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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 154
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0621

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^o. 154,

Samstag den 2. Juli,

1842,

LanVtaqsverhanSkungen.
Carlsrnhc, 28, Juni. 16 te öffentliche Sitzung der 2. Kammer. (Fortsetzung.)
Wclckcr fährt fort: Wohin — wohin endlich sollen wir kommen auf diesem
Wege s Kein cwiliflrter Staat hält im Verhältnis zu der Bevölkerung ein so gro-
ßes stellendes Scer, wie hiernach die kleinen deutschen Staaten, selbst nicht einmal
Preußen, das doch, um sich als europäische Macht ersten Ranges gegen andere
zwei- und dreifach größere Staaten zu behaupten, verbältnißmäSig die zwei- und
dreifache Anstrengung machen muß. Jene zwei Millionen der Staatsausgaben aber
find noch weitaus nicht die cinzige^Last dieses stehenden Herres. Wie groß find die
Privatbciträge der Eltern für die Söhne. Wie hoch vollends ist der Verlust an der
verlorenen Arbeit dieser 16,000 Männer, selbst wenn man denselben nur nach dem
Preis deS Tagclohnes anschlagcn will? Und für alle diese großen Anstrengungen
habe» wir nicht einmal ein selbstständiges Armeekorps von 30 bis 40 000 Mann,
und durch dasselbe in den Wechselfällcn der politischen Verhältnisse eine Macht für
selbstständige Unterhandlungen und Entschlüsse unserer Negierung, keine» Schutz für
das wehrlos bleibende, prcisgegebene Land, falls der Feind in dasselbe brach und
der Obcrseldhcrr, in dessen Heer unsere Truppen cingereibt worden, seine Heeres,
»lacht anderwärts aufstcllt und unsere Truppen aus dem Lande zieht. Aber — so
werden Sie mir vielleicht cinwenden — die Kosten wenigstens wird ein Landwebr-
Einrichtnng, wie vortrefflich Ne auch sein woge, roch nicht mindern. Freilich es
ließe sich denken, daß wir »u Verhältniß unserer Volkszahl eine so außerordent-
lich große Zahl von Limen- und Laiidwchrioldaten aufstellcn wollten, wiesle
Preußen (wegen seiner besonder» Stellung) hat, eine so große Zahl, daß wir in
wenigen Wochen ein Heer von 50,000 Mann völlig ausgcbildet ins Feld stellen
könnten. Dieses wäre dann vielleicht theuercr, als unsere jetzige Einrichtung —
dennoch aber — die Größe des Guts betrachtet, ungleich wohlfeiler, und wohl
noch lange nicht so thcuer, als Viele glauben. Denn, um an die so sehr wohl-
feile Schweizerimlttärcinrichtnng nicht zu erinnern, selbst bei der auf Wohlfeilheit
keineswegs vorzugsweise berechneten preußischen Militarcinrtchtung, betrüge, wie
schon der LommifiioiiSbcricht von 183l Uber meine Motion berechnete, ei» gleich
bei» unsrigcn schi egfertiges Herr von 15,000 Mau» Linie und Landwehr züsai»-
lucngcrechnet, nicht die Hälfte so viel, als eS unS kostet. Dcnn trotz aller Bil-
dung der LaNdwchrsoloaten und Landwehre'kfizicrc, wird ta doch die '-Hauptsache,
Löhnung und Gage von beiden gespart, und zugleich verwenden beide mit kurzen
Unterbrech,»Igk» der Ilcbungszeiten ihre Kräfte für ihr bürgerliches Gewerbe und
für ihre Eivilstaatsdienste. Wollen wir nun aber vollends zunächst nur eine Land-
wehr in kleinerem Maßstabe, in solchem, wie sie ausreicht, um zur Hälfte unser
