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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 150
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0599

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Xo. 130

Dienstag,

Landtaysvcrhandlungcn.
CarlSrube, 24. Puni. iz. öffentliche Sitzung vcr 2. Kammer. Prass-
keilt: Bckk. — Negicrungskomailssion: Staatsrat- Frhr. v. Niidt.
Das Sekretariat zeigt an. daß der Abg. Rettig in einer der nächsten Si-
tzungen eine Motion auf Einführung einer Gcwerbordnung begründen werde.
Bissing übergibt: 1) Eine Erklärung von 7 Wahlmänncrn aus dem Amte
MeSloch, die Äbgeordnetcnwahl des 32. Acniterwahlbezirks betreffend. 2) Eine
Erklärung von 7 Wahlniannern aus dem Amt Neckargemünd, die Abhaltung einer
Wahlversammlung in Bammcnthal betreffend. Er bemerkt, daß die beiden Einga.
den von ruhigen, intelligenten und unabhängigen Bürgern unterschrieben lind; an
der Spitze der einen stehe sogar der Bürgermeister Hespe! von Neckargemünd, der
bekanntlich für een Regicrungskandibaten sehr geworben hat.
Schaaff übergibt mehrere Petitionen der Bewohner der HerrschaftZwinzcnberg
um Beihiilfe zur Entlastung von drückenden alten Abgaben.
Lenz übergibt eine Petition des Gemeinderaths und Bürgcrausschusses in Lco-
poldspafen. die Verlegung des Rheinhafenö nach Kniellligcn betreffend.
- Die Tagesorvnuna rührt zur Diskussion des Berichts über die zweite Wahl
von Sinsheun (Gastroph). ' °
Bassermann. Der Fall, der hier vorliegt, daß der Wahlkommiffär eine
Rede gehalten hat, die auf die Wohl en,wirken mußte ist schon vorqekommen Ich
glaube daher, da man doch immer sagt, man solle den Wahlstrcit nicht lange
fortführcn, daß bei dieser Gelegenheit die Diskussion abgekürzt werden könnte, in-
dem Feder au die früheren Verhandlungen sich erinnernd, sein Votum abzugcben
im Stande sein wird.
Welckcr wünscht, daß die Petition vorgelcgt werde; man könne doch nicht ur-
theilen, obnc die Akten zu kennen.
Helding bemerkt, daß er bereits angeführt habe, die Petition enthalte nichts
wesentlich Neues, was nicht schon im Protokoll angeführt sei. Uebrigens wäre es
interessant, sic zu lesen. Er rekapitulirt den Inhalt der Petition, welche,die Wahl
aus den im Berichte schon erwähnten Gründen anficht, nämlich: wegen ungültigen
llrwablen in Sinsheim, Einmischungen von Beamten, wegen der Rede des Wahl-
kommissars Trefilrt unv der von - .
lung, EMäropd wieder zu

,» niedreren Wahlniannern unterschriebenen Vcrpflich-
wählen. Bezüglich auf die Eiiunischung der Beamten

r>r Berichterstatter 13 Leschwerdepunkte, worunter Drohung mit Verlegung
süßes, Versprechen von Verdienst bei öffentlichen und Privatbauten, Oro-

