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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 198
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0805

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Xo. 198

Dienstag den 23. August

Lalldtagsvcrhandluligcn.
(Siche den Anfang dieser Sitzung in der heutigen Beilage No. 198 )
EarlSruhe, l 9. Aug. 41. öffentl. Sitzung der 2. Kammer. (Fortsetzung.)
Trefurt fährt fort: Das Wohldes Landes, welches nach Kräften zu fördern, wir alle ge-
schworen haben, dieses höchste und Thcuerstc, wird nicht blos durch gute Gesetze und Ein-
richtungen, es wird noch weit mehr durch gute Sitten und Gesinnungen gepflegt, und es ist
nicht der kleinere Theil des heiligen Berufs, gerade in letzterer Beziehung dein Volk durch
GuteSBeispiel voran zu leuchten. Welche Meinung wir auch von der bisherigen Haltung
dec Negierung haben mögen, — wollen wir unscrm Eide getreu, frei von jeder
Befangenheit, nur das wahre Wohl und Beste des Landes ins Auge fassen, so
müssen wir anerkennen, daß allein Milde und Mäßigung in unser,» Urtheil den
Dank deS wahren Patrioten verdient, und daß, nachdem wir in einem 3 Monate
lang fortgesetzten Kampfe so oft und unerbittlich Vergeltung geübt haben, cs einmal
an der Zeit ist, aufrichtig und ungehcuchelt die von den Streichen müde Hand zur
Versöhnung zu bieten.
Bader. Von Seiten der Regierung!
Trcfurt. Das Mittel dieser Versöhnung aber ist nicht auf dem Wege zu
finden, welche» die Commissson und der Antragsteller vorgcschlagen haben. Es ist
dlcS vielmehr nur der Weg zu neuer Aufregung und zur weitern Vertagung deS
wahren Friedens. Wenn auch einer mit Wohlthaten gesegneten Ehe der Engel des
Friedens gewichen ist, so haben die trauernden Kinder keine Hoffnung und keine
Aussicht auf ein wiederkchrendeS Glück, zumal wenn Sachwalte/durch gegenseitige
Anschuldigungen den Streit des zürnenden ElternpaarS näher und mit Kälte nur
den starren Rechtspunkt festhaitcn. Wenn aber dieser Sachwalter die Leidenschaft
der Eltern nicht reizt, sondern ihnen ihr von Lieblosigkeit, Neid, Haß und anderen
Lastern beflecktes Leben vorhält, wenn er sie auf die trauernden Kinder und die
durch ihr eigenes schlechtes Beispiel geschaffene trostlose Zukunft derselben hinwcist,
wenn er ihnen mit frommer Weihe einen glücklichen Ausgang als ein unabweiSli-
ches göttliches Gebet vorhält, da bebt er in den Herzen der Kinder freudige Hoff-
nungen und ihr liebender Blick versöhnt das trauernde Her; der Mutter. Auch der
starre Sinn des Vaters kann sich dem Eindruck nicht entwinden, welchen Religio»
und Kindesliebe gemähte , ^
Lernen Sic an dem Beispiel des frommen Priesters 3hrcn Beruf und dessen
heilige Pflichten iii ihrer höhern sittlichen Bedeutung auffaffcil, lernen Sie von ihni,
daß die im Staatsl'eben wie im Privatleben nicht immer ganz zu vermeidenden Zer-
würfnisse nicht durch Rechthaberei, durch Trotz, Erbitterung und Herabwürdigung,
sondern nur durch das Gcgcnthcil geheilt und nur durch einen in gegenseitiger Ach-
tung und Anerkennung, so wie in Selbstlosigkeit sich aussprechenden Patriotismus
beseitigt werden. — Blicken wir hin auf den theucrsicn Fürsten dessen Vaterherz
durch de» lange andauernden Hader mit Sorge und Bitterkeit erfüllt werden muß;
blicken wir auf das schuldlose Volk, welches unser übles Beispiel z» entsittlichen
droht, und das bei der längeren Fortdauer des Haders mit schweren materiellen
Nachtheilen bedroht ist. Blicken Sie hin auf unsere thcurc Verfassung, die nur bei
vernünftigem und mäßigem Gebrauche kostbare Früchte bringt und durch fernere
Entwickelung gedeiht; die aber im Gcgentheil durch den Geist, wie ich ihn geschil-
dert habe, bedroht, nicht blos keine Früchte bringt, sogar in ihrem Bestand Ge-
fahren ausgesctzt wird. Denn machen wie sich darüber keine Täuschung mehr. ES
ist für eine Verfassung nichts gefährlicher, als wenn wir die Ansicht anfstellen, als
ob bei ihr nichts gefährlicher , als wenn wir die Ansicht anfstellen, als ob bei ihr
die Einmischung von menschlichen Verirrungen völlig wirkungslos wäre. Ich würde,
wen» cS möglich wäre, daß aus unserer Haltung eine solche Vermuthung hcrvor-
ginge, dies für den größten Nachtbeil von allen halten. Sind wir Alle diesen
Verirrungen unterworfen, so mag cs uns auch begegnen, daß wir uns unfern Ho-
den Beruf nicht immer in seiner höchsten sittlichen Bedeutung vergegenwärtige».
Dessen hin ich gewiß, daß Keiner unter uns ist, her andere als wohlwollende Gc-
ülwungen für Fürst, Vaterland und Verfassung im Herzen trägt. Um dieses Wohl-
wollens willen verzichten wir auf das wenigstens zweifelhafte Verdienst, durch neu
gchamge Erorierungen auf's Neue zu erbittern. Hüten wir uns, daß man glauben
könnte, me wichtigen Lehren des vorigen Landtags seien für uns alle verloren ge-
wesen. Hüten wir uns, sage ich, uns einem solchen Glauben Preis ZU geben, in-
dem wir deni Kommiffionsantrag beitretcn, denn ich sage nochmals, ein solcher
Beschluß ist Sicht das Mittel zum Frieden, sondern nur das Mittel, um den Frie-
den und das einträchtige Zusammenwirken der Staatsgewalt, welches auch die Kom-
mission will, noch weiter hinaus zu setzen.
Basscrmann. Ja, Friede soll werden unter uns »nd im Lande; alle!» aus
jenem Wege, den der Abg. Trcfurt uns vorschlägt, gelangen wir nimmermehr zum
Frieden. Ganz richtig hat er unsern Zustand mit demjenigen einer Ehe verglichen,
tn welcher Unfriede herrscht, weil einer der Gatten gefehlt hat. Was soll dann
der Andere thun? er soll ihm zusprcchen, daß er wieder cinlenke, daß er nachgcbe.
«retet dann der, der gefehlt Hit, auch nur einigermaßen die Hand, und weigert
Nch das andere Glied der Ehe, sie anzunehmen, oann mag dieses Glied allerdings
-erV?rw,rf treffen, den der Abg. Trcfurt ausgesprochen hat. Er gibt aber zu,
vaß me Regierung mehrfach gefehlt habe, er weiß so wie wir, daß »0»—^
„n einziges versöhnendes Wort von Seiten der ^
wurde.

