Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mannheimer Morgenblatt — 1842

DOI Kapitel:
No. 160
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0647

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Landtagsvcrhandlungen.
Carlsruhe, 1. Juli. 17. öffentliche Sitzung der 2. Kammer. (Schlüße
Welcher will die Behauptung des Abg. Schaaff der Benrtheiiung aller Ber-
ständigen überlassen und nur den Barwurf beantworten, er habe etwas Verfassungs-
widriges gkthan, indem er den Fürsten genannt habe. Dies fei der größte aller
Jrrthnmer. Wie oft habe der Abg. Vchaaff schon den Fürsten in diesem Saale ge-
nannt. Ihn zu tadeln, sei nicht erlaubt, aber Wünsche, Hoffnungen und Besorg-
nisse für sein Glück und Wohl auszusprechen, sei das Recht eines jeden Abg.
Schaaff. Die Negierung steht uns gegenüber.
Welckcr. IO bin cs es zwar gewohnt, in dem Abg. Schaaff den Kämpfer
nnd Dämpfer der Anklagen gegen die Minister zu sehen und lasse ihn bei diesem
Amt. Aber er wird wohl einsehen, daß er diesmal ohne Noth zu weit gegangen
ist. Wenn ich so weit gegangen bin, daß ich sagte, diese Sache führt zum Schlim-
men , so hatte ich die jüngste Vergangenheit vor mir. Sic erinnern sich, wie weit
es seit einem Jahre auf der Bah», die man cinaeschlagen hat, gekommen ist. Ob
das ei» Glück ist, bitte ich den Abg. Schaaff zu benrtheilen. Ich bin überzeugt,
es gibt viele Leute i„i Lande, welche keine Uebertreibnng in meiner RSe finden
werden. ^
-schaaff. Der Abg. Welckcr macht immer Voraussetzungen, die nicht da sind;
er Zieht sich gleichsam an den eigenen Haaren iu die Höhe "Es ist nicht so arg,
wie er eS geschildert bat. Ob er übrigens in feinem Rechte war, als er die Per-
son des Regenten in die Debatte zog, dies frage ich den Hr». Präs,deuten.
Wclüer. Zn den, Umstande, daß der Hr. Präsident nicht antwortet,' erblicke
ich die Bestätigung, daß ich nicht gegen die Verfassung gehandelt habe.
Der Präsident. Ich habe allerdings keinen Grund, hier cinzuschreiten.
Basscrmann. Ich wollte heute nicht sprechen; ich wollte meine Herzcnsmci-
nnng über den Gegenstand der Motion am Tuge der Entscheidung sagen. Allein
der Behauptung zweier Redner, die Regierung habe ein Recht ans die Wahlen cin-
zuwirkci, und die Zirkulare seien vcrfassimgsgeinäß, muß gleich von vorn herein
widersprochen werden. Ich frage: wer soll in diesem Saale fitzen? Das Volk,
glaube ich, durch uns, seine Vertreter, ^m Volke mögen verschiedene Ansichten
herrschen; allein dann wird die Mehrheit der Kammer die wahre Bolksmcinung
repräsentier,!. Eine andere als die im Volke herrschende Ansicht aber soll hier nicht
vertreten sein, und die Negierung hat kein Recht, eine solche einzuimpfcn, also
auch kein Recht, auf die Wahlen einznwirken, wenn auch nicht ein Gesetzcspara-
tzraph cs ausdrücklich verbietet. Wenn der Abg. Junghanns sagt, die Minister
würden erschienen sein, wenn wir verfaffnngsgemäß den Antrag gestellt hätten, sic
in Anklagestand zu verletzen, so weiß ich wohl, worauf die Berfassnngsmäßigkeit
beruht, welche die Minister hier ansprcchen. Eine Anklage muß durch die erste
Kammer geben. Nun ist bekannt, daß in der ersten Kammer zwar die Standes-
nnd Grundhcrrc», so wie die Universitäten und Kirchen und das Ministerium selbst
durch -8 Mitglieder, die cs ernennt, vertrete» sind, aber nicht das eigentliche Volk.
Sol. nun die zweite Kammer so gcistcsbcschräukt sein, daß sie eine Anklage gegen
die Minister an die erste Kammer gehe» läßt, da man voraus weiß, daß die An-
klage dort liegen bleibt und keine Folge hat? —
Präsident Ich muß den Redner unterbrechen. Es ist nicht erlaubt, das
Ansehen, die Würde und Unparteilichkeit der ersten Kammer in diesem Saale
anzugrcifcn.
Basscrmann: ES ist bekannt, daß das Volk Niemand in die erste Kammer
wäbit; ich habe damit nur eine Wahrheit gesagt.
