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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 279
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No. 279.

Freitag den 25. Novembr.

1842.

Tagsbericht.
Berlin, 19. Nov. In Folge des von der Rheinischen Z-rtung
zuerst mitgecheilten Entwurfs zu unserm so häufig besprochenen Ede.
scheidungSgesetze, ist setzt, höherm Befehle gemäß, eine Untersuchung
eingeleitet, um denjenigen Beamten zu ermitteln, der dieses Staats«
geheimniß der Publicität übergeben hat.
Coblcnz, 20. Nov. Ein kürzlich hier stattgehabier medizrnt.
scher Fall hat hier ein nicht gewöhnliches Aufsehen erregt, und dürfte
wegen der Folgen von allgemeinerer Bedeutung die er gehabt, ein.'
besondere Erwähnung in Ihrem Blatte verdienen. Vor meh-
reren Tagen verstarb nach kurzem Krankhertsverlaufe der hiesige Kauf-
mann Ö. A. M... an einer Lähmung und Entzündung der Lunge.
Auf die Kunde davon, daß der behandelnde* Arzt das Uebel nach ei-
ner, angeblich von der gewöhnlichen abweichenden Methode und na-
mentlich ohne Blulentzichung behandelt habe, vcrordnete sofort tue
hiesige Medizinal-Aufsichts - Behörde die Obduction des Leichnams
(welche, beiläufig gesagt, eine Desorganisation der Lunge als Ursache
der eingetretenen Lähmung nachwies); stellte ein Gutachten dahin aue,
daß der Kranke an einer fehlerhaften ärztlichen Behandlung gesiocber
sei, und ließ dasselbe mit dem Anträge, dem fraglichen Arzte die mr-
dizinilche Prar s zu entziehen an das Ministerium gelangen.
Diese Versahruugsweise hat im Publikum kein geringes Erstaunen
erregt. Man wundert sich über die Bestimmtheit, mit der die Medizi-
nalbedörde keinen Anstand nimmt, den erfolgten Tod der schuld d-s
Arztes beizumeffen, und fragt sich, selbst die Richtigkeit dieser Annah-
me unterstellt, ob ein Arzt, welcher nach seiner Ueberzeugu.ig pflichtge-
mäß gehandelt, wie geschehen, denunziirl und eine wissenschaftliche
Controoerse durch Polizei-Maßregeln entschieden werden solle. Alls die
Entscheidung des Ministeriums ist man sehr gespannt, hofft übrigens
allgemein, daß unsere aufgeklärte Verwaltung auch im medizinischen
Felde die Freiheit und LLohlthaten wissenschaftlicher Forschung nicht
dem einmal hergebrachten Schlendrian und durch die Zeit geheiligten
Dorurrheilen zum Opfer bringen werde.
Dresden, 16. Nov. Unserem Mckitärwcscn stehen nicht unwe-
sentliche Veränderungen bevor, und die dießfallstgen Bestimmungen wer-
den der fetzt zusammentretcnden Ständeversammlnog vorgelegt werden.'
Hiebei handelt es sich aber nicht sowohl um die Herstellung eines streng
durchgeführten Landwehrsystems, wie in Preußen, oder um eine Na-
tionaibewaffnurg, wie die Schweiz sic hat und wie fie von gewisser
Seite hrr gewünscht wird, als lediglich um eine Verminderung der
Dienstzeit, eine Verschärfung der Kriegsreserve und eine Umwandlung
der Kommunolgarve.
Wien, 18. Nov. In der kommenden Woche werden die beiden
Prinzen von Baten hier eimrcffen und ihren Aufenthalt den Winter
über in der Residenz nehmen.
Paris, 20. Nov. Telegraphische Depeschen.
I. Perpignan, 19. Nov. Ein Schreiben eines Cavallerie-Offi-
ziers aus Barcelona, welches am 18.. mit einer Ordonnanz zu La
Jonquiere cingetroffen, meldet: „Nach einem blutigen Kampfe wurden
wir genöthigt, die Stadt zu räumen. Die Einwohner haben sich der
Artillerie bemächtigt. Wir bivouakiren seit zwei Tagen am Fuß der
Wälle. Das Thor des Auges war zuerst von der Nationalgarde ge-
nommen worden; Weiber waren mit Lanzen bewaffnet. Abtheilungen
von Liuientruppen halten noch die AtarazanaS Montjuich, den Hafen,
besetzt. Man versichert, daß die Jnsurrection auch Solsena und Le-
»»da ergriffen hat."
U. Alerandrien, 5. Nov. Es ist ein Frieden zwischen dem eng-
lsschen Bevollmächtigten und der chinesischen Regierung abgeschlossen

