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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 169
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No. 169. Mitwoch den 20. Juli. 1842.


LanVtagsverhanVlungcn.
Carlsruhe, 16. Juli. 2l. öffentliche Sitzung der 2. Kammer. (Frtsetzg.)
v. 3tzstein spricht weiter: Ich glaube übrigens, daß Derjenige, der diese
Petition abfaßte, vielleicht seiner Natur und seiner Persönlichkeit nach gewohnt ist,
in solcher Form zu sprechen, und darum lege ich keinen besondern Werth auf seine
Borwürfe. Die öffentliche Meinung wird benrtheilen, ob ich der Mann bin, für
den mich dieser Herr oder diese Herren hinstellen wollen. Die Unterschriebenen selbst
halte ich für unschuldige Männer; denn ich kenne sie genau. Daß sie aber unter-
schriehen haben und bezeugen wollen, daß ich, der so lange Jahre in ihrem Bezirke
war ünd für sie nach Kräften gewirkt und gewaltet habe, das Ungeheuer sei, für
welches sie mich nun hinstellcn, kan» ich nur damit entschuldigen, daß ich sage:
Herr, verzeihe ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thaten und sie wissen auch heute
noch nicht, was sic gcthan haben. Ich für meine Person kann es wohl geschehen
lassen, wenn die Kammer entweder zur Tagesordnung geht oder aber dem Antrag
°cs Abg. Mordes bcitritt, den ich ebenfalls unterstütze'und zwar nicht wegen der
Angriffe gegen mich, indem ich bereits erklärt habe, daß ich diese übergehen könne,
sondern wegen der Angriffe auf die Kammer, wegen der fast eben so starken Vor-
würfe, die man ihr zu nmchcn sich erlaubt, der Vorwürfe nämlich, daß sie durch
ihr Benehmen in der Urlaubssache das Band, welches bisher zwischen Fürst und
Volk geschlungen gewesen, zerrissen und gestört hätte. Wollen Sie dieses auf sich
nehmen und glauben Sie, daß Diejenigen, welche diese Vorstellung machten oder
sic unschnldigerweise unterschrieben haben, ein solches Urtheil über diese Kammer
fällen können, wohlan!
Sander stellt nunmehr nach diesen Erläuterungen den Antrag auf motivirte
Tagesordnung, weit Beschuldigungen der Art gegen ein einzelnes Mitglied in der
Eingabe enthalten sind. Er schlägt demnach vor, daß die Kammer über diese Peti-
tion wegen unwürdigen Ausdrücken gegen ein einzelnes Mitglied zur TageSord-
nung übergehe; ;die Petenten haben durch ihr Benehmen das Recht verloren, daß
die Engabe Gegenstand der Bcrathung werde. _
Rettig vertheidigt die Wahlmännee gegen die Behauptung des Abg. v. Jtz-
stein. daß sic nicht wissen, was sie thun. Dies zu sagen, sei bedenklich, da man
dasselbe auch bei den Wahlen behaupten könne. Er vertheidigt nicht alle Ausdrücke
der Petition, hält sie aber doch nicht für so verletzend; die Unterzeichner hätten ibm
selbst gesagt, daß sie nicht aus Haß, sondern um des Friedens willen den Abg. v.
Jtzstcin nicht mehr gewählt hätten.
v. Jtzstcin glaubt, daß die Wahlmänner allerdings wissen, waS sie thnn,
wenn sie wählen; die Schwetzingcr wußten auch, was sie thaten, als sic den Abg.
Rettig wählten. Dies sei aber nicht der Fall bei einer umfassenden, hochgehcnden
Petition über Gegenstände, die der Landmann nicht faßt.
Welcker erklärt sich nur aus dem Grund gegen die Petition, weil sie einen
Einzelnen unwürdig angreife. Es wäre unschicklich für die Kammer, einzelne Mit-
glieder hier schmähen zu lassen. Er schließt sich dem Antrag des Abgeordneten
Sander bei.
Mordes halt mit dem Abg. Rettig dafür, daß die Wahlmänner im Allge-
meinen wissen, was sie thun; es gebe aber Fälle, wo man dieses Wissen nicht un-
bedingt voraussetzen dürfe. Nach den Motiven, die der Abg. v. Jtzstein selbst an-
gegeben, indem derselbe nämlich auf die Angriffe gegen ihn keinen Werth lege —
wünscht er, daß die Motivirung der Tagesordnug mehr auf das gerichtet werde,
was Unwürdiges gegen die Kammer selbst gesagt ist.