1842.

Er weiß im Gegcnihcil, daß alle die Uebcl, über welche wir klagen muffen,
dort auf der RegicrnngSbank stets die wärmsten Vcrtheidiger fanden, und dennoch
sagt er uns jetzt: Bietet die Hände, schweigt und thut dies im Interesse des
Friedens. Wir wollen aber nicht einen Zustand, in welchem dasjenige, waS wir
für Unrecht halten, fortwährend als Recht anerkannt wird. Wir können nur dann
einen wahren Frieden wünschen, wenn das, was wir für recht und moralisch erken-
nen, allein besteht, und dies kann nur sein, wenn das Gegentheil davon, nämlich
das Unrecht, seinen Richter, sein Urtheil findet. DaS ist gerade der Zweck des An-
trags, welchen der Abg. v. Jtzstein und die Kommission stellt. Sic maßt sich nicht
an, eine Strafe auszusprcchen, da sie wohl weiß, daß sie keine Strafe dietircn kann,
allein sie wird doch wahrlich das Einzige, welches unS übrig bleibt, nämlich den
Ausspruch unserer Ueberzeugnng nicht ungeübt lassen sollen! Unb wahrlich unsere
Uebcrzeugung über die Handlungen der Negierung ausznsprechen, daran soll unS
Niemand hinrern. Es ist eine alte Taktik derjenigen Negierungen, welche gewisse
Absichten durchsetzen wollen, die ihnen Entgcgenstehenden als eine Partei zu bezeich-
nen. Diese Taktik ist so sehr verbraucht, daß cs darauf kaum einer Antwort be-
darf. Im Jahre 1822, als die Kammer unter ähnlichen Umständen, wie die letzte
aufgelöst wurde, hat man auch die Majorität in einem ihr nachgcscndcten Mani-
fest eine Partei genannt, und cs kam dann eine Kammer zu Stande, die so will-
fährig war, daß sie selbst die Verfassung abänderte, was vielleicht auch diesmal ge-
schehen wäre, wenn die nämlichen Mittel den nämlichen Erfolg gehabt hätten. Sie
wissen meine Herren, daß man ebenso im Königreich Hannover die Männer, welche
die dortige Verfassung vertheidigen, eine Partei genannt hat. Mit diesem Wort
reicht man aber nicht aus, und dieses Wort, von dem ich mich wundern muß, daß
man es am Hellen Tage im Angesicht des Volkes auszusprechen wagt, bedarf, wir
bereits gesagt, keiner Widerlegung mehr. Ich kann daher auch dem Antrag des
Abg. Goll auf Tagesordnung nicht beistimmen, indem ich vielmehr in den Rcgie-
rungShandlungcn, von denen die Rede ist, den schwersten Eingriff in unsere Verfas-
sung erblicke. Ich gebe zu, daß die Ministerial-Zirkulare vorsichtig abgcfaßt sind,
allein wenn man auch keine Absichten unterschieben so kann man wenigstens die
Absichten bezeichnen, die von den Urhebern selbst ausgesprochen wurden. In diesen
Wahlzirkularcn ist die Absicht klar ausgesprochen, nur solche Männer wählen zu
lassen, welche der Regierung willfährig sino. Man wollte eine Kammer, die nicht
das Volk sondern die Regierung vertritt; man wollte also das Wesen eines eonsti-
tutionellen Staates, das Wesen unserer Verfassung aufheben. Mit einer solchen
Kammer wäre man dann im Stande gewesen, alles zu thun, was nur im Belieben
stand, und ein cüiziger Vormittag hätte hingereicht, die ungeheuersten Dinge zu de-
