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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 163
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0659

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^o.^63. MiLrvoch den 13. Juli. 1842..^-'-


Landtagsvcrhandlungen.
Earlsrnhe, 8. Juli. >9. öffentliche Sitzung der?. Kammer. Fortse-
tzung rer
Motion des Nbg. Nottig auf Einfülirnng einer Gewerbeordnung.
Oie Erfahrung Hut gelebrt, daß unsere Haustrgesetze trotz aller Zusätze und
ungeachtet wiederholter Einschärfnng ihrer Handhabung, nicht vermögen, den gro-
ßen Httlsirunsng abzmvehrcn, der das Land belästigt, den ruhig sitzenden Kauf» an»
beschädigt und außer Stand setzt, eine» vollständigen Waarenvorrath zu halten, ein
schlimmes Ercmpel von Fanllenzcn und Wirthshanssitzen gibt, viele uunötbigen
Ausgaben rnirch Zudringlichkeiten veranlaßt, den, Bettel, Betrug und der Gefähr-
dung der öffentlichen Sicherheit einen Borwand leihet. Der Hausirhandcl ist der
Zeit verfallen, es gab eine Zeit, da er wohlthatig, beinahe nolhwendig war, aber
diese Zeit ist nicht mehr. Dermalen, wo überall hin fahrbare Wege führen, auch
Nach den abgclcgentstcn Landtheilcn institntmäßige Botcmnhrwerie gehen, wo bei-
nahe in jedem Dorf mehrere Kramer sitzen, können die Hausirer gänzlich entbehrt
werden.
Daß cs trotz aller beschränkten Verordnung noch so viele Hausirer gibt, rührt
großen Thecls daher, daß manche Gemeinden durch Erlangum, cincö Hansirpatents
ihren armen Ortsangehörigeii einen NahrnngSzwcig und damit ihren Ilntcrstützungs-
sends eine Erleichterung zu verschaffen suchen, aber sie bedenken nicht, daß sie da-
durch ibrc Gemeinden mit einer Auesaat von arbeitsscheuen, dem Müßiggang erge-
benen Menschen belasten. Diese Gemeinden werden anfänglich eine große Last an
den ehemaligen Hausircrn haben, wohl auch die Beihülfe des Staates in Anspruch
nehmen; dies darf uns nicht abschrecken. Wir haben so manche alte Abgabe, so
manche Belastung des Fel; banes mit Opfern aufgehoben, zu welchen auch'der Ge-
werbs- und Handelsstand sein Schcrflein beitragen muß, heben wir auch einmal
eine alte Belastung mit Opfern auf, die ihm zu gut kommen wird. Vicljähr'gt
Versuche, den Hausirhandei unschädlich zu machen, sind gescheitert; eS gib: hier »«r
Vin Heilmittel, nämlich das, das Ilehel mit der Wurzel auszurottcn. Auch das
Haussren ans Lumpensammlung, dieser häufig benutzte Borwand zur Ucbertretung
der Hansir-Gesctze, kann eingestellt und den Fabriken überlasten werden, in jedem
Ort ihres Bezirks einen angesessenen Sammler aufzustellen. Wenn das Hanstren
mit Waareumullern für die Diener konzeffionirtcr Kauflcute noch fortbestchen
sollte, so wird jedenfalls eine strenge Kontrolirung ihrer Muster und die Beschrän-
kung ihres Hausirciis auf die Häuser der Dctailhändlcr nothwendig sein.
tz. 3.
ö) Jede oben nicht genannte Gattung von Gewerbsbetiieb wird mit der Auf-
nahme in eine Zunft bedingt, doch soll diese Bedingung so wenig, aiS cs bei
Erfüllung ihres Zweckes nur immer möglich ist, in eine Belästigung oder Beschrän-
kung rer Gcwerbtreibenden übergehen. Hierzu dienen folgende Regeln:
Erste Regel. Jeder, der Staatsbürgerrrcht hat, 2s Jahre alt lst, guten
Leumund und in dem Bezirk der Zunft einen ständigen Wohnsitz hat, sich über hin-
längliche Belästigung und über die Mittel zum Anfang eines Gewerbes answeiset,
kann z ü n ft i g er M e i st c r werden. Eine große Anzahl schon vorhandener „Mci.
üer derselben Profession (die Uebersctztbeit eines Gewerbes) kann keinen Grund ab-
gcbcn, einem Gcwcrbs-Genost.n die Meistcrannahmc zu versagen."
