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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 273
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#1111

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Xo. 273. Freitag den 18.Novembr. 1842.

Tatbericht.
Kehl, 9- Nov. Heute fand eine Versammlung von evangel. Geist,
lichen hier statt, welche sich über die Gründung einer Sterbkasse für
ihre Relikten beriechen. Die Gesellschaft konstituirte sich und hat be-
reits die höchste Staatsgenehmigung durch das Min. d-s Innern, ev.
Kirchensektion, nachgesucht. Zur Bezahlung der Eintrittsgelder wurden
angemessene Termine bewilligt. Das Benefizium, welches sich bei 124
Mitgliedern, die jetzt die Gesellschaft zählt, auf ISO fl. beläuft, wird
in den ersten 14 Tagen nach dem Tod eines Mitgliedes bezahlt. Die
Verpflichtung der Kasse beginnt mit dem Tage der Konstituirung, also
9. November dieses Jahres. Es ist in naher Zeit noch ein bedeuten-
der Zuwachs von Mitgliedern zu erwarten, da das Bedürfniß einer
solchen Stcrbekasse für Pfarrcrswittwen und Waisen nur allzunahe liegt
u d von allen zugestanden ist.
Karlsruhe. Durch die erfolgte Pensionirung des Hauptlchrers
Joseph Heitzmann, ist der katholische Filialschuldicnst zu Langenbach,
Amts Wolfach, mit dem gesetzlich regulirten Diensteinkommen von 140
fl. jährlich nebst freier Wohnung und dem Schulgeld, welches bei
einer Zahl von etwa 37 Schulkindern auf 30 kr. jährlich für jedes
Kind festgesetzt ist, erledigt worden. Die Competenten um diesen Schul-
dienst haben sich bei der fürstlich fürstenbergischen Standcsherrschast,
als dem Patron, innerhalb 6 Wochen nach Vorschrift zu melden.
Frankfurt, a. M., 15. Nov. Es sind Privatmiltheilungen aus
Paris hergelangr, welche nicht daran zweifeln lassen, daß das Tuile-
riencabinet das Projekt einer Zolloereinigung zwischen Frankreich und
Belgien keineswegs hat fallen lassen, Es sind neuerdings Versuche im
Gange, um die Ausführung dieses Planes zu Stande zu bringen.
Man versichert, daß die Absichten des Königs der Franzosen hierin
mit den Ansichten des Königs der Belgier vollkommen übcreinstimmen.
Allein die Hindernisse, welche sich von Tag zu Tag mehr aufhäufen,
werden schwerlich aus dem Wege geräumt oder geradezu überwältigt
werden können. Für Frankreich handelt cS sich hier um eine Ausdeh-
nung seines politischen Einflusses auf kommerziellem Wege.
Stuttgart, 14. Nov. Vor etwa 10 Wochen kam ein aus Sin-
delfingen gebürtigen Schneider, der in seiner Jugend bis Petersburg
gewandert war, sich dort verheitrathet und über 40 Jahre gewohnt
hatte, wieder in das Vaterland zurück. Nachdem er Frau und Kin-
der durch den Tod verloren hatte, erwachte in dem 75 jährigen Greise
das Heimweh. In ärmlichen Umständen besuchte er seine Verwandten
in der Vaterstadt, die an dem alten Vetter eben keine sonderliche Freude
hatten. Ec ging daher wieder nach Stuttgart, mictbete sich eine Dach-
kammer und aß um 6 Kreuzer zu Mittag; das Vrod kaufte er sich
selbst. In der vergangenen Woche hörten die Hausleute einen Fall iu sei-
ner Kammer, und als man nach ihm sah, fand man ihn auf dem
Boden bewußtlos. Er war vom Schlage gerührt und verschied balö.
Als man von Obrigkeitswegen seinen Koffer öffnete, fanden sich abge-
rissene Kleidungsstücke, zerlumpte Wäsche und darunter versteckt ein
Beutel mit hundert Stück dcppelte Friedrichsd'or, und eine Brieftasche
enthielt Wechsel, im Betrage von ungefähr 20 000 fl.
Bern, 10. Noo. Das Kabinet von Berlin, Gründer und Be-
schützer des deutschen Zollvereins, hat wirklich vermittelnde Schritte
gethan, um die zwischen dem Großherzogthum Baden und dem Kan-
ton Aargau bestehende Gränzsperre zu heben.
Aarau, 15. Nov. In der Oten Großenrathsvcrsammlung wurde
bezüglich auf die Grenzvechältnisse mit Baden de« kl. Rathe einstim-
mig der Dank für sein energisches Handeln ausgcspro-
lhe«, die getroffenen Maßnahmen genehmigt und Vollmacht zu all-
fällig nöthig werdenden strenger» Vorkehren, so wie zum Erlaß von
Strafbestimmungen ertheilt.
München, 13. Nov. Der Tag, der Eröffnung unserer Stände«
Versammlung ist bis jetzt noch unbekannt, ein großer Theil derselben,