Landcscontingent zu ergänzen und die KapitulationSzcit für die andere Hälfte des
stehenden Heeres zu verkürzen, und um eine Boroereitung der allgemeineren Wehp-
hufkigkeit des Volks flir die wirklichen Kricgszeite» zu begründen, welche in dem
stets wochcnlangen Zeitraum vor wirkliche,» Ausbruch des Kriegs am besten ergänzt
wird — alsdann könne» wir zugleich ökonomisch großer Ersparnisse machen. Wjr
könne» cs, so gewiß „„besoldete Offiziere und Soldaten, wie die der preußischen
und der schweizerischen Landwehr, wohlfeiler find, wie die Besoldeten, so gewiß die
Verwendung der Kräfte der Landwchrofsiziere und Soldaten für die Geschäfte' de«
Friedens vortbcilhafter ist, als der Verlust derselben (in stehenden Heere. Aber
läßt sich solche' m jeder Hinsicht wohlthäitge Einrichtung auch mit den staatsrechtli-
chen Bestimmungen der Landeögesetze vereinigen d Ja, sage ich, nach-wiederholtem,
sorgfältigen Studium dieser Gesetze. Ich hebe nur zwei Grundgesetze der Bundes«
knegsvcrfaffnng hervor. Der § 4 der näheren Bestimmungen dieser ÄricgSversas-
sung fordert, daß die E r sa tz a n > ct> a ft von, tiOOsten Theit der Bevölkerung, für
welche man unser Contlngent von 10,000 Mann schon jetzt tm Frieden erhöhen
will, --erst nach dem Ausrücken des Heeres ausgestellt" werden. Der
ch- 2l aber sagt: --Cs bleibt den Bundesstaat n ubertaffen, zur Bildung ihrer Eon-
tingcntc auch Landwehr zu verwenden.-- Meine Herren! Diese wohlthätige Bestim-
mung der Bundesgesetze beabsichtigte eine Erleichterung der schweren Last eines so
so großen BundeseontingcntS. Schon in denn Begriff Landwehr aber liegt cS, daß
bei ihr nicht von einem Prä sc n t h a l ten die Rede ist, daß sie unbesoldete außer
den Uebungs- und Äriegszciten des bürgerlichen Geschäft sich widmende Soldaten
und OlstZlere hat. Alle jene neuere Jntcrprelationsregeln von dem Präsententhal-
ten u. i. w., woraus man fetzt die enorme Große des stehenden Heeres ableitet,
könne also, da man weder den woblthatigcn Zweck der Zulassung der Hälfte des
Eontingcnts aus >mndwehr aufhcbcn, noch den Begriff der letzteren aus den Kopf
stellen wollte, nur aut die andere Hälfte des Contingents aus de» stehenden Trup-
pen bezogen werden. Ueberhaupt kann unfehlbar unsere Regierung zumal in, Ver-
ein mit anderen Regierungen, deren Stände bereits den Nothruf für Erleichterung
einer so ganz unvcrhaltnißmäßigen landverdrrblichcn Große der Militärlaft eine
schonenderc Anwendung dieser neuen Jnterpretationsregcln bewirken, welche ja tbeils
durch sie selbst hervorgerufen, tbeilS (in Hinblick aus einen früher unmittelbar oro-
bciidcn Krieg erlassen wurden. Der hohe deutsche Bund selbst wird es genehmigen,
da,, wenn vermittelst der Landwehr und der Wehrhaftigkeit unseres badischen Voltes
""der ganzen, langen franzöfilchen Gränze bis zur Zeit wirklicher Kriegsgefahr
", bald eine drei- und vierfache starke badische Kriegswchr sich bildet und unsere
Gebrrgspäffe vertheidigt, um solchen Preis eine allzukostsoicliqe, an sich wenig wirk-
-aine Ucberlastung des Landes in Friedenszeiten wegfalle. Und unsere hohe'Regie-
rung wird es verziehen, wenn wir auf diese wohlthätige Weise der stets wachsenden,