Sander meint dagegen, die Kammer als solche soll zu hoch stehen, um sich
mn solche Angriffe gegen sic zu kümmern; man sollte daher wegen der unwürdigen
Ausdrücke gegen den Einzelnen zur Tagesordnung gehen.
Die Kammer verwirft den Antrag des Abg. Mordes und nimmt mit 29 gegen
22 Stimmen den Antrag des Abg. Sander an.
Zittel berichtet weiter über zwei Eingaben von Wablmänncrn aus Neckarge,
münd, Wicsloch u. s. w. gegen die Behauptung des Hrn. RegierungskommissärS
Elchrodt, daß die Versammlung in Bammenthal nicht von den Beamten ungeord-
net worden sei. Sie legen Originalschreiben des Beamten und Kostenzettel vor,
wodurch Wahlmänner von jenem eingeladen worden und Taggebühren dafür ver-
sprochen und bezahlt, auch de» Genieindckaffen in Ausgabe dekretirt worden sind.
Sie erzählen genau die Vorgänge, wie sie früher bei den Wahlverhaudlungen schon
vorgekommen sind. Der Antrag geht wieder zur Ueberweisung au die Kommission
Zur Bcrathung der v. Jtzsieinischen Motion.
Bissing wünscht, daß die hohe Negierung von den beiden Eingaben Kennt«
vtp nehme, um eine Untersuchung anzuordncn.
Frhr. v. Rüdt bemerkt, baß die Eingaben nichts wesentlich Neues enthalten.
Der Umstand sei hergestcllt, daß durch Privatschreiben eines Beamten Wahlmänner
eingeladen wurden. Dies sei kein Mißbrauch der Amtsgewalt. Die Verhandlung
selbst betreffend, gehe weiter nichts daraus hervor, als daß die Wahlmänner sich
unter einander berathcn und über einen Abg. vereinigt haben, in einer Erklärung,
vie einem Wahlmann selbst verfaßt sei. Wenn später ein Beamter zu der
A^wwmlung gekommen sei und davon gesprochhn habe, diesem oder jenem bcizu-
ko liege darin nichts Unerlaubtes. Die Sache sei unwesentlich, und
vurch o,e Erklärung des Regierungs-Direktors im Wahlprotokoll erledigt.
lieht "MN argen Mißbrauch der Gemcindskasse tu diesem Vorgang.
Es muffe dort von den Acmiern und Revidenten als ausgemacht angenommen sein,

bei solchen Versammlungen Diäten auf die Gemcindekaffe anzusetzen. Wenn dieS
allgemeiner Grundsatz für alle wäre, so würben die Gemeinbekasscn in ungeheure
Kosten geratheu. Dies dürfe man nicht aufkommen lassen; eben so wenig, daß
man einen Unterschied mache für Versammlungen, die von den Beamten ansgchen,
und jene ausschließe, die von Volkssrcunben berufen werden. Diesem Unwesen
muffe man entgenen treten und er trägt daher darauf an, die Petition, in Bczie-
hung auf die Dekretur der Kosten von Vorvcrsammlungen auf die Gemeinbekasscn,
dem Staatsministerium zu überweisen, um solche Bezahlungen für die Zukunft zu
verhüten. Dies sei um so nothwendiger, da der Abg. Fauth früher erklärt habe,
es sei allgemeiner Gebrauch im Unterrheinkreis. Er wolle nicht untersuchen, in wie
fern dieser Gebrauch die Erscheinungen bei den dortigen Wahlen überhaupt erkläre,
besteht aber auf seinem Antrag (vielseitige Unterstützung.)
Staatsrath Frhr. v. Rüdt bemerkt, daß die Dckrcturen unter höherer Kontrole
stehen, wo die Rcchtmäßigkeit der Ausgaben geprüft werde.
Welcker sieht in der Sache einer doppelten Amtsmißbrauch. Einmal darin,
daß die Beamten mit ihrer Autorität die Versammlung veranlaßt haben; sodann
darin, daß Diäten dafür bezahlt wurden. ErstereS werbe bei der v. Jtzsieinischen
Motion zur Sprache kommen; in Beziehung auf den zweiten Punkt unterstützt er
den Anträg des Abg. Sander.
