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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 197
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0801

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No 197. Sonntag den 2 z. August. 1842.


LanötagsverhanSlungen-
Carlsrubc, tl». August. 39. öffentliche Sitzung der 2. Kammer. (Forts.)
Diskussion der zwei Berichte deck Abg. Welcher über die provisorischen Gesetze.
Hecker beginnt mit einigen allgemeinen Betrachtungen über die Natur der
Verordnungen und Gesetze, so wie über die hierauf bezüglichen Rechte der Negie-
rung und der Kammern, und findet unter den reklamirtcn Gesetzen mehrere, wobei
die Regierung die Grenzen ihrer Bcfugniß überschritten habe. Endlich bedauert er,
daß von den im Jahre 1840 reklamirtcn Gesetzen keines vorzelegt worden sei. ES
aebe keine wichtigere Ausgabe einer wachsamen Volkskammer, als das verfaffungS-
incifiige Recht ihrer Mitwirkung bei der Gesetzgebung ungeschmälert zu erhalten.
Welcher glaubt, daß die ganze Kammer die Ansichten des Redners über die
Wichtigkeit dieses Gegenstandes tdeilen werde.
Böhme. Es war ein Erfolg der Reklamationen von 1810 nicht zu erwarten,
da die Kammer den Weg nicht eingehalten hat, den die Verfassung vorschreibt,
nämlich den Weg der Beschwerdcführung.
Weller entgegnet, daß der angcdeutete Weg das Recht der zweiten Kammer
in Bezug auf solche Reklamationen zernichten und der Regierung das Mittel rn die
Hand geben würde, mit der erste» Kammer allein Alles durchzusetzen, was sie wolle,
indem sie das bestehende Recht, welches von der Verfassung nur mit -Zustimmung
der drei Faktoren der Gesetzgebung geändert werden darf, durch Verordnungen än-
dere, mit der G.cwißheit, daß eine Beschwerde der zweiten Kammer von der ersten
Kammer verworfen werde würde.
Schaaff. Wenn die Verfassung das wirklich sagte, was der Hr. Abg. sie sa-
gen läßt, dann wäre das Recht der Kammer sehr ausgedehnt, es wüßte dann Nie-
mand. wer eigentlich die Gesetze zu geben bat. Alle Verordnungen, die im Re.
gierungsblatt erscheinen, seien aber bindend sür die Staatsangedörir.cn. Nach
der Verfassung bleibt zur Reklamation von Verordnungen, weiche gesetzliche Delttm-
mungcn enthalten, kein anderer Weg, als die Vorstellung, Beschwerde »nd Anklage
in Verbindung mit der ersten Kammer. — Das bestehende Recht soll allerdings
bleiben, bis es auf verfassungsmäßige Weise abgeändert wird; aber wenn eine Kam-
mer darüber zu entscheiden hätte, wo die Regierung in dieser Hinsicht zu weit ge-
gangen sei, so stünde sie über der ander» und über den, Staatsoberbaupt.
^ Hecker entgegnet unter Andern!, daß Verordnungen, welche von der Kammer
rekln,nirt, aber von der Regierung nicht vorgelegt worden sind, von den Gerichten
nicht als gültige Vorschriften erkannt und auch von den Staatsbürgern nichts als
solche angesehen werden können.
Geh. Res. Eichrodt verwahrt sich gegen die Behauptung, daß es dem Rich->
ter oder dem Staatsbürger zustehe, eine Verordnung nicht für gültig zu erhalten,
wenn sic die stänvische Zustimmung nicht erhalten habe. Er gibt zwar zu, daß Ge-
setze nur mit Zustimmung der drei Faktoren der Gesetzgebung erlassen werden dür-
fen. Allein die Regierung hat das Recht, Verordnungen zu macht», und eine
Kammer allein hat nicht das Recht ihr die Behauptung entgegenzusetzen, daß sie
ihren Wirkungskreis überschrittenen habe. Es gibt vafür nur den Weg der Be-
schwerde, gemeinschaftlich mit der andern Kammer. Der Hr. Redner beruft sich
auf §. 67 der Verfassung, worin es heißt: »Verordnungen, worin Bestimmungen
einzestoffen, wodurch sic (die Kammern) ihr Zustimmungsrecht kür gekränkt erach-
ten, sollen auf ihre erhobene gegründete Beschwerde sogleich außer Wirksamkeit ge-
setzt werden.» — Hier sei von gegründeten Beschwerden die Rede; der Maßstab
der Begründung liege aber darin, daß beide Kammern gleicher Ansicht sind. Die
Negierung kann und wird nur auf solche Reklamationen Rücksicht nehmen, welche
von beiden Kammern an Se. Königliche Hoheit den Großherzog gebracht werden.
Hiermit wird die allgemeine Diskussion geschlossen und zu den einzelnen Ver-
ordnungen übcrgegangeu, welche die Kommission zur Vorlage an die Kammer
begehrt.
Im ersten Bericht werden rcklamirt: 1) Die Verordnung, den Besuch der Ge-
werbschulcn betr., voin 7. November 1840, verkündet im Regierungsblatt Nr. 37.
Verordnung enthält namentlich h. 5 und 6 Zwaugsbestimmungen über den
Betuch der Gewerbsschulen uns über die Aufnahme der Gesellen, über ihre Auf-
nahmsraytgkeit und über die Rechte der Meister, Griellcn anzunehmen, und zugleich
nicht unbedeutende Strafandrohungen, insbesondere auf Bestimmungen, welche thetl-
weise das Recht über die Wanderschaft der Zunftgenoffen vom 19. Februar 1808
verändern.
Geh. Res. Eichrodt führt aus, daß die Verordnung über die Volksschulen
von der Kammer Nicht rcklamirt worden sei; wäre dies aber auch geschehen, so
würde doch eine Akklamation der Verordnung über die Gcwcrbschulen aller Begrün-
dang entbehren, da dieselbe lediglich eine Vollzugsverordnung gesetzlicher Bestim-
mungen sei, welche jchon in den Organisationsediktcn bestehen.
Böhme und Wetzet, als Mitglieder der Minorität in der Kommission,
schließen sich der Ansicht an, daß durch diese Verordnung das ständische Zustimmung,;,
recht nicht dleinirachtigt sei, indem cs sich hier von einer blosen Polizeiverordnung
handle. Böhine bezieht sich hiebei auf die von dem Abg. Sander früher schon