verarmenden Ucberlastung unseres Volkes verbeugen, als wenn wir in andern von
den Buiidcsgesctzcn gar nicht berührten Partien die Aushülfc suchen müßten, z. B.
einer Verminderung der Offiziere durch Vergrößerung der Compagnien nach öster-
reichischen, Vorbild, oder in der Verminderung zukünftig zu crtheilcndcr Gagen und
Löhnungen n. s w. Dadurch würden unserem hochachtnngswerthen badischen Mili-
kcerstande „»erwünschte Beschränkungen zugehcn, während ihm unsere Einrichtung
crsrculiche Aussichten und einen böbcrcn Standpunkt seiner Wirksamkeit eröffnet«-.
Den» im Frieden hätten bei ihr tüchtige Offiziere, die ihr Vermögen, ihre Geistes-
kraft und Anstrengungen dazu befähigten die Aussicht zugleich als Gutsbesitzer oder
als Civildtener und zugleich als höbere Landwehroffizicre sich den, Vaterland nütz-
lich zu machen. Im Kriege aber hätten Alle die Aussicht, an der Spitze ihres
wehrhaften badische» Volks demselben noch wesentlichere glänzendere Kriegsdienste
leisten zu können, als in den, tetzigcn geringeren, unselbstständigen Cvntingent.
Klar ist es jedenfalls, daß vernünftige und pflichttreue Volksvertreter, vor Allem,
»nv ehe es zu spät ist, einem solchen verderblichen Luxus in Beziehung auf die
Geld- und Mcnschciikräftc cntgcgcnwirkcn müsse. Ja eS ist ei» Lnrus, ein verderb-
licher Luxus, welcher im Frieren selbst die nothige» Kräfte für den Krieg verzehrt,
und die beste und größte Vertdcidigungskraft für de» wirklichen Fall der Noth die-
sem Lnrus selbst opfert. Was ist uns denn geblieben nach 27 stricdcnsjahren, von
allen den Millionen und abermals Millionen, die wir für die nun nutzlose Bildung
der jedes Jahr zum Pflug oder Handwerk zurncktretendcn Krieger verwendeten.
Was wurde uns bleiben nach weiteren gnerensjahren von den in, Frieden selbst
neu gesteigerten Verwendungen an Geld und Arbeitskräften. Wie kann anders,
Wenn bei kmzer Dienstzeit in der Linie ein viel größerer Theil unserer Bürger in
der Linie gebildet würde und die Austretenden sich als wohlthätige Bildner nnd
Glieder eines wehrhaften Volkes organisch niit demselben verbinden und mit ihm
im Falle des Krieges einr doppelt und dreifach stärkere Schutzwebr für Fürst und
Vaterland bilden! Wie ganz anders, wenn fle durch diese Verstärkung an Zahl,
durch die stets Angesichts der Kriegsgefahr in wenigen Wochen erfolgreich ergänzte
kriegerische Ausbildung, durch die patriotisch begeisterte Kraft , nd tüchtige Tbat
einige'» Mangel der Dressur in Friedenszeiten zehnfach ersetzen. So aÄ'Hoi» de,
Geschichte ist die Wahrheit, daß solche Bolksheere stets den bloS stehenden Heeren
überlegen waren und das Vaterland und seine Freiheit schützten und retteten, wenn
blos stehende, zumal übergroße stehende Heere, seinen Wohlstand, seine Freiheit,
seine Existenz gefährdeten. Und Volkskrieg wird fortan jeder europäische Krieg,
Auf ihn müssen wir uns vorbereitet, oder — unser kaum gerettetes deutsches Vater-
land, ist auf's neue verloren, die kleinen Staaten zuerst. Hier vereinigen sich also
alle Pflichten treuer B-rtreter des Vaterlandes, um »ns zu ermuthigen, mannhaft
und beharrlich mit der gesunden Volksvernunft Einseitigkeiten des Kastengeistes oder
Rcgierungspolitik und einem furchtbar anwachsendcn Nebel entgegenzutreteii Da-
rum hoffe ich, Ihre Zustimmung zu meinem Antrag auf eine Bitte,
„um sachkundige aber unparteiische Prüfung und Abänderung unserer Mtli--
täreinrichtung im Sinne einer organischen Verbindung eines kleineren Coips
stehender Truppen mit einer zweckmäßigen Landwehr und einer Ergänzung
der Hälfte unseres EontingcnteS durch dieselbe."
II. Die zweite Hauptklaffc meiner Anträge bezweckt mehrere constitutioiielle
oder vo lksin aßige, dem Wohl und der Freiheit förderliche nnd die
Lasten des Volkes erleichternde Verbesserungen unserer Civilve»
waltnng. Ein ähnlicher Fehler, wie der unserer Mllttärciiirichtung, drückt auch
unsere Civilvenvaltung. Durch die Einflüsse früherer absolutistischer »nd vorzüglich
auch der napoleoiiischen Rheinbunbeszciten ist auch unsere Civilverwaltnng immer
unvolksmäsigcr und kostspieliger geworden. Das große stehende Heer unse-
rer Eivildiener und Pensionisten und die großen Lasten des Volkes für dasselbe
wachse» von Jahr zu Jahr. Jedes Budget und auch das gegenwärtige fordert neue
Verwilligungcn. Ungerechnet die Besoldungen des Militärs, der Geistlichkeit, dis
gesammte» Lehrcrpcrsonals, ohne die Gehalte und Diäten für Diener, ferner olme
die Besoldungen und Gehalte für das Grenz-, Zoll- und Anffichtspcrchnal von
439,723 fl„ obuc alles dieses zahlt unser kleines Baden bereits für die Besoldungen
der aetiven Civtlstaatsviencr i,471,230 fl. jährlich u. eine Vermehrung für 1843 von
31,700 st., also anderthalb Millionen. Unsere Civilpcnsionen betragen tä-r-
lieh 675,648 fl, mit dem Militärpenfionsstand 898,479 fl. das nachträgliche Bndgrt
enthält eine jährliche Vermehrung von 13,898 fl,, also beinahe eine Million, de»
neunten Theil unserer gesammtcn Staatseinkünfte für Pensionen, während in dem
ein Viertel größer» Württemberg die Pensionen nur die Hälfte oder V, Million
betrügt.
Zu der Größe der Kostspieligkeit und Unvolksmäßigkeit dieses Heeres von
Civitbeamten kommt noch ein viel größerer Rachtheil. Ich meine die seit der Mein
bundszeit wirksamen Einflüsse der napolconisch.franzofischcn Centraltsation und Avi-
lirung der früher selbstständigeren Staatsdiener, ihrer Erniedrigung zu willenloses
Regierungs- oder Ministexhepienteii. Ich meine die traurige neueste Nachahmung
dieser verderblichsten aller französischen Principien in unserem deutschen Baden,
Meine Herren, erlassen Sie mir die traurigen Schilderungen der neueren min-ste-
ricllen Steigerungen jenes Systems — die Schilderungen jener Urlaubsverweigerung
an konstitutionell und volksmäßig gesinnte Beamte, die strafenden »nd dcgradiren-
den Versetzungen und Penfionirungen für andere, die Bedrohungen und Herabsetzung
für alle und die unbegreiflichen Aa-llrescripte. Nicht Vorwürfe machen, sondern
 
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