Eine solche Weigerung wäre ein Unrecht gegen den Abgcwicsencn. In der Zeit,
da er als Kn.ibe einer Profession gewidmet wird, hat er noch keinen freien Willen,
auch kann man von ihm eine gründliche Einsicht in d,c Verhältnisse des Gewerbes
und eine Voraussicht seiner künftigen Verhältnisse nicht fordern, er wäre also durch
Versagung der Crwerbsgclegcnheit für etwas gestraft, das er nicht verschuldet hat
und wovor er sich nickt hat hüten können. Am meisten und härtesten wäre derjenige
gestraft, der längere Zeit ans Reisen oder in sonstiger Weise auf seine Ausbildung
verwendet hat, sich dann» später anmcldek, als der trägere, der nur die nothwcn-
dige Zeit auf die Professionserlernung verwendet hat, wenn der letztere den erster»
"> Folge seiner früher» Annieldnng ausschließe» dürfte.
Eine große Konkurrenz kann allerdings den alten Meistern lästig fallen, aber
der Reuhinziitretende erlangt ia keinen Vorzug, kein Vorrecht vor ihnen, sonder»
nur gmichcs Rocht und tritt mit ihnen in ganz gleiches .Verhältnis. Nur mehr oder
mindere ArbeitStüchtigkeit, Thätigkeit und Redlichkeit muß zum Voristeil der Abneh-
mer entscheiden, welcher von den konknrrirenven Meistern durch die Konkurrenz
Noth leiden soll. Doch diese Noth wird nicht eintrctcn, so bald die Meister ihre
Waarcn so weit vervollkommnen und die Preise so billig setzen, daß sich ein aus-
wärtiger Absatz bildet, der bei einer großen Waarcnanhänfung nicht ausvleibcn
kann. Es läßt sich bei den allermeisten Gewerben nicht ermittcln, wo die Granze
des Absatzes und der Nachfrage nach einein Artikel sei, da vermehrte Konkurrenz
zuerst den Preis der Maaren herabdrückt und dann der niedere Preis die Konsum-
tion des Artikels und die Spekulation in demselben vcrinestrt, so daß oft bei gerin-
gen Preisen der thätige Meister wegen des vermehrten Absatzes besser stehet, als
bei höhen Preisen,
tz. 4,
Zweite Regel, „Kein Staatsgenoffe, welcher die durch das Gesetz vorgc-

schrievcnen Bedingungen erfüllt, kann wegen seiner Religionseigenschaft oder
wegen uneheliger Geburt von einer Zunft ausgeschlossen werden."
Derjenige, dein der Staat als seinen Bürger oder Staatsgenosscn gestattet,
eine Familie zu begründen, muß auch das Recht haben, sich, die Mittel zn deren
Unterhalt durch seine Kunstfertigkeit zu verschaffen. Hier ist auch der Frage zu er-
wähnen, ob »nvcrhcirathcte Frauenspersonen selbstständig zünftige Gewerbe
betreiben können? Darüber ist man einig, daß eine noch vcrheirathete Frau nicht
neben ihrem Manne ein Handwerk treiben könne, so wie darüber, daß der Wittwe
des Meisters das Recht zukommc, das Gewerbe ihres Mannes mit Hülfe von Ge-
sellen sortznbctrciben; aber die Frage ist, ob eine Wittwe, deren Mann nicht Mei-
ster war, die sich aber selbst die erforderliche Kcnntniß und Fertigkeit erworben bat,
oder eine andere ledige Weibsperson, z. B, eine Meisterstochter, die ihre Eltern
verloren, aber noch unmündige Geschwister hat, nicht auch ein zünftiges Gewerbe
solle betreiben dürfen? Man hat das Bedenken erhoben, daß eine solche Selbst-
ständigkeit unverheiratbeter Frauen ihrer Sittlichkeit Gefahr bringen könne: die Er-
fahrung bei den Meistcrswitlwcn lehrt, daß dies nicht der Fall ist, natürlich; die
meisten Frauen, welche sich einem unsittlichen Leben hingebcn, werden durch Man.
gel oder Müssiggang dazu verlockt, gegen beides schützt sie ei» ehrenhafter Gewcrbs-
betrieb.
Es ist für den Staat von hoher Wichtigkeit, daß die Anzahl der unproductiveii
oder wenig productiven Staatsgcnoffen möglichst vermindert werde, dazu gehört
aber in den Starten eine gieße Anzahl von Frauen, welche durch Konvenienz und
Vorurlheil abgehaltcn sind, zu dienen und denen dermalen verwehrt ist, eine ent-
sprechende Gcwerbsfertigkcit auszunben. Ich schlage vor, zn statuiren:
Daß jede Frauensperson, weiche die gesetzlichen Bedingungen erfüllt, zum Selbst-
bktricv eines zünftigen Gewerbes jedoch ohne Stimmrecht in Zunstangelcgcnhcitcil
ermächtiget werden könne.