ausgesprochene Ansicht, daß Schulvcrordnungcn nicht vor das Forum der Kammer
gehören, was der Abg. Platz bestätigt.
Welcker entgegnet, daß die Bestimmungen des OrganisationScdikts nicht auf
die Gewerbschnlen paffen, welche erst später errichtet worden sind. Es geht nicht
an, daß die Zustände vor der Verfassung, wo das Recht der Gesetzgebung aus-
schließlich in den Händen der Regierung lag, als Norm für die s-tzige Zeit ange-
führt werden, wo wir eine Verfassung haben, welche den Ständen das Recht der
Mitwirkung einräumt. Die Verordnung enthalte Bestimmungen, welche nur ans
dem Wege der Gesetzgebung erlassen werden können; der Antrag der Kommission
sei daher hinlänglich begründet. ,
»ander bemerkt, daß er über die Frage, in wie wert Verordnungen über den
Unterricht zur Vorlage an die Kammer zu verlangen seien, allerdings mit manchcn
Ansichten seiner Freunde im Widerspruch stehe. Er erkenne der Kammer nicht das
Recht zu, zu bestimmen, in welchen Gegenständen ein badischer Staatsbürger z»
unterrichten sei. Allein er erkenne es auch der Negierung nicht zu. Es gibt na-
türliche Rechte des Menschen, in welche der Staat nicht eingrcifen darf. Dahin
gehört das Recht eines Jeden, sich unterrichten zu lciffen in was und wo er will.
Dagegen hat der Redner nichts gegen die Reklamation einer Verordnung, welche
Zwangsbestimmungen enthält. Besteht darüber einer Gesetz, worüber er im AN«
genblick keine Gewißheit hat, dann ist er der Meinung, daß man nicht die Boli-
zugsverordnung reklamircn sollte, sondern daß das Gesetz aufgehoben gehört. Er
verläßt sich übrigens auf die Ausführung des Berichts und tritt dem Antrag bei.
Der Antrag der Kommission: obige Verfügung, so ferne es die hohe Regie-
rung nicht vorziehen sollte, dieselbe alsbald außer Wirksamkeit zu setzen, zur stän-
dischen Zustimmung zu reklamiren — wirb mit 27 gegen 2ti Stimmen angenommen.
(Schluß folgt.)

