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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 152
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0613

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Donnerstag, der, 30. Juni.

1842^

........
LanStagsverhanSlungcn.
CarlSruhe, 24. Juni. 15. öffentliche Sitzung der 2. Kammer.
(Forisetzung und Schluß.)
Bassemnan 11. h»t Niemand unter den Mitgliedern die Rede des Wahl»
kdinmiffarS Trefnrt gebilligt. Der Abg. Sander erklärte, er babe einen Antrag
aus förmliche Mißbilligung dieser Rede begründen wollen. Der Abg. Poffelt stimmte
zwar für die Gültigkeit der Wahl, sprach aber ebenfalls Tadel aus über die Rede.
Ich habe gesagt, daß wir durch Handlungen, durch Beschlüsse und nicht bloß durch
Worte unsere Meinung zu erkennen geben müßten. Daß ich Recht batte, sehen
Sne daraus, daß der Abg. Trefnrt seine Rede rechtfertigt. Ich würde jetzt noch
bin Antrag auf ausdrückliche Mißbilligung stellen, wenn es nicht ZN spat wäre.
Melcher will einfach fragen, ob die Kammer eine solche Bezeichnung der
Parteien für wehr und eicht halten könne, ob sic dieselbe nicht der Wahlordnung
zuwider finde. ES sei eigentlich keine Abstimmung nüthig, da alle Redner sich in
gleichem Sinne darüber äußerten und das ganze Land werde hierin mit der Kam-
mer gewiß uoereinsteimmen.
Bader. Wenn in Folge der Maßnahme der Regierung von der andern Seite
ungesetzliche Schritte geschehen sind, nehme ich sic nicht in Schutz. Aber ich tadle die
Regierung, daß sic solche Maßregeln getroffen hat. Sie hat'die Opposition hcr-
vnssbuld"' ungesetzliche Handlungen, wenn solche Vorkommen, sind dadurch
v. Niidt bittet den Abg., den er Von. jeher hochgeschätzt, mit seinem Urtbeil zu
warten, bis die Sache zur Erörterung komme. Es werde sich dann zeigen, daß die
Maßregeln der Negierung keinen Tadel verdienen. (Mehrere Stimmen: Der Be-
weis wird schwer fallen; das ganze Land müßte blind sein.)
Präsident Vekk tritt, den Vorsitz dem Vicepräsivcntcn Bader ab und berichtet
über die Wahl von Stockach (Kuenzcr.)
Meine Herren t Die Kommission, welche sic zur zur Wahl des 3, Aemtcrwahl-
bezirks „iedcrsetzten, hat micht beauftragt, Ihnen Folgendes vorzntragen: Die Wahl
ist am 23. April d. I. vor sich gegangen. Der Bezirk hat 89 Wahlmännc«, welche
sämmtlich erschienen sind. Alle Wahlmänncr wurden wenigstens 6 Tage vor dem
Wahltage eingcladcn. Die Einladung eines einzigen WahlmaniicS (Xaver Muster
in Boll) erfolgte eist am 17. April, also am 6. Tage vor der Wahl. Die Kom-
iniiiion hält dieses aber für genügend, indem der tz. 56 der Wahlordnung Nicht
sagt, daß zwischen dem Tage der Vorladung und dem Wahltage (beide ausge-
ossen) 6 Tage rn der Mitte liegen müssen. Ucberdies wurde die Einladung
Views Wghlmgiim's wegen Abwesenheit desselben schon am ist. April dem Nathschrei-
bcr Müller in Boll zngcstellt nno Muster erklärte am Wahltage, daß er jeden-