Präsident: Nach der Verfassung vertritt die erste Kammer gemeinschaftlich
mit der zweiten, das Volk. Der Abg. Baffermann hat nun wieder das Wort.
« Bassermann: Nur noch Weniges auf die Rede des Abg. Juughanus zur
Bertheidiguug der Minister. Er sagte, das offene Wirken der Negierung, wie
Offenheit überhaupt, verdienen keinen Tadel, sondern Lob. Dies gebe ich zu, aber
nur Mit der Beschränkung auf gute Zwecke. Wer etwas Schlimmes vor hat, thut
rs anfangs hei„,,jch. ^ ^ aber kömmt in Ansübung seiner schlimmen Ge-
.wohnhcli, desto i.Deuiger scheut er das Licht; am Ende thut er cs aus offener
Erraßc; eucii'.ch wird er aber nicht achtnngswerth. Wenn ich Minister wäre, ich
würde mich M me Vertheidigung bei dem Abg. Juughanns nicht sehr bedanken. —
Wenn uns avcr der Abg. Schaaff znruft, wir sollten »ns im Glücke mäßigen, so
frage ich ihn, wo er dies große Glück findet. Ist es ein Glück, daß wir uns be.
schweren müssen über Wahlclnwirknngen, während uns Rieniand gegenübersteht, um
sich zu verantworten. W cs ein Gluck, wenn wir auch dem Antrag des Abg. v.
JHstcin beitretk», die Ueberzengung zu babcn, daß ein Alp ans das Volk drückt
üno es niederbeugt, und daß wir diesem'Zustande nickt abhelfen können? Umge-
kehrt hätte der Abg. Schaaff den Ministern Zureden sotten, sich zu mäßigen. Sie
haben cs nicht gethan und darum stimme ich für die Verweisung der Motion in die
rlbtheilungen.
Schaaff: Die Herren Ministern haben meinen Rath seiner Zeit nicht ver-
langt, aber hier kann ich als Abg. meine Ansicht aussprechen.
In Beurtheilung der vorliegenden Frage wird man mir volle Un-
" Zutrauen, da ich als neucingctrctcnes Mitglied dieser Versammlung
nicht Z» ocn gehöre, über welche die Rescripte die Verdammung ausgesprochen
haben, Eck erkläre mich übrigens vollständig mit dein Antrag des Abg. v. Jtzstein
Einverstanden und wünsche ebenfalls die Verweisung desselben in die Äbthcilungen.

Als wahrer Patriot beklage ich schwer nnd laut die Veranlassung, welche diese
Verhandlung herbciführte, cS beseelt mich aber die Hoffnung und der heiße Wunsch,
daß cs nicht an Mitteln und Wege fehlen möge, den Streit ans versöhnliche Weise
beiznlegcn und das alte bewährte Vertrauen zwischen Volk und Regierung wieder
herzusteilen; ist ia dasselbe in Beziehung auf die Verwaltung der Regierung noch
immer unveränderlich, und hat dieselbe nur allein den politischen Mißgriff sich zu
Schulden kommen lassen, von dem hier die Rede ist. Es ist aller-
dings eine große nnd kaum zu verantwortende Calamitcit, die hierdurch vom hei-
tern Himmel herab, also ohne alle äußere Veranlassung, ins Land geworfen wurde,
nnd es thut wohl Noth, die Wurzel dieses großen Uebeis aufzusuchen und ihr zu
begegnen; sie anfznfindcn ist keine besondere Schwierigkeit, wenn man erwägt, daß
zwanzig Jahre die Verfassung im Leben war, ohne daß es dahin kommen konnte,
und erst seit zwei Jahre» dieses gcwalithätige Streben eingctrctcn ist. Der Herr
Abg. Jnnghamis hätte zwar der künftigen Discussion mcht'vorgreifen sollen; dem
ungeachtet weiß ich ihm dafür Dank und spreche ihn laut aus, daß c, das dienst-
sertige Getriebe der Bollziehungsbcamten in Beachtung der Ministenalrescripte —
mit allen seinen viclsälttgen Ucdcrtrcibungcn laut nnd entschieden tadelte, nnd da-
rin einen Hauptthei! der Beschwerden nnd der Unzufriedenheit des Volks finden zu
müssen glaubt, Wie er aber den von ihm ausgesprochenen Satz, daß den Nescrip-
-trn kein Tadel und am wenigsten eine Verfassungswidrigkeit zuzuschreiben sei, einst
bei der Haupldiscusnon begründen und verthcidigen wird, daraus bin ich sehr begie-
rig, da cs mir kaum möglich zu^seiu scheint, wenn man erwägt, daß sogar den
Richter-Kollegien, Kirchen - nnd Schnlbcamten darin aufgegeben worden, allen ih-
ren Einfluß dazu zu verwenden, um die für anmaßend und ehrsüchtig erklärte Ma-
jorität der ?>l zu verdrängen und dafür zu sorgen, daß sie nicht mehr gewählt
werde. Zum Schluß habe ich nur noch zu bemerken, daß ich die vom Hrn. Staats«
rath Wolfs vorgelcsenc, von ihm als ein Staats-Ministcrial-Rescript ausgegebcne
Erklärung weder für ein Staats -Minister-all - Rcscript, noch für einen Erlaß der
Gesmnmt-Regicrung ansehen kann, da er sonst an einem wesentlichen Formfehler
leiden würde', sondern ich halte cs nur für die Acußerung und Ansicht der Herren
Minister, deren Handlungsweise hier einer Kritik unterworfen wird, und sie könnerl
nicht Richter in eigener Sache lein. Ich wiederhole die Unterstützung des Antrags
auf Verweisung der Sache in die Atheilungcn.
