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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 181
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Mitwoch den 3. August.

1842.

No. 181.

Lan-tagSverhand?ungcn.
CarlSruhe, 25. Juli. '26. öffentliche Sitzung der 2. Kammer.
(Forts, u. Schluß.)
Knapp bedauert die Urlaubsverweigerung gegen den Abg. Kuenzcr, um so
mehr, als sie die Folge haben werde, daß wenige katholische Geistliche mehr rn die
Kammer gewählt werden. Dieser Stand gehöre aber zu den unabhängigsten des
Landes, und es sei sehr zu wünschen, daß solche unabhängige Männer hier Platz
nehmen. Seines Erachtens handle es stch darum, ob die Curie aus religiösen oder
politischen Gründen den Urlaub verweigert habe. Im ersten Falle würde Niemand
das Recht haben, stch cinzumischcn, auch würde die Curie jede Einmischung von
der Hand weisen; seien cs politische Gründe, so entstehe allerdings die Frage, in
wie weit die Curie das Recht habe, einen Geistlichen, der ihrer Tendenz nicht zu-
sage, von der Kammer fern zu Hallen, und er glaube nicht, daß die Curie Grund
batte, dem Abg. Kuenzcr den Eintritt in die Kammer zu verbieten, da nirgends
Tadel gegen ihn ausgesprochen wurde. Man habe übrigens schon oft gelesen, daß
Abg., denen der Urlaub verweigert werde, ohne Weiteres für sich in der Kammer
Platz nehmen und nicht mir Gewalt entfernt werden können. Der Aba. Kuenzcr,
ein freier Mann, möge von diesem Rechte Gebrauch machen, und stch hier emstn-
den. Nach den Ansichten, welche die Curie von ihm hat, werde es ihr leicht fal-
len, einen Ersatzmann für ihn zu finden, der ihr besser Zusage. -
Staatsr. Frhr. v. Rüdt will die Unannehmlichkeiten, womit ein Mitglied ge«
drobt habe, in so weit er bei Entscheidung dieses Falles verantwortlich sei, ebenso
wie andere Unannehmlichkeiten tragen, und fügt bei, daß der Staat die Kirche nicht
abhalten könne, ein Recht auszuüben, das ihr zusteht und durch Ucbercinkünfte von
den deutschen Fürsten besonders garantirt ist. Wenn von einem Mitgliede geltend
gemacht worden sei, daß die Urlaubsentscheidung nur höchsten Ortes auszugehen
habe, so erinnere er an die früheren Diskussionen, wo das nämliche Mitglied eine
ganz andere Ansicht ausgesprochen und Grundsätze eines sehr strengen Reprasenta-
tivspstems aufgestellt habe.
Welcker. Den Grund der Verantworlichkcit habe ich allerdings geltend
gemacht. —
Hiermit wird dieser Gegenstand verlassen und der inzwischen eingetrctcne Abg.
Hecker beeidigt.
Legattonsrath v. Marsch all tritt in den Saal.
Die Tagesordnung führt auf die dritte Verlesung des Antrags des Abg. Wel-
cher, in Betreff der von dem Bundestag erlassenen Ausnahmsgesetze. (S. No. 175,
Beilage S. 710.)
Nachdem die Diskussion eröffnet worden, äußert
Staatsrath Frhr. v. Rüdt. Ein Wunsch zu Protokoll, über diesen sehr wich-
tigen Gegenstand, kann wohl nicht die Wirkung haben, die man dabei beabsichtigt.
Die Negierung kann überhaupt im Hinblick ans die Verfassung, sobald cs sich von
wichtigen Gegenständen handelt, nur solche Wünsche berücksichtigen, die von beiden
Kammern gememschaftlich beschlossen und in vorgeschriebcner Form dem Staatsober-
haupt vorgelegt werden. Ich glaube dies erklären zu müssen, weil die Fora, der
Niedcrlegung von Wünschen in das Protokoll weder in der Geschäftsordnung noch
in der Verfassung begründet ist.
Der Präsident bringt den Antrag deS Abg. Welcher zur Abstimmung, wel-
cher mit allen gegen eine Stimme angenommen wird.
v. Jtzstein. Damit sich der Präsident des Ministeriums des Innern in gehö-
riger Weise vorbcreiten kann, jetzo ich ihn in Kcnntniß, daß ich bei seinem näch-
sten Erscheinen in der Kammer die Abgcordnetcn-Wahl in dem Bezirks Lahr zur
Ddrache bringen werde, weil ich nicht glaube, daß die Sache in dem Stande, wo
U° ^Lt steht, sichen bleiben und nicht in dem Willen der Regierung liegen kann,
eene noth^wliRg gewordene Wahl nicht einzulciten. Die Anstände sind bekannt und
ich gehe johl „ich) weiter in die Sache ein, weil der Herr Präsident die geheime
Sitzung in, Interesse des Dienstes für nothwcndig findet; behalte mir aber bis zum
Wlfdererschoinkn des Hrn. Regicrungskommiffärs daß Nähere vor. Was ich aber
heute noch zu rügen habe, ist die Art und Weise, wie die Lcnsur in der neuern
--.'.'''dtagszeitung Wahrheiten streicht, welche die Welt längst kennt und
die iü'N Thcil, lchvn in anderen öffentlichen Blatter zu lesen waren. ES ist durch-
aus die Pflicht ^ Hrn. Präsidenten deS Ministeriums des Innern, diesem Zustande
ein Ende ru nicht mehr stehen bleiben kann, und wenigstens dafür zu
sorgen d?"s Eensnr, wenn sie je fortbestchcn soll, wenigstens einige Conse-
guenr herrsche.
St»mtsrath Frelhcrrn von R ü d t. Was den ersten Punkt betrifft, so wird
eie g-leer frühere Beschwerde, die bei der Kammer cingebracht worden
ist, nc^ch eine nähere Erwägung stattfi,,den, in wie fern sie sich zur Erledigung
oder 1 überhaupt zur wcilcrn Berücksichtigung eignet, und sobald darüber entschieden
ist, r vird eine weitere Wahl angeordnet werden. Früher läßt sich eine solche nicht
Aorv nehmen, indem sonst seiner Zeit Anstände dagegen erhoben werden könnten.
5g die Censurstriche betrifft, so kann ich nur die Bemerkung wiederholen, daß die
alcp ' Instruktion für alle Ccnsorcn gegeben worden ist, und nicht daS Mindeste
ii'^lN geändert wurde. Wenn nun von dem Einen eine Stelle gestrichen wird, die
der Andere stehen läßt, io ist dies die Folge davon, daß die Ansicht deS Einen
von der Ansicht des Andern abweichen kann. Ich wüßte hier kein anderes Mittel,
als die ganze Censur hier zu vereinigen. Die Ccnsurordnunz ist Jedem zur Richt-