vcrlicst
des Amtssitzes, Versprechen von Verdienst bei öffentlichen
bnng von Entziehung der Gehalte oder Löhne, Zusendung von Wablzetteln durch
Gendarmen und Ltraßenwarte, Nichteinladung liberaler Wähler, die wesentlichsten
sind. -- Die von zwei Wahlmänncrn Unterzeichnete Verpflichtung, Hrn. Gastroph
zu wählen, wird ebenfalls vorgelcsen. Sic sagen darin, daß sic sich durch die Förm-
lichkeit des Handschlags nicht bestimmen lasse» werden, von Ehre und Pflicht abzu-
weichcn.
Gerbest- Man habe Vieles gehört aus der Petition, aber doch nicht Alles.
Es sei in Sinsheim eine eüic,nig»<; t-cauüaloudo aufgcfuhrt worden. Der Briga-
dier der Gendarmerie habe ein offenes Bureau auf dem Nathvanse errichtet, wo er
die Leute dle Zettel für die Wablmännerwahl schreiben ließ. Die Petition bezsebe
sich auf die Urwahlen, und diese konnten ans dem letzten Grund angewcbten werden,
weil nämlich Wähler, von deren Gesinnung man nicht erwartete, daß sie im Sinne
der Beamten wähle» wurden, nicht eingcladen worden seien.
Welcker bemerkt, daß wenn viele Mitglieder die Wahldebatten zn lang stn-
den, so sei dies nur eine Folge davon, daß man nicht gründlich genug ans die
Dahlen eingegangcn sei. Allein die Wahlbcberrschnngen seien zum Gluck neu in
Baden, Wenn so etwas nochmals verkomme, werde es die .stammer bcffer angrei-
Oie Urlaubsfrage habe ebenfalls eine traurige Wendung darum genommen,
Kammer den Weg der Vorstellung betreten habe, statt zu handeln und
M für ni^ konstituirt zu erklären. Wenn künftig wieder Wahlen kommen, die
gus versülich^ Urwahlen beruhen, so werde die -lauiiner sie nicht wegen Formfeh-
lern, andern «regen der verfälschten Urwahlen kasnren. — Der Redner adstrahirt
davon "ir di,g.„ Hnff, allein er müsse doch erklären, daß die Lämmer das Prinzip
nicht ä»sgechrvchn, habe, die Urwahlen nicht zn berühren. Bei oen Wahlen von
Lahr und grell»,rg man eben die Urwahlen angegriffen und sich dieses Ne!,t
gewahrt. isst vorliegenden Fall schlieft er sich rer Mehrheit der Kommission
an. Die Einwirkung die Wahl durch die Rede des Eommissars sei sonnenklar,
was der Redner weiter ausfuhrt. Da nun derselbe Grund, der ihn immer bestimmt
habe, wegen Gesetz« sverlehg,,^ eine Wahl für ungültig zu erklären, hu» vorlicge,
so müßte er ine0ilsestl"nt Handel», wenn er die Wahl anerkenne. Schließlich will
er zu Gunsten der angegriffenen Partei ein Wort reden, da es wichtig sei, das
Volk darüber ankzuklän'»- solche falsche Vorstellungen wirken vachtbeilig auf die
vssentlichc Meinung. Der Wahikoninijssgr habe ganz im Sinne der Nescnpte ge-
stochen. Bei dem Mangel st» -iusbilduug der politischen Ansichten verdienten wohl
..s.w falschen Ansichten eine Berichtigung, eie man deswegen in diesem Saale geben
^«'il die Unterdrückung der freien Presse sich der Entwicklung der richtigen
c anderem Wege entgegen Ikelle, Man greife die Opposition
als teuidl>lj^ gegen die Regierung an. ,,Z>, ggen Zeiten," fährt er fort,
,,i» welchen politische Freiheit waltete, gab es eine Opposition gegen die Regierung
und gegen die Partei ihrer ergebenen Anhänger, Mid eine solche Opposition war
vitd G notwendig und wohlthätig. Ich kenne in cvnstituiionellen Ländern nur


