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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 234
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0951

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Mannheimer MoWnIllatt.
^o. 234. Dienstag den 4. October. 1842.

Tagsbericht.
Mannheim, 3. Oktober. Die Oberdeutsche Zeitung brachte
dieser Tage einen Artikel über die im Plane liegende Bevölkerung von
Neu-Seeland; indem wir nun, uns der in jenem Aufsatz enthaltenen
gerechten und höchst nothwendigen Warnung anschließen, bemerken wir
noch, laß von den Hamburger Geschäftsfreunden der Neuseelands-
Compagnie, bereits auch in unserer Vaterstadt schriftliche Versuche ge-
macht wurden, einen höchst achtbaren Bürger zum Agenten anzuwer-
ben. Noch ist aber, Gott sei's gedankt, nicht alle Humanität und
Menschlichkeit dem Gelderwerbe zum Opfer geworden; denn der recht-
lichdeukende Mann sandte, trotz den lockenden Versprechungen, die Auf-
forderung mit der Aeußerung zurück: er wolle kein Menschenverkäufer
werden urdverachte von Grund der Seele, derartige Speculationen, die
durch Verlockungen den harmlosen, wenigdenkenden Menschen einem
gewissen Untergange entgegenführcn.
Heil dem braven Manne, für diese Handlung achter Menschlichkeit!
würden alle Deutsche ihm nachstreben, dann könnte man manchem
Staate eine M'Nge fleißiger Bürger erhalten, und wenige Unglückliche
würden durch Mangel und Entbebrungen jeder Art, mit dem nagen-
de» Wurme der Neue und dem Schmerze getäuschter Hoffnung im Her-
ze», als Sclnven eines herzlosen Krämervvlkcs, entfernt vom Vater-
lande, ihr Leben dahinschleppen.
Wir aber fragen jene Freunde der Compagnie in Hamburg, was
haben die deutschen Bürger in den Städten und auf dem Lande ge«
than, daß Ihr die Hände bietet, sie zum Sclavendienste zu verlocken? —
ist es doch erst eine kurze Zeit, daß auch von dem kleinsten Dorfe Spen-
den zusammenfloffen um Euch in dem betroffenen Unglücke unterstü-
tzen?— Soll es vielleicht ein Actus der Dankbarkeit sein, daß Ihr
sie mit der lockenden Vorspiegelung von zu erwerbenden Reichthümcr
und Glück über den Occan dem Elende in die Arme spielen wollt? —
Wie lange noch wird der Deutsche nur dann zur Hülfe bereit sein,
wenn das Schicksal schon verhchrend ausbrach?!—statt jene Schlange,
bei der Geburt schon zu zertreten, die mit einer glänzenden Außenseite
das innere Gift verbirgt und systematisch zu Werke gehend eines glän-
zenderen Erfolges, auf Kosten ganzer Familien gewiß ist. Noch sen-
det Holland seine Werber aus, fraget Einen von Hunderten, die mit
ihm nach Java kamen ist er vielleicht der Einzige, dessen Gebeine nicht
in den Savannen bleichen, und der, obwohl entnervt, nach Europa
zurückkehrt, ob eine der vielen Versprechungen gehalten wurden? —
Wahrlich es wäre an der Zckt einen Verein gegen Auswanderun-
gen ins Leben zu rufen, er würde sich gewiß in dem Bewußtsein ei-
nen herrlichen Lohn bereiten.
Frankfurt a. M., 1. Oct. Im Monat September wurden
ans der Taunus-Eisendahn 103,008 Personen besöitnrt. Die Geld
Einnahme belief sich in diesem Monat auf 68,304 si. 44 kr.
Berlin, 28. Sept. Vorgestern Abend erblickte man im Lustgarten
sechs Frauen in ländlicher Tracht, umgeben von einer lustigen und zahl-
reichen Schaar unserer Bewohner, in der Absicht, nach dem königlichen
Schlosse zu ziehen, um daselbst den König zu bekehren, während
sie in voller Demuth wiederholentlich die laute Aeußerung machten, daß
der heilige Geist sie dazu beauftragt hätte. Unsere Polizeibehörde schritt
bald darauf ein, und brachien diese unglücklichen Frauen, welche in
Pommern ihre Männer und Kinder deßhalb verlassen hatten, einstwei-
len in Verwahrung. Das pietistische Sectenwesen soll diese Frauen
dazu verleitet haben.
— Ein Theil unserer neuen Censurmaßregeln dürfte schon unmit-
telbar nach der Rückkehr des Königs, welche in den ersten Wochen
des October erwartet wird, ins Leben treten, und zwar die Bestim-
mung hinsichtlich der über 20 Bogen betragenden Druckschriften, welche
von fetzt an in Preußen censurfrei und aller Beschränkung entzogen
werden sollen. Man erzählt sich hier, ein dem König vorgelegter Ent-