schnur angewiesen, und ich muß hiebei noch bemerken, daß die Censur in der That
nicht zu streng ist und in Beziehung auf die Landtagsvcrhandlungen zum The'.l
strenger sein dürfte, ohne dabei die Vorschriften der Censurordnung zu überschreiten.
v. Jtzstein. Ich würde tief bedauern, wenn dieser Grundsatz aus dem In-
nern des Herzens des Hrn. Redners fließen sollte, denn cs muß ja in seinem und
des Staates Interesse liegen, daß das, was in diesem Saale gesprochen wird, zu
Jedermanns Kcnntniß komme, denn dafür bat die Verfassung, die ihm wie jedem
Bürger heilig sein muß, Oeffentlichkcit gestattet. Die Oeffentlichkcit besteht aber,
wie sich der Herr Regierungskommissär selbst sagen wirv, nicht blos darin, daß
die Gallericn gefüllt sinv, sondern daß die hier im Interesse des Landes gesproche-
nen Worte auch denen, die unfern Verhandlungen nicht anwohnen können,
bekannt werden. Uebrigens kenne ich die Einwendungen, die der Hr. Ncgicrungs-
kommtffär stets, aber ohne Hoffnung auf sachgemäßen Erfolg macht. Er verweist
uns nämlich auf den Weg des Rekurses. Diesen Weg kcuneii wir; allein ich ver-
weise ihn wiederholt auf dasjenige, was ich schon oft darüber sagte, nämlich auf
die Herstellung einer, wenn ich so sagen darf, wenigstens vernünftigen Censur. Ich
nenne die Censur, welches Uebel leider! noch fortdcstehcn soll, sobald sie nicht in
gehöriger Weise durchgeführt wird — ja! ich nenne sie eine vernunftwidrige Cen-
sur, wenn sie Wahrheiten streicht, die hier gesprochen werden, die in öffentlichen Zei-
tungen, denen man zum Theil einen hohen Werth beilegt, nämlich in der allge-
meinen Augsburger Zeitung zu lesen wären, und wenn man gar streicht, was der
Präsident des Bundestags im Jahr 1816 gesprochen hat!! Da doch der Herr Ne-
gierungscommissar auf die Sache einging, will ich ihm nur Einiges von demjenigen ans
Herz legen, was bei der Berathung über Wclckcrs Antrag über die Aufhebung der provi-
sorischen BundeSbeschlüffe von mir gesprochen, aber gestrichen wurde. Dahin gehört die
Stelle, daß dem Volke durch dieselben die heiligsten Rechte entzogen und vorentha!-
ten würden. Ich nenne diesen Strich einen Verstoß gegen die Helle Wahrheit! Fer-
ner wurde gestrichen, was ich in Beziehung auf den jetzigen Zustand Deutschlands
erklärt habe, daß nämlich die Völker es seien, die mit ihrem Blute die Länder ge-
rettet und den Fürsten ihre Throne wieder erhalten hätten. Dasselbe sagt im Jahr
1K.I7 der Präsident des Bundestags in der Sitzung jener erhabenen Versammlung
in folgenden Worten:
»Die Bundesversammlung wird, eingedenk der hohen Bestimmung, zu der sie
berufen worden und der Vorschrift der Endzwecke der Bundcsakte, sich durch keine
ungleiche Beurtheilung eines einzelnen Bundesglledes abhalten lassen, innerhalb
der ihr vorgezeichncten Schranken, die sie nie vergessen wird, selbst bedrängter Uu-
tertbanen sich anzunchmen, und auch ihnen die Ueberzeugung zu verschaffen, daß