Negcnaner stimmt für die Verweisung in die Abtheilmigen, anerkennt, dast
eine Aufregung, wenigstens eine lebhaftere Theilnahme an den Verhandlungen seit
de», letzten Landtage im Volke herrsche, daß zum Theil das Vertrauen erschüttert
und an die Stelle der früheren Freundlichkeit wenigstens eine schüchterne Zurückge-
zogenheit getreten sei, und sieht in der Berathung der Motion ein Mittel zur Her-
stellung des gegenseitigen Vertrauens. Dagegen "thcilt er glicht die Ansichten über
die Vcrfaffungswidrigkcit der Reskripte. In allen konstitutionellen Staaten haben
die Negierungen ein lebhaftes Interesse, ans die Wahlen einzuwirken, und wenn
cs Zeiten gibt, wo es einer uuuuttelllaren Einwirkung von ihrer Seite nicht bedarf,
so gibt es andere Zeiten, wo öS ihr geboten sein dürfte, einzuwirken. Der Red-
ner will damit nicht billigen, wenn von untergeordneten Personen znwcit gegangen
wurde, wenn Versprechungen, Drohungen u. s. w. angewendet worden sind; findet
aber das offene Verfahren der Negierung ritterlich und sieht darin den Beweis ei-
ner wahren, konstitutionellen Gesinnung, auch wenn man sich da oder dort in den
Mitteln vergreife. Die Vergleichung unserer Zustände mit Hannover könne kein Un-
befangener richtig finden, da sie nicht entfernt 'denen jenes Landes gleichen. Der
Abg. Gerbet habe — und dies gereicht seiner Aufrichtigkeit zur Ehre — anerkannt,
daß das Vertrauen in die Verwaltung-Handlungen der Regierung überall noch be-
stehen. Schließlich wiederholt der Redner seine Zustimmung zu der Verweisung iu
die Abtheilmigen, und freut sich der Einigkeit, womit eine gründliche Prüfung ge-
wünscht wirdals Mittel zur Herstellung des gegenseitigen Vertrauens.
Platz widerspricht der Behauptung des Adg. Bafsnrmann, daß die Negierung
kein Recht habe, durch gesetzliche Mittel auf die Wahlen einzuwirkcn nnd verweist
ihn auf die Autorität des seligen v. Notteck.
Bassermann pjeibt bei seiner Ueberzengung, will aber jetzt nicht weiter
darum streiten. Dem Abg, Regeordnete« Regenaüer erwidert er, daß er es für
ritterlicher gehalten hätte, wenn die Minister heute erschienen wären.
Ncgenauer entgegnet, daß die Herren Minister bei der Berathung der Mo-
tion entweder zugegen sein oder auf andere Weise zeigen werden, daß sic als offene-
ritterliche Männer zu handeln gewohnt sind.
Bassermann. Das wollen wir erwarten.
Mordes erläutert berichtigend, daß die Vergleichung mit Hannover nicht von
einem Mitgliede der Kummer ausgegangen, sondern daß von seinem Freunde Ba-
der nur erwähnt worden sei, cs schmerze ihn, wenn man in öffentlichen Blättern
bei Gelegenheit allgemeiner Betrachtungen über die Lage Deutschlands lesen müsse,
Baden stehe mit Hannover auf gleicher Linie.
Der Präsident schließt die Diskussion und macht darauf ansmerksam, daß
kein Rcscript des Ministeriums mitgetheitt, sondern von Hrn. Staatsrath Wolff
nur ein mündlicher Vortrag gehalten und eine Erklärung im Namen nnd ans Auf-
trag seiner Kollegen gegeben worden sei. —
Der Abg. Sander zieht hierauf seinen Antrag, die Erklärung ebenfalls in
die Abteilungen zu verweisen, zurück, da die Kommission dieselbe ohnedies in Be-
trachtung ziehen werde.
 
Annotationen