^ . ß- 4.
Drctte Regel. »Diejenigen, nnt welchen der neuangehende Meister künftig
in Konkurrenz tritt, dürfen nicht berufen sein, über seine Befähigung zur Profes-
sion zn urthecien, überhaupt über seine Aufnahme in die Zunft zu erkennen.»
Zn der seither bestandenen gegentheiligen Einrichtung liegt offenbar der Grund
zn viele» Ungerechtigkeiten und zu der unerfreulichen Erscheinung, daß die Annah-
dcs Ungeschickten, von welchem keine gefährliche Konkurrenz zu befürchten ist, be-
günstiget, dagegen Alles angcwendct wird, den thätigen und geschickten Arbeiter,
zumal wenn er nicht der Sohn eines Zunftmitgliedcs ist, abzuweisen.
Ich schlage zu obigem Zwecke vor, in jedem Amtssitz eine G ewerbs-Tom»
mission zu bilden, weiche mit leben, Zunft-Candidaten eine strenge mündliche Pr-i-
fung sowohl über seine intellektuelle Ausbildung im Allgemeinen, als über seine
Kenntnisse in seinem Gewerbsfach nnd eine praktische Prüfung durch Aufgabe eines
Meisterstücks vorznnehmen und in erster Instanz über seine Mkisterrnnahme za
erkennen hat. Diese Gewcrbs-Kommissson muß aus zuverlässigen, für das Aufblü-
hen rer Industrie erwärmten Männern bestehen; sie kam, Gewcrbsgcnoffcn des Au'«
zunehmenden zu Rathc ziehen, oder bei eingelegten Widerspruch die Zunft a!S
Partci vernehmen, sie darf aber niemals dieser eine entscheidende Stimme ein--
räumkii. Ihre Aufgabe wäre in der Wahl und Anordnung des zu fertigenden Mei-
sterstücks daraus zu sehen, daß dem Aufzn»chmenden keine unnöthigcn Kosten ver-
anlaßt werden, daß er nicht zu Verfertigung von Kunststücken und Spielereien an»
halten werde die schwer verkäuflich sind, oder wobei wenigstens der größte Thcil
dcS darauf verwendeten Fleißes unbelohnt bleibt. Nachsicht gegen wirklich erhebli-
che Fehler dcS Meisterstücks mit Auferlegung einer Buße dürfte nicht mebr statt»»«
den, wohl aber ei» Rekurs von dem Ausspruch der Kommission an eine zum Vor-
aus zu bestimmende Staatsbehörde.
i).
Vierte Rege!. „Die Zünfte werde» Zwar nach Bezirke», allenfalls nach
Amtsbezirkelt, abgcthciit; diese Abtheilung hat aber nur zum Zweck, zu bestimm,!!,
welche Meister der Zunft des Bezirks angehörcn, nicht aber ihre Befugnis zur Ar--
beitsübernahmc geographisch zu beschränken. Sie sollen im ganzen Lande ihre
Proiessivn üden dürfen, wo sie wollen, gleichviel ob'dies knndenweise od,r
auf eigene Rechnung geschehe, ob und wo sie die roden Stoffe abbolcn und die
verarbeiteten zgrücköringen, oder ob erstcre ihnen gebracht werden. Sie sollen ihre
Profession noch über die Grenzen des Landes ansdehneu, wenn die Vergünstigung
dazu durch Vertrag der Wechselseitigkeit von den Nachbarstaaten erlangt werdest
kann."
Man macht noch hie und da einen Unterschied zwischen Stadt- nnd Land«
meistern, und verwehrt de» letzter», ihre Waarcn in die Stadt zu bringen oeer
rohe Stoffe daselbst abzuhvlcn; man sagt, cs sei unbillig, daß der Städter, weicher
durch alle Rubriken theurcr zn leben hat. als der Landmeister, bissen Konkurrenz
bestehen solle; der letztere werde durch Mangel an Fortbildung und wegen 'einer
Nebenbeschäftigung mit Feldarbeiten nach und nach in seiner Kunstfertigkeit zurück»
kommen und geringere Kaaren zur Stadt bringen. Diese Gründe sind aber nicht
entscheidend. Muß der Städter für sem Hauswesen mehr ausgebcn, so hat er auch

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