zumal der zweiten Kammer, ist bereits hier eingetroffcn. Se. k. Hob.
der Kronprinz wird hierher kommen, um dem feierlichen Acte H-Jzu-
wohnen.
Berlin, 11. Nov. Eine Circular-Verfügung an sämmtliche kö-
nigl. Obcrpräsidcnten theilt denselben die Allerhöchste Cabinetsordre vom
16. Juni mit, wonach bei Anfertigung der Ersatzlisten der Landwehr
die strengste Ü berwachung von Seilen der höbcrn Offiziere stattzufinden
hat. Es heißt in der betreffenden königlichen Kabinctsordre: „Es ist
solches eine heilige Pflicht aller Offiziere, unter deren Befehlen Theile
der Landwehr stehen; denn nur durch die für alle Stände
gleiche gerechte Durchführung der Gesetze über die allge-
meine Verpflichtung zum Kriegsdienst wird nicht allein
die Kriegstüchtigkeit der bewaffneten Macht, sondern
auch die sittliche Würde der Nation in ihrer vollen Rein-
heit erhalten." Eine Verfügung vom 12. v. M. bestimmt, daß
Individuen, welche zu den Mennoniten übergehen, nicht frei von der
Militärpflichtigkeit zu erachten sind.
— Fast täglich erscheinen hier Karrikaturen, die unsere Zeitverhält-
nisse berühren unv durch ihre geistreiche und witzige Darstellung oft
mehr bewirken, als die besten, tiesdurchdachtcsteu und weitläufigen Aus-
sätze. So ist die Karrikatur: „der letzte Tensor" mit Humor und Geist
erfunden, und soll sogar höhern Orts gefallen. Wie man vernimmt,
wüd auch dieser Tage über die versammelt gewesenen Ausschüsse und
über die hier gefeierte Fanny Eisler eine Karrikatur herauekommeu.
Wien, 11. Nov. Der Bau unserer beiden Staatscisenbahnen von
Nord nach Süd geht, trotz der vorgerückten Jahreszeit, noch immer
rüstig vorwärts. Gegen Prag hin sind die Erdarbeiten iu einer Länge
von 6 Meilen beinahe vollendet und noch immer beinahe 8000 Arbeiter
in Beschäftigung.
Paris, 14. Nov. Man vernimmt, das Personale der Angestell-
ten in der Präfeclur des Seincd.partements solle eine vollständig neue
Organisation erhalten. Der Scandal des Prozesses Hourdcquin
macht so tiefe Sensation, daß die öffentliche Meinung eine derartige
Maßregel gebieterisch erheischt. Nach einem unverbürgten Gerücht wäre
Emil Girardi ii, Redacteur der Presse, bestimmt den Gencralsec-
retär Jussieu zu ersitzen.
— Der „Messager" meldet: „Man schreibt aus Alexandrien vom
24. Ociober: Die Syrer von Bechare, in der Nähe von Tripoli haben
sich am 12. October empört; 400 Tücken, welche in das Gebirg ein-
drangen, wurden von ihnen geschlagen. Empörungssymptome sind ans
verschiedenen Punkten ausgebrochen. Die Carawane von Damascus
nach Beirut, die von den Albanesern escortirt war, wurde von den
Drusen am 17., angchalten und geplündert. In Aegypten herrscht die
vollkommenste Ruh. ; der Vicekö-iig befindet sich zu Cairo."
— Seit einigen Tagen ist mau, wie es heißt, mit der Entwee«
sung eines neuen strategischen Planes für den Dienst-des Tuilcricm
schlosseö beschäftigt. Es umfaßt dieser Plan auch die Stellungen, wel-
che die Regimenter der 1. Mckitärdivision auf den Straßen und Plä-
tzen von Paris im Falle von Unruhen zu nehmen haben. Die Regi-
menter welchen die Verlheidigung der Tuilcrien, des Stadthauses, der
Polizeipräfectur und der Ministerien zugewiesen ist, sollen ein jedes
durch mehrere Kanonen unterstützt werden.
Lyon, 11. Nov. Unser Fabrikstand hat große Kämpfe, um sich
nur einigermaßen aufrecht zu erhalten. Tausende von Webstühle stehen
le.r, da ihnen Beschäftigung mangelt, und so wandern Schaaren von
Arbeitern umher, Hunger und Mangel erduldend.
London, 12. Nov. Bei einem Sturme, der im letzten August
am Cap der guten Hoffnung gewülhet, sind vierzehn Schiffe zu Grunde
gegangen, worunter der „Waterloo", welcher Vcrurthcilte an Bord
halte, und mit dem 187 Personen untergingcn.
 
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