falls zur Vornahme der Wahl gehörig vorbereitet sei, weßhalb auch die übrigen
Wahlmanucr keinen Anstand fanden, die Wahl sogleich am 23. April vor sich ge-
hen zu lassen. Bon den anwesenden 89 Wahtmänucrn erhielt Stadtpfarrer Kueu-
zer »>. Konstanz 65 Stimmen, folglich die absolute Mehrheit. DaS Wahlgcsihäft
ging im Gau;:» ordnungsmäßig vor sich und leiucr der Wahlmänncr wußte auf
die geschobene Aufforderung Etwas dagegen zu erinnern. Was die Person des Ge-
wählten betrifft, so hat derselbe nachgewicsen, daß er noch das nämliche Pfründe-
einkommen besitze, welches die Kammer im Jahre 1837 als genügend erkannte,
nnd daß er auch „och z,,, Besitze eines im Jahre 1835 erkauften Grundstücks sich
befinde. Der Vorlage eines Taufscheins bedarf es nicht, da der Gewählte schon
früher Abg. war. Darnach findet die Kommission gegen die Gültigkeit der Wahl
keinerlei Anstände, und es ist nur noch in Bezug auf den Urlaub des Gewählten
Weniges zu bemerken: In einem Schreiben an den Wahlkommiffar vom 19.
Mai d. I. erklärte Kucnzcr, daß er die auf ihn gefallene Wahl "so weit cs von
>h>» ab Han ge" annehme, und um den erforderlichen Urlaub bereits nachgesucht
habe. Auf sein bei dem erzbischöflichen Gencralvikariat eingereichte Urlaubsgesuch
rrwicdcrto ibm diese Behörde am iz, Mai d. I. Folgendes: Es sind nur wenige
verflossen, seitdem wir dem Pfarrer Kuenzcr eine längere Abwesenheit von
Nrchlichon Stelle vcrwilligt haben, und schon wieder kömmt an »nS das näm-
liche Gesuch, ,,nd voraussichtlich dürfte es oster wicderkehre». Wir haben daher
hiNicmglrche Ursache zu besorgen, Pfarrer Kuenzcr möchte, angezogen vom Schim-
mer polituchcr Lhätigkeit, sich angewöhnrn, das scelsorgerliche Amt, welches er zum
Lebcnsbcrut gewählt hat, als untergeordnet oder als Nebensache zu betrachten. In
dieser Hinsicht finden wir uns bewogen, dem Pfarrer Dominik Kuenzcr den ge-
wünschten Urlaub nicht z„ bewilligen." Der Stadtpfarrer Knenzer wandte sich hic-
gegcn auf den Grund des z. ?l der kirchlichen Staatsverfassnng vonr l4. Mai 1807
mit einer Beschwerde an das Ministerium des Innern, welches jedoch dieselbe durch.
Beschluß vom 21. Zum d. I. zurückwics, da cS u, der Verfügung des Gcneralvi-
kariats »keinen Mißbrauch der geistlichen Gewalt zu erblicken vermöge." Wie der
Herr Präsident des Ministeriums des Innern in der gestrigen Sitzung bemerkte, ist
dem Pfarrer Knenzer überlassen, hingegen den Rekurs an Pas Sroßh. Staatsmini-
neriua, z„ ergreifen. Inzwischen hat derselbe aber nach einem Schreiben an den
Wabikowmissär von: l i. r>. M. die Wahl ohne Vorbehalt angenommen. Dieses
schreiben lautet wie folgt: "Die (in der Eingabe vom 19. Mai 1842 enthaltene)
Bemerkung : „„sp weit es von mir abhängt,"" womit ich mich für die Annahme
^mterwahlbezirk auf mich gefallenen Wahl zum Abg. erklärt habe, war
hinsichtUch men,er Stellung als katholischer Pfarrer nothwendig, nnd wollte nicht
mehr »Nh Nicht weniger sagen, als: so ferne meiner in Folge dieser Wahlannahme

