablc lassen werde.
Aarau, 3. November. Am 29. Oct. sollen in Willaringen, einer
Echwarzwältergemeinde des großh. badenschen Bezirks Säckmgrn, die
Bürgermeister und andere Vorgesetzte der meisten Gemeinden deS Schwarz-
waldes sich versammelt und dieser Versammlung auch mehrere Geist-
liche bcigewohnl haben. Der Zweck dieser Zusammenkunft soll die Be-
rathung einer Adresse an den Landcsherrn gewesen sein, in welcher
der nachtheilige Einfluß des deut'chen Zvllverbandes auf Handel und
Verkehr der sonst so bablichen Gegend mit den lebhaftesten Farben ge-
schildert und die Besorgniß ausgesprochen wurde, daß durch die ein-
getretenen Sperrmaßrcgcl» von und gegen Aargau diese Uebelstände
sich bedeutend steigern möchten. Die Regierung werde dringend ersucht,
hier Abhülfe zu schaffen und einen wachsenden Schaden durch Wieder-
herstellung der früher mit der Schweiz bestandenen Berkehröverhältniß
abzuwenden.
München, Nov. Da keine bayerische Zeitung die ständischen
Verhandlungen ganz ausführlich gibt, die Protokolle beider Kammern
aber »ich: nur theuer sind, sondern auch außerordentlich spät erschei-
nen, so soll man mit dem Gedanken umgegangen sein, wieder eine
besondere Landtagszeitung zu gründen, ihn aber bei der Aussichtslo-
sigkeit ans Deckung der Kosten wieder aufgegcben haben, ohne tesfalls
nur erste Schritte zu ihu».
Berlin, 2. Nov. Die in mehreren Tagesblättern enthaltene An-
deutung, daß der Entwurf eines neuen Preßgesetzcs aus dem Cabinet
unvollzogen remiitirt worden sei, kann nur auf Jrrtbum beruhen, da
die in der Vorbereitung begriffenen Arbeiten wegen Reorganisation des
Censurwesens noch gar nicht zur Kenntniß des Königs gebracht wor-
den sind.
Paris, November. Aus Madrid schreibt man, die britische
Regierung habe dem Madrider Cabinet den Antrag gemacht, ein An-
lehen von 2So Millionen für Spanien zu garamiren, wenn dasselbe
den von England pioponirten Handelsvertrag annähme.
— Hr. Thiers hatte gestern bei dem König eine lange Audienz in
St. Cloud. "
— Es ist beschlossen, daß der Herzog von Nemours nächstes Früh-
jahr mehrere der größeren Städte im südlichen Frankreich, unter an-
deren Lyon, Toulouse und Bordeaux, besuchen solle. Wie cs heißt,

«
wird er sich nach Pari begeben, um die im Schlisse dieser Stadt aus-
g-führten Arbeiten in Augenschein zu nehmen. Vsn einer Nei'e des
Königs selbst nach dem südlichen Frankreich ist keine Rede mehr.
London, 1. Noo. Die portugi sische Negierung hat den Han-
delsvertrag mit England unterzeichnet. Am 22. Oct. wurden dem eng-
lischen Botschafter die letzten und definitiven Beschlüsse der Negierung
vorgelegt. Es sind einige H.rnhsetzungen, aber nickt sehr bedeutende,
auf Baumwolle und gedruckte Wollartikrl angenommen worden.
— Man schreibt aus Manschester, daß nie der Preis der Tücher
so niedrig stand als jetzt. Man glaubt nicht, daß die jetzige Lage der
Dinge andauern könne. Der Winter kündigt sich mit den fürchterlich-
sten Schr-ckca an.
Auf dem Eisenwerk Numney (in Wales) starb kürzlich, f betrau-
ert von^ Allen, die sie kannten, eine Frau Joyce Jones, 108 Jahre
alt. Sic war die Mutter, Großmutter, Urgroßmutter und N Urgroß-
mutter von 105 Nachkommen. Ihr jüngster Sohn l bt n- d ist 73 Jahre alt.
Frau Jones hat die Regierungen L englischer Könige und 1 Königin erlebt.
— Ein skandalöser P ozeß, der seit mehreren Wochen den Jour-
nalspalten überfli ßenden Stoff geboten, ist gestern vor dem Eentral-
gerichtshof entschiede» worden. Lord Frankfort, ei» irischer Vis-
count, der nebenbei den edlen Namen Montmorenci führt, und
schwer daran trägt, hat sich 1835 verheirathct und wurde 1839 ge-
schieden. Seitdem scheint ihm ein zwangloses Junggesellenleben am
besten zugesagt zu haben.. Im Mai d. I. empfi g er den Besuch ei-
ner Mitchell, die ibm ein 19/ährigeS Frauenzimmer, Alice Low, von
Vielversprechendem Äeußern zuführte. Die Bekanntschaft war bald ge-
macht. Die junge Dame gehört zu der Klasse, die man hier gax rvn-
men nennt. Eie blieb zwei Monat laug im Hause des Lord Frank-
fort-Montmorercy und lebte während dieser Zeit mit ihm auf dem al-
lervertrautcsten Fuß.
Am 22. Juli sich entfernend — der Lord sagt, er wisse nicht, was
sie bewogen, so plötzlich zu scheiden; — nahm sie mehrere Kostbarkei-
ten, zusammen nicht wohl über Hundert Pfund an Werth, mit fort;
sie behauptet, der Lord habe ihr diese Gegenstände geschenkt, er aber
bleibt dabei, sie seien ihm entwendet worden. Nachdem Lord Frank-
fort die entflohene Freundin in ihrem Versteck aufgrsunde», ließ er sie
verhaften und als des HauSdiebstahls verdächtig vor Gericht bringen.
Bei den angestellten Verhören kamen die. ärgerlichsten Dinge zur Spra-
che. Lord Frankfort-Montmorency wurde, ob seines unwürdi-
gen Benehmens, von der öffentlich'» Meinung condemnirt und Alice
Low, — obschon Niemand an ihre Unschuld glaubte — gestern von
Jury als nichtschuldig freigespröchen. —>
St. Petersburg, 29. Oci. Außer dem G n. Grabbe ist auch
der bekannte Gen. Lieutenant Saß, welcher den rechten Flügel der
Linie des Kaukasus befehligte, von seinem Posten entfernt worden, in-
dem der Kaiser ihn auf sein Verlangen wegen seines geschwächten Ge-
sundheitszustandes abberufen und in die Suite der Cavallcrie versetzt
hat. An seine Stelle ist der Gen. Major Bezobrazew ll. gekommen,
der bisher obne specielles Kommando im Kaukasus diente.
Bon der polnischen Gränze, 29. Oct. Man hat hier de«
Umstand, daß der Kaiser Nikolaus während seines Aufenthalts in
Warschau das nahe gele^es e Berlin nicht besucht hat, in Hinsicht der
Stimmung der beiden Cabinettr nicht günstig gedeutet. Auch ist es aus-
gefallen, daß Hr. v. Meyendorf den Tag vor der Vermählung Ihrer
k. Hoheit der Prinzessin Marie Berlin verlassen hat. Aus St. Peters-
burg wird berichtet, daß man sich gegenwärtig mit einem Vorschlag
daselbst beschäftigt, der, wenn er durchgehen sollte, viele Jnconvenien-
zen nach sich ziehen müßte. Es handelt sich darum, die katholischen
Grundbesitzer aus Podolien zu verdrängen und jeden Katholiken, wel-
cher Unterchanen grüchischer Religion auf seiner Herrschaft hat, zum
Verkauf oder Austausch seines Guts zu zwingen.
 
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