zwei Zustände obnc Opposition. Der eine bestand 1820 in Baden. Und in Wahr-
heit damals herrschte allgemein das Streben nach einem Fortschritt in wohlthätigcn
Verbesserungen; doch schon in der zweiten Periode dieses Landtags behauptete die
Natur der Dinge ihr Recht; es bildete ssch auch in der Kammer der Gegensatz zwi-
schen abhängigen unv selbstständigen Mitgliedern aus, denn nur so kann ich bei
uns die Parteien der Ministeriellen und der Opposition bezeichnen. Der andere Z».
stand bestand zum Theil bei denzenigen früheren deutschen Landständen, welche
Schlözer die privilegirten Landcsverräther nannte. Derselbe Zustand bestand bei
uns in den Jahren 1825 »nd l8r8, und er besteht leider noch in einigen Stände-
kammern: Hier macht die ganze Kammer gehorsame Diener vor der Ministerbank
und bewilligt alle Foroernngen; die Stimme der wenigen Widersprechenden aber
verhallt in der allgemeinen Zustimmung. Ueberall sonst wird es eine Opposition
geben. Diele kann eine spstematische sein, wie in England und Frankreich, d. h.
eine solche, welche darnach strebt, nicht bloß ihre Grundsätze zu verwirklichen, son-
dern auch ihre Männer auf die Ministerbank zu bringen. Zn dem kleinen Baden,
unter denr Schutz der Herren Minister durch den Bund, wird man wohl dem Ver-
stände der Männer von der Opposition ein Bestreben für den letzten Punkt nicht
zutrauen.
Dagegen hat die Opposition hier die Aufgabe, daß sie fortwährend die Rechte
' und die Interessen des Volkes und die verfassungsmäßigen Freiheiten gegen das
Streben der Negierung, ihre Gewalt anszudchnen, vcrthcldige. Spstemattsch könnte
man sic mit Unrecht etwa in so fern nennen, als ibre Glieder in diesem wohltbä»
thigen Kampfe einmütbig zu Werke gehen; allein es wäre doch offenbar eine Schwä-
. che im Kopf oder in den Gliedern der Opposition, wenn sie in den Kämpfen gegen
das Ministerium und seine Anhänger sich spalten wollten, während das Ministcrium
mit seiner ganzen Gewalt, mit seinem Einfluß durch die Bundes- und durch die
Landesmittel die Ministeriellen bestimme, in allen ihm wichtigen Fragen einem Cvin-
mandowort zn folgen. Sie würde ihre Kraft und ihre Wirksamkeit für Freiheit
und Wohl dcö Landes verlieren, wenn sie gegenüber dieser geschloffenen Macht nicht
die zufälligen Abweichungen einzelner Ansichten der Mehrheit nntcrordncn wolle,
so weit cü nur der Verfaffnngsciv und die Pflichten der Gerechtigkeit unv Wahrheit
erlauben. In solcher Weise habe die badische Opposition die gemeinsamen Ziitere-
ffc» des Fürsten und Volkes gegen das ietzlge ministerielle Spstcm vertheidigt; sie
»lichte gegen die Wahlvkbcrrschüngcn kämpfen, und ich werde fortfabren und nicht
müde werden, gegen dieselben zu kämpfen, so lange kein Wort von der RegierungS-
bank aus uns ein Gewähr gibt, daß man das bisherige System für die Zukunft
verlassen will. Dagegen wird die Opposition, sobbald uns von Seilen des Mini-
steriums Vorlagen zur Förderung der wahren Lankcöintereffcn gemacht werden, sich
mit Freuden in" Verwirklichung derselben mit ihm vereinigen, und diese» vielleicht
einzigen Weg zu einer bauernden Versöhnung nicht von der Hand weisen.
Rettig will die von dem Abg. Welckcr angeregte Frage nicht in die Debatte
über tue vorliegende Wahl mischen, weil er wünsche, daß diese so kurz und ruhig
als möglich vor sich gehe. Man müsse zwei Punkte trennen. Die Rede des Wahl-
kommissärs und die Gültigkeit der Wahl. Die Rede könne man bcurtheilen, aber
weiter könne die Kammer nicht gehe». Der Wahlkommissär sei dafür nur der Re-
gierung verantwortlich, »nd wen» er gefehlt bade, so werde das Staatmüüstcrium
cs rügen. Hinsichtlich der Gültigkeit der Wahl sei wohl kein Zweifel, daß dieselbe
entschieden war. ehe der Kommissar ten Fuß i» den Wablort setzte. Es sei eine
schlimme Stellung, wenn die Vertreter des Volkes die Elite desselben, die Wahl-
inanncr bei jeder Gelegenheit bezüchtigc», sie seien schwach und schwankend. Zudem
sei dies die zweite Wahl in Sinsheim gewesen, wo die Wähler bewiesen, daß sie
ihre Stimiiigcbung überlegt barten, indem sie re» frühere» Deputieren wieder wähl-
ten. Die Siede res Wahlkommissars habe darauf keinen Einfluß gehabt. Die Fol-
ge einer Verwerfung könne nur sein, daß der Wahlbezirk noch länger unvcrtreten
bleibe, nno daß er den Abg. Gastroph zum drittenmal wähle. Man sollte diesen
Kollegen nicht dadurch kränken, daß inan ihn zum zweitenmal von der Schwelle
dieses Saales zurückweise.
Bassermann. Ich will nicht mit der Versicherung beginnen, daß ich mich
aller Leidenschaft enthalten werde, da ich mir bewußt bin, nie leidenschaftlich zn
sprechen; aber für Diejenige» in diesem Saale, welche Müde haben, ibre Leiden-
schaften zurnckzuhalte», wäre dies eine leichtere Ausgabe gewesen, wenn der Wabl-
kommiffär Trcfnrt seine eigene Leidenschaft bei dem besprochenen Wahlakte hätte in,
Zaum hatten können. Wahrlich, ich traute meinen Angen nicht, als ich daS Pro-
tokoll las. Ich hatte den Wahlkomnüssär, wenn auch nicht für unparteiisch, roch
für zn klug gehiltcn, als daß er in jetziger Zeit, und nachdem er die vierwöchent-
liche Schule "unserer Wahldebatten durchgemacht, abermals ein Kriterium in eine
Wahl brachte, das uns, wenn wir konsequent sein wollen, zur Verwerfung dersel-
ben bestimmen muß. Ganz richtig sagt der Abg. Rettig, daß wir keine offizielle
Rüge gegen de» Wablkommissäc durch Kammerbeschluß ausspreche» können. Aber
weil wir^dies nicht können, bleibt »ns nichts Anderes übrig, als durch unsere Ab-
stimmung über die Gültigkeit der Wahl auszusprechen, ob wir ein solches Beneh-
men billigen oder nicht. Wenn der Abg. Rettig fragt, ob wir die Wahtmanner
für so schwach hatten, daß sie sich durch eine Rede bestimmen ließen, so antworte'
ich ihm daraus, daß unter einer großen Anzahl Wahlmänner sich wohl aus beiden
Seiten solche befinden, die vor der Wahl schon fest entschlossen sind, für dicken und
für jenen zu stimmen; daß aber in der Mitte immer eine gewisse Anzahl bleibt.
 
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