nothwendig werdende Pfründcabwescnhcit kein kanonisches Hinderniß im Wege steht.
Nachdem ich nun den Forderungen der Kirchcnsatznngen, welche das Coneilium von
Trient über die Residenz der Geistlichen in der 23. Sitzung (na,,. 1. cke rir-r,«.)
ausgestellt nnd wornach sich nicht nur die niedere, sondern'auch die höhere Geistlich
keil zu benk-nicn hat, Genüge geleistet, und meine Vorgesetzte Kirchenbchördc vor
'meiner Pfründabwesenheit und der Ursache derselben, so

wie

von
von meiner für die

Besorgung der Pfarrei während meiner Abwesenheit durch einen tauglichen Vikar
getrogenen Vorsorge zum Behufe der Genehmigung in Kenntnis gesetzt habe; da
der Beschluß des erzbischöflichen Gencralvikariats vom 13. Mai Nr. 2582 kein ka-
nonisches Hinderniß meiner Pfründabwesenheik enthält, und derselben überhaupt
kein solches Hinderniß im Wege steht, vielmehr für dieselbe ei» solcher Grund vor-
handen ist, der nach den ausdrücklichen Bestimmungen des Tridentinums geneh-
migt werden muß (>p,,rM> >»,ie,8 esse), nämlich' dus Staatsintcreffe ,elp»l>>i-
eao uiiliias. -- Da also mein Recht auf Urlaub i» dem vorliegende» Falle so klar
und unzweifelhaft ist, daß alle Kanonisten der ganzen Welt den NecurS zu meinen
Gunsten entscheiden würden; da endlich der Tit. Hr. Präsident des Ministeriums
des Innern in der Kammersitznng von: 1. Juni selbst erklärt hat, daß die Rechte
der katholischen Kirche immer geachtet worden seien nnd geachtet werden, so kann
ich jetzt auf die an mich ergangene Aufforderung und wo von mir eine schleunige
bestimmte Erklärung verlangt wird, nnd ich mit Rücksicht auf die Pflichten gegen
meinen Wahlbezirk meinem möglichst baldigen Eintritt in die Kammer von meiner
Seite keinerlei Hindernisse in den Weg legen darf, erklären, daß ich die Abge»
ordne tenstellc für de» dritten Acmterwahlbezirk annchme." In Be-
zug auf diese Urlaubssache ist nun die Kommission der Ansicht, daß sich die Kam-
in er damit zur Zeit gar nicht zu befassen habe. Die Kammer hat schon wiederholt
den Grundsatz ausgesprochen, daß eine Urlaubsverweigernng, eS möchte sich mit
ihrer Nechtmäßigkeit verhalten wie cs wollte, auf die Gültigkeit der Wadi oder
Wahlannahmc in keinem Falle einen Einfluß haben, und den Gewählten seiner
Depnlirteneigenschaft in keinem Falle verlustig machen könnte. Da nun der Pfar-
rer Kuenzcr seine Wahl unbedingt angenommen hat, so muß die Wahl, wenn sie
im Uebrigen keine gesetzlichen Mängel hat, so unbeanstandet erklärt werde» und
dem Pfarrer Kuenzcr bleibt überlassen, über das in rer Urlaubsverweigernng lie-
gende Hinderniß seines wirklichen Erscheinens in der Kammer, wie immer hinauS-
ziikoinnicn. Es dürfte ihm,-abgesehen von dem noch offen stehenden Rekurse an das
Großh. StaatSministeriuin auch wohl gelingen, die Sache mit seiner Kirchcnbehörde
selbst ins Reine zu bringen, da diese nach dem oben angeführten Erlasse vom >3.
Mai d. I. nicht seiner Benrlaiibnng im Allgemeinen entgegen ist, sondern mehr
nur die schnelle Wiederkehr und lange Dauer seiner Abwesenheit vom secl-
sorgliche» Amte im Auge hak, diele Rücksichten aber gegenwärtig, wo 5 Wochen
seit der Einbcrnfnna der Stände abgclaufcn sind, nnd der Rest des Landtags kaum
noch weitere 5 bis 6 Woche» dauern wird, an ihrem Gewichte schon bedeutend ver-
loren haben, und in keinem Falle ans den erst in IV, Jahren wieder stattfiiidcnden
nächsten Landtag sich beziehen ließen. Sei dein, wie im wolle, zur Zeit liegt die
Sache noch in Verhandlung und die Kammer ist noch nicht veranlaßt, in Bera-
thnng z» ziehen, ob und welche Schritte von ihrer Seite zu'geschehen haben, um
zu bewirken, dag er 3. Acmterwahlbezirk seinen Vcrtrcler in unserer Mitte habe.
Wir werden, wenn der Abg. Kucnzcr ans die von den, Präsidenten an ihn ergehende
Einberufung noch nicht sollte erscheinen können, den weitern Verlauf der Sache
vorerst abzuwartc» haben. Vor der Hand haben wir uns allein mit der Entschei-
dung über die Gültigkeit der Wahl zu befassen und in dieser Beziehung trägt
die Kommission aus den oben dargestelltcn Gründen darauf an, daß die Wahl des
3. AcmtcrwahlbczirkS als nnbeanstandct erklärt werbe.
Sander. Die Kammer und das ganze Land hegen den sehnlichsten Wunsch,
daß die Wahl des Abg. Knenzer nicht zu einem Anstoß zwischen den politischen und
kirchlichen Korporationen Anlaß geben möge. Der Redner will seine Meunmg da-
rüber nicht anssprcchcn, ob die Kurie das Recht habe, einem zum Abgeordneten ge-
wählten kat^ol. Geistlichen den Urlaub zu verweigern, doch äußert er den Wunsch,
daß die Kurie die Sache nochmals berathcn und sich veranlaßt finden möge, von
ihrer früheren Entschließung zurnckzukommen. Sie möge bedenken, was auch heute
schon hier geäußert wurde, daß, wer sein Recht zu sehr in Anspruch nimmt, dasselbe
gefährdet. . , «
Knapp schließt sich diesen Acußerungcn an, und wünscht, der Abg. Kucnzcr
möge bald erscheinen. Ein Ersatzmann für seine geistlichen Functionen werde sich
leicht finden lassen.
R i n dc s ch w e n d e r will ebenfalls nicht auf die Frage eingehen, ob der Kurie
das Recht der Urlaubsverweigernng znstehe, aber die Gründe dafür sehe» vo» der
Art, daß sie nicht für zureichend gelten können. Auch sei zu befürchken, wenn die
Kirche anfange, den Urlaub zu verweigern, daß die Wahl katholischer Geistlichen er-
schwert werde, und er zweifle, ob dadurch das Interesse dieser Kirche, welcher er an-
gchöre, gewahrt sei. Der Redner wünscht zugleich, daß die Regierung dem Rekurs
des Abg. Kuenzcr an das Staatsministerium Folge gebe.
Frhr. v. Niidt. Die Sache sei ernst nnd wichtig, und die Rücksicht am die
Behörde, von welcher die Rede sei müsse geachtet werden. Man muffe dieser zu-
nächst anheim stellen, ob sie dem Gewählten Geistlichen Urlaub crtheilen wolle.
Weiter will er sich nicht in die Sache einlaffen. ,
Wclckcr enthält sich, aus Rücksicht für die Geistlichkeit auf die Rechtsfrage
 
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