worden. Die Hauptbestimmungen setzen fest: 1) China zahlt in drei
Jahren 21 Millionen Dollars. 2) Die Häfen von Canton, Amoy,
Ring'Po und zwei andere sind dem englischen Handel geöffnet. 3)
Die Insel Hong-Kong wird auf ewige Zeiten an Ihre britische Maj.
abgetreten. 4) Die Gefangenen werden zurückgegeben. 5) Eine Am-
nestie wird erlassen. 6) Die Offiziere der beiden Nationen werden auf
gleichem Fuße behandelt. 7) Die Insel Chusan und Kolong-Son wer-
den bis zur vollständigen Entrichtung des Tributs besetzt.
Die Nachricht von dem Abschlüsse eines Friedensvertrages zwischen
China und England traf gestern Abend durch den Telegraphen in Pa-
ris ein. Eie veranlaßte im englischen Botschaftshotel viel Bewegung.
Lord Cowlky schickte alsbald einen außerordentlichen Courier nach Lon-
don ab. Er selbst stellte, wie es heißt, dem Hrn. Guizot die jenes
wichtige Ereigniß meldende Note zu, wie sie in den ministeriellen Jour-
nalen abgedruckt ist. — Man will veunuthen, daß in dieser Note wohl
noch einige wichtige Stipulationen des Vertrages übergegangen seien.
Denn die sieben, in der telegraphischen Depesche aufgesührten Bestim-
mungen lauten sämmtlich zu Gunsten der Engländer, und die Chine-
sen waren noch nicht so weit gebracht, daß sie nöthig gehabt hätten,
sich solchen Bedingungen zu unterwerfen. Je vortheilhafter der Fric»
dcnsvertrag für England ist, desto wahrscheinlicher ist es, daß ihn dir
Chinesen nicht lange zu halten beabsichtigen. Sie wollten sich wodl
npr einige Monate Frist verschaffen, um neue Kriegsrüstungen zu ma-
chen und dann den Kampf auf's Neue zu beginnen.
— Der Prozeß gegen Hourdequin u.-.d Consorten ist gestern
aus gegangen. Nachdem der Präsident des AsfisenhofS der Seine, Froi»
defond de Farges, mit Würde und Klarheit die zwölftägige Ver-
handlung resumirt hatte, zog sich die Jury um halb 3 Uhr ins Be-
rathungozimmer zurück; um 6 Uhr wurde der Spruch verlesen; Sol et
und Philidor sind feeigcsprochen, Hourdequin, Morin und Beu-
let werden schuldig befunden, doch unter mildernden Umständen. Der
Gerichtshof verordnet die so!vrtige Freilassung der Angeklagten Sol«
und Philidor, und verurtheilt Hourdequin zu 4 Jahren Gefängniß,
Morin und Boutct zu 3 Jahren der gleichen Strafe, und alle drer zur
solidarischen Tragung der Prozeßkosten.
London, 18. Nov. Die Chartisten haben gestern Abend eine
Versammlung gehalten; es wurde folgender Beschluß gefaßt: „Die un-
glückliche Lage der Arbeiter, wie sich solche bei den jüngsten Unruhen
gezeigt hat, wird mit der innigsten Thcilnahme von uns empfunden;
harte L-lrasen sind gegen die Schuldigen ausgesprochen worden; wir
sind der Meinung, man hätte in Auflegung dieser Strafen, ohne dem
Rechte Eintrag zu thun, mit Billigkeit verfahren sollen; in Folge der
ergangenen Verurtheilungen sind 300 Familien ihrer Ernährer beraubt
worden; das gerichtliche Verfahren hat enorme Kosten veranlaßt; wir
wünschen daher, daß für die Zukunft ein gemeinsamer Fonds zur Ver-
theidigung und Bcihülfe möge creirt werden."
Brüssel, 20. Nov. Der bekannte Abbe Helsen, der Stifter ei-
ner neuen Secte, wovon keine Spur mehr übrig ist, und Verfasser
mehrerer gottlosen und unmoralischen Bücher wurde vor einiger Zeit
in den Umgebungen von Löwen wegen Landstreicher« verhaftet und in
das Hospiz der Mriancr zu Löwen gebracht. Dort hat dieser Geist-
liche seine Jrrthümer abgeschworen." Das „Journal de Bruxelles"
veröffentlicht diese, vom 14. Nov. datirte Abschwörung, welche in Ge-
gcnwart von 5 Zeugen, durch den Dechanten von Löwen entgegenge-
nommen wurde.
Malta, 13. Nov. Heute Vormittag ist der Dampfer „Medea" von
Alerandrien angckommen und bringt außerordentlich gute Nachrichten
aus Indien und China. Kabul ist eingenommen und alle Ge-
fangenen sind wohlbehalten zurückgestellt und der Friede
abgeschlossen.
 
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