Deutschland nur darum mit dem Blute der Völker vom fremden Joche
befreit und Länder ihren rechtmäßigen Regent zurückgegeben wor-
den, damit überall ein rechtlicher Zustand an die Stelle der Willkühr treten möge.
Damals hatten freilich der Bund und auch die Regierungen noch andere An-
sichten. Denn die Völker hatten erst kurz vorher die Throne der Fürsten durch das
Blut ihrer Söhne gerettet. Aber dermalen ist dies vergessen, und durch die AuS-
nahmsgesctze wurden innen die errungenen Freiheiten und ihre heiligen Rechte wie-
der entzogen! Ich wiederhole, daß jetzt die badische Censur das streicht, was der
Präsident des Bundestags zu einer Zeit gesagt hat, wo die Bundesprotokolle der
Oeffentlichkcit noch übergeben wurden. Sie hat mir aber rn der Landtagszeitung
ferner gestrichen, was einer der ersten Minister in Europa, nämlich der Herr Fürst
v. Metternich in einer öffentlichen, in der allgemeinen Zeitung abgedrncktcn Note
an die Schweiz gesagt hat, worin er dieselbe, als cs sich um die Aarganer Klsstcr-
frage handelte, warnte, nicht von ^em 12. Artikel ihres Bundeüvcrtrages abznwei-
chen, weil das Abweichen eines Standes die Möglichkeit und das Recht nach sich
ziehe, vast auch andere Stände von andern Artikeln des Bundes abweichen, wodurch
der Bund sich nothwcndig auflöse. Ich wendete diese Erklärung auf die Hannöver'
sche Frage an, indem ich ausführte, daß der Artikel 56 der Wiener Schlußakte dort
nicht beobachtet worden sei, weil die in anerkannter Wirksamkeit gestandene Ver-
fassung von 1833 willkührlich aufgehoben worden sei, dem ich dann noch beifügte:
paß wie der König von Hannover sich erlauben konnte, mit Umgehung deS Art. 55
der Bundcsakte die Verfassung des Königreichs aufzuheben, ohne daß der deutsche
Bund einschrcite, auch jedes andere Mitglied des Bundes, wie der Herr Fürst v.
Metternich wegen der Schweiz angedeutet hat, stch ungestört erlauben könnte, diesen
oder jenen Artikel des Bundesvertragcs aufzuhebcn oder zu umgehen, wodurch dann
der Bund zusammcnfallcn würde. Jener Bund den die Völcker errungen haben
und der unser Schutz sein soll. Es wirv dann wieder werden, was cS vorher war.
nämlich ein buntscheckiges Bild und Leben in Deutschland.
Staatsrath Frhr. v. Rüdt. Ich habe weder der fraglichen Diskussion ange-
wohnt, noch selbst die Censur zu besorgen und ich kann nur wiederholen, daß ich
in der That selbst nicht wüßte, was eigentlich verfügt werden sollte. Die Instruk-
tion besteht allgemein; allein ein Bei sehen oder eine verschiedene Ansicht ist leicht
möglich, und dagegen ist ja durch die höchste Verordnung ausdrücklich eine Rekurs-
instanz offen gelassen. Ich sehe nicht ein, warum die Privatunternehmer eines
Blattes nicht denjenigen Weg cinschlagcn wollen und können, der für alle sorge
schrieben ist. Jedenfalls ist das Amt eines CcnsorS ein höchst unangenehmes und
v. Jtzstein. Hierin liegt der Beweis, wie schlecht das Amt und die Sache ist.
 
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