Junghanns kennt keine Praxis, wonach solche Kosten aus den Gemeindekas-
sen bestritten werden; die Dekreturen müßten nach den Ansichten einzelner Reviden-
ten erfolgt sein und würden bei der Supcrreviston gerügt werden. Er stimmt im
übrigen für den Antrag der Petitionskommission.
Mördes unterstützt den Antrag des Abg. Sander, besonders da nach der Er-
klärung des Hrn. RegierungskommissärS das Verfahren seine Mißbilligung nicht
gefunden zu haben scheine. Er habe vernommen, daß die Reisekosten der Beamten
unter dem unschuldigen Titel der Straßen- und Bezirksbereisung zu entdecken sein
werde. Bei den Rechnungsnachweisungen werbe sich vergleichen lassen, wie diese
Kosten sich in der betreffenden Periode gegen den gewöhnlichen Betrag gestalten.
v. Jtzstcin bemerkt, daß er mit Wahrheit gesagt habe, die Versammlung in
Bammenthal sei von den Beamten geboten worden, während man sie von Seiten
der Regicrungskommission als eine Zufälligkeit habe hinstellcn wollen. Die Dekre-
tur auf die Genieindckaffen hält er für einen Unfug, so wie den Umstand, daß diese
Dekrekurcn unmittelbar durch die Beamten geschehen, was nach der Gcmeindcord-
nung nicht erlaubt sei._(Schlug folgt.)
Tagsbericht.
Karlsruhe. Die neu errichtete und bisher noch nicht besetzte 2. Haupt-
lehrerstelle an der kaih. Volksschule zu Oppenau, Amts Oberkirch, ist dein
Hauptlehrer Valentin Immer zu Muggensturm, Oberamts Rastadt, über-
tragen, und dadurch ist der kath. Schul-, Meßner- und Organistendienst zu
Muggensturm, Oberamts- Rastadt, mit dem gesetzlich regulirten Dicnst-
einkommcn von 230 fl. jährlich, nebst freier Wohnung und dem Antheil
am Schulgeld, welches bei einer Zahl von durchschnittlich 230 Schulkin-
dern auf 50 kr. jährlich für jedes Kind festgesetzt ist, erledigt worben.
Die Competenten um diesen lctztgenaunten Schuldienst haben sich durch
ihre Bezirksschulvisitaturen bei der Bezirksschulvistlatur Rastadt zu Stoll-
Hofen innerbalb 6 Wochen zu melden.
j-* Mainz, 16. Juli. Das Main-Dampfboot „Ludwig" liegt
bereits in dem hiesigen Hafen vor Anker und soll nun, wie das an-
dere, „der Verein" zur regelmäßigen Fahrt auf der Strvmstrecke
zwischen Bingen und Mannheim so lange verwendet werden, als der
dermalige niedrige Wafferstand des Mains die Fortsetzung der Dampf-
schiffahrt auf diesem Flusse nicht gestatten wird. Man betrachtet diese
nautische Unternehmung, gleich der auf der Mosel, als eine verfehlte
und glaubt ihr ein unerfreuliches Ende prophezeien zu dürfen. Es heißt,
daß die dienfälligen Aktien zu 70 zu haben seien, von Niemand aber
begehrt würden. — Keine Nachricht kam hier unerwarteter als die von
dem tragischen Ende des Herzogs von Orleans, welche gestern Abend
hier eintraf und große Sensation erregte. Drei Couriere eilten an
demselben Nachmittage hier durch, angeblich mit Ueberbringung der
überraschenden Trauerkunde an entfernte Höfe beauftragt. — Gestern
war die musikalische Abendunterhaltung auf der neuen Anlage außer-
ordentlich zahlreich besucht: die Notabilitälen unserer Stadt, wie auch
von Wiesbaden, meist Kurgäste, wohnten derselben bei. Das musika-
lische Divertissement dieses Abends, welches wir der trefflichen östrei-
chischen Mititärmusik verdankten, war wirklich ausgezeichnet zu nennen
und die Unterhaltung der zahlreichen geselligen Kreise, welche unter
Zelten oder unter dem Schatten von Bäumen Platz genommen hatten.
 
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