schließen. Ich finde in dieser Taktik nicht die Offenheit, die man an den Handlun-
gen der Minister rühmen wollte. Ich halte das Verfahren des hannoverschen Mi-
nisteriums Scheele, das geradezu die Verfassung aufhob, für weit offener. Welche
Folgen aber, meine Herren, haben die Wahlzirkiilarien und alles, was damit zu-
sammenhängt gehabt? Oer Abg. Trcfurt sagt, wir sollen um des Fürsten willen
nicht weiter davon sprechen, und nach dem Antrag des Abg. Goll die Tagesordnung
beschließen. Wenn aber doch der Abg. Trcfurt einmal an den Namen des Fürsten
appcllirte, so mag cs auch mir vergönnt sein, frei auszusprechen, wa- ich von dem
Nutzen halte, den diese Wahlzirkulare unscrm Fürsten brachten. Die Anhänglich-
keit des Volkes an den Fürsten ist durch das ganz ähnliche Verfahren im Jahrr
1822 nicht befördert worden.
Meine Herren, werfen Sie einen Moment einen freien Blick in die Zukunft.
Was ist wahrscheinlicher, als daß nach 27 Friedensiahren wieder Krieg hereinbricht?
waren wir doch vor 2 Jahren so nahe daran, daß ganz Europa sich dazu rüstete.
Vor dem letzten Kriege bestanden mehr als 300 Souveränitäten in Deutschland,
und nach de>n Kriege waren nur noch etliche 30 übrig. Wer weiß, wie viel nach
den nächsten Kriegen davon übrig bleiben werden. Die Frage wird nur die sein:
welche werden übrig bleiben? Wahrlich diejenigen am sichersten, mit welchen das
Volk am zufriedensten, folglich am anhänglichsten ist, in welchem also Recht und
Verfassungstreue besteht. Wenn wir deßhalb die Minister an Verfassungstreue mah-
nen, wenn wir Pcht mit Stillschweigen übergehen, was sie gegen die Verfassung
und die Zufriedenheit des Lanves gethan haben, dann sprechen iind handeln wir nur
im wahre» Interesse des Fürsten.
Die schmerzlichste Folge der bcklagenSwcrthcn Wahlbchcrrschungcn ist aber der
Schaden, den sie für den moralischen Zustand des Landes gebracht haben. So
wie der einzelne Mensch nicht dazn berufen ist, blos zu arbeiten und das, was er
dainit verdient, zu genießen, so ist es auch nimmermehr der Zweck deS Staats,
blos Besoldungen zu bezahlen und Kaffen zu verwalten. So wie der Berus des
Menschen, zu dem ihn der Schöpfer bcssimmte, der ist, sich zu veredeln, so sollten
die StaatSeinrichtungcn darauf berechnet sein und die Staa,sha»dlungcn der Ge-
walthaber wenigstens dahin zielen) daß dieser Veredlung nicht cntgcgengcwirkt werde.
Es kämpfen in uns Ueberzeugnng des Guten mit den Versuchen äußerer Bortheile
Wehe Deuilenigen, der dieser Versuchung unterliegt! aber wehe vor Allem den Staats,
lenkern, die dem Gewichte dieser Versuchungen noch das ihrer Gewalt anhängen.
Sie erschweren dem Menschen den Zweck seines Daseins zu erreichen. Mag man,
wie der Abg. Trcfurt, immerhin läugncn, daß solche Versuchungen, Versprechungen
x ^--<-„"aen geschehen seien. Wohl hat man sich gehütet, solche offiziell kund
'-eben sind sie deßhalb nicht mindert Ist demnach auch unser-
 
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