Carlsruhe, 18. August. 40. öffentliche Sitzung der 2. Kammer. Präsident:
Bekk. — Regiernngskominiffion: Geh. Nef. Eichrodt.
Petitionen wurden übergeben: vom Abg. Zittel, eine Petition der Weinwir-
the aus dem Amtsbezirke Ettcnheim, Aufhebung des Ohmgeldes von dem in die
eigne Haushaltung Notlügen Weine betreffend. Vom Abg. Bvgelinann «) eine
Petition der Gemeinden des Amtsbezirks Werthcim, Ablösung der Schafweideberech-
tigungcn betr.; t>) eine Petition derselben Gemeinden, Ablösung alter Abgaben be-
treffend. Vom Abg. Schaaff eine Petition deS Handelstanbes in Eberbach, Ab-
schaltung des Hansirhandels betreffend.
Die Tagesordnung führt zur Erstattung von Petitioiisberichteii. Leib lein
berichtet: 1) lieber die Bitte des H. Reinboid in Baden, Selbsthilfe bei Entwen-
dungen betreffend. Tagesordnung. 2) Zur Bitte der Gemeinde Nicdöschingcn,
um Vorlage eines Gesetzes, die Allodifikation von Erblchen betreffend. Die Kom-
mission wurde den Antrag stellen, die Petition als Motion zu behandeln und in
die Abteilungen zu verweisen; allein da der Schluß des Landtags bevmsteht, so
beschränkt sic sieh miss Wiederholung des Antrags von 1840, die Petition mit drin-
gender Empfehlung den. Großherzogliche» Staatsministcrinm zu überweisen.
Welte ich unterstütze den Antrag der Kommission indem ich aus eigener Er-
fahrung die drückenden Verhältnisse des Lehcnwesens kenne. Das drückende dieses
Lehcnwcsens besteht nicht nur allein darin, daß die Besitzer der Lehengütcr wegen
der in neuerer Zeit tbeils in Folge der Verschuldungen,' thcils in Folge der bet
tewciligen Erbtheilungen häufiger vorkommcndcn Stücktheilungen sich vermehrenden
Besitzveräiiderungen innerhalb eines Zeitraumes von 80 Jahren so viel an Ebisschatz
bezahlen muffen, als der Werth der Guter beträgt; sondern es besteht das Drückende
der Lehenvcrhältniffe auch darin, daß die Besitzer von Lehengütcr», wenn sie solche
veräußern wollen, jedesmal die Einwilligung des Lehenhcrrn »achsnchen müssen, de-
ren Ertheilung dann oft dazu benutzt wird, um dem Lehenbesitzer eine nicht schul-
dige Abgabe oder Gebühr abzunöthigen. Es wird nämlich die Consensertheilung
an die Bedingung geknüpft, daß der Lehenbesitzer ein großes Consensgeld an den
Lepenhcrrn bezahle, und dieses muß dann der Lehenbesitzer, wen» cs auch noch so
ist, bezahlen, oder deshalb Jahre lang Prozesse führen. Ich wünsche daher, daß
die Regierung diesem Uebclstande durch baldige Vorlage eines Gesetzentwurfs ab-
zuhelfen suche.
Gerb el. ES unterliegt keinem Zweifel, daß das Erblehenverhältinß sehr drü-
ckend und ein Gesetz zur Abhülfe sehr wünschcnöwerth ist. Das Lehenverhältmß
hindert nicht nur am Verkauf, sondern auch an Kapitalausnabmen. Die Ablösung
aber wird sebr erschwert. Mit Vergnügen würde es ausgenommen werden, wenn
die Negierung von ihrer Initiative Gebrauch machen würde, um die Ablösung zu
erleichtern.
Geh. Nef. Eichrodt macht auf die Schwierigkeiten solcher Ablösungsgefetze
aufmerksam, wcßhalb es der Regierung erwünscht sein werde, wenn aus dem näch-
sten Landtage, da der gegenwärtige seinein Enoe nahe, ein Mitglied eine Motiv»
begründe, damit die Regierung die Ansichten beider Kammern über diesen Gegen-
stand vernehme.
Gerbet bemerkt, daß cs sich nur um Eröffnung der Ablösung handle, wozu

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