wurf zu einem Preßgesetze sei von demselben mit dem Bemerken vcr-
werfen: es sei bei ihm wohlerwogener und fester Wille, seinem Volke
ein Gesetz über die Presse zu geben, das grade und aufrichtig auf dem
Grund der Preßfreiheit erbaut sei. Wir sind um so geneigter, dieser
Erzählung Glauben beizumessen, da uns bekanni ist, wie der König
eine freie Bewegung der Presse nicht blos für unschädlich, sondern für
eine wesentliche Bedingung der wahren Monarchien mehr als einmal
erklärt hat.
— Man giebt sich allgemein der Hoffnung hin, daß die im näch-
sten Monat zusammenkommcndcn Provinzialausschüsse für die Errich-
tung der Eisenbahnen auf Staatskosten stimmen, und deßhalb ihr Vo-
tum auch zur Negocirung (Emission) neuer Kassenanweisun-
gen von vorläufigem Betrage von 20 Millionen Thaler
geben werden. Dadurch würde der Staat Zinsen zu zahlen ersparen,
und auch nicht mehr nöthig haben, bei Errichtung von Eisenbahnen auf
Acticn den dabei Betheiligten die Zinsen zu garantiren, ohne welches
jetzt noch schwerlich Eisenbahnen von weiten Strecken durch Pcivatun-
ternehmungen zu Stande kommen möchten.
Paris, 29. Sept. Heute, als an dem Tage, an welchem der
Herzog von Bordeaux in sein 23. Jahr tritt, fand einige Reunionen
im Faubourg St. Germain statt.
— Die englische Post ist heute nicht angekommen; beim Abgang
der Malle von Calais war das Meer sehr stürmisch und das Packet-
boot von Dover nicht zu sehen.
— Der König wird übermorgen vom Schlosse Eu zurückkommen
und daß Schloß zu St. Cloud beziehen.
Vom 30. Sept. Deutz, der bieHerzogin von Berry verrathen, hat die halbe
Million, die er dafür erhalten, durchbracht, und war in letzter Zeit
in so tiefes Elend versacken, daß die franz. Regierung, seiner unab-
lässigen Bitte überdrüssig, ihn nach Nochefort hat bringen lassen, wo
er auf Staatskosten nach Amerika eingeschifft werden soll.
— In der Meerenge zwischen Dover und Calais hat 24 Stunden
über ein sehr heftiger Sturm geras't. Das schwedische Schiff Del-
phine, von Hüll nach Fernambuk bestimmt, ist an der Küste bei Ca-
lais verunglückt; der Capitain und ein Schiffsjunge fanden ihren Tod
in den empörenden Wellen; der Nest der Mannschaft hat sich gerettet.
Hr. von Sainte-Aulaire ist dem letzten Packetboot von Calais nach Do-
ver abgegangen; man war nicht ohne Besorgniß, ob er glücklich hinü-
ber gekommen.
— Briefe aus Havre melden den Untergang mehrerer Schiffe in
Folge des heftigen Sturmes, der in den letzten Tagen stattgefunden.
Nach Mittheilungen aus Calais ist man dort nicht ohne Besorgniß über
das Schicksal des Damyfpaketbootes „Courier", aus welchem sich Herr
von Sänte-Aulaire, Bvlschaftcr Frankreichs in London, eingeschifft hatte.
London, 28. Sept. Vorgestern Abend gegen 10 Uhr brach das
Feuer auf der fürchterlichen Brandstätte in Liverpool mit neuer Heftig,
keit aus. Die Marinemagazine auf der Crongkon-Street wurden zum
Theil zerstört. Bald jedoch gelang es der angestrengten Thärigkeit der
Spritzenleute, des Feuers wieder Meister zu werden, und gestern hatte
man alle Gewißheit, daß man von dem allerdings noch nicht ganz ge-
löschten Brande nichts mehr zu befürchten habe. Der Schaden ist jetzt
auf etwa 700,000 Pfv. Sterl. geschätzt.
— Die London-Gazette zeigt an, daß in Kraft eines von dem Pri-
vatconseil gefaßten Beschlusses das Parlament vom 6. October bis
zum nächsten 10. November prorogirt ist.
— Nach dem „Standard" sollen drei Linienschiffe ausgerüstet und
nach China geschickt werden.
Haag, 24. Sept. Heute sind der Erbgroßherzog von Sachsen-
Weimar-Eisenach Karl Alexander August Johann und die Prinzessin
Marie Sophie Louise der Niederlande als Verlobte in die hiesigen
Civilstandsregister